Nach Igel-Quälerei auf Bielefelder Schulhof: „Der Vorfall muss auf den Tisch“

Es ist ein Vorfall, der fassungslos und wütend macht: Auf einem Bielefelder Schulhof haben Kinder einen kleinen Igel als Fußball missbraucht und so schlimm zugerichtet, dass er eventuell eingeschläfert werden muss. Erwachsene standen scheinbar untätig daneben. Und auch die Reaktionen der Schulleitung lassen zu wünschen übrig. Das Ganze aber kurzerhand als übliches Zeichen der zunehmenden Verrohung einzuordnen, greift zu kurz, zeigt ein Gespräch mit Experten.

Klar ist für die Bielefelder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Haike Schauf vor allem eins: Bei der Beurteilung des Geschehens fehlen viele Informationen, allen voran das Alter der Kinder und ihr Background. &bdquo;Dennoch muss man klar sagen: Das sind nicht einfach nur kaltherzige Kinder, die so etwas tun. Das sind Kinder, die sich aus bestimmten Gründen keine Emotionen erlauben können, keinen Halt, keine Sicherheit im Leben haben. Die trainieren sich Gefühle systematisch ab. Hinzu kommt die Gruppendynamik, die auch Zweiflern oft die letzten Hemmungen nimmt und Brutalität viel Vorschub leistet.“

Eltern hätten in der Situation eingreifen müssen Das größte Problem sieht Schauf bei den Erwachsenen, die scheinbar untätig zusahen, wie die Kinder den Igel quälten. &bdquo;Wir haben es in unserer Gesellschaft zunehmend mit Verrohung zu tun. Und wenn Eltern ihren Kindern oder auch anderen Kindern bei so etwas keinen Einhalt gebieten, wird sich das auch nicht ändern.“

Dieser Ansicht ist auch Martina Reiske, Leiterin der Grundschule Sudbrackschule in Bielefeld. &bdquo;Wichtig wäre in dieser Situation gewesen, den Kindern ihr Fehlverhalten direkt zu spiegeln. Und das ist im Nachhinein jetzt auch Aufgabe der Schule - immer vorausgesetzt, die Kinder besuchen diese Einrichtung, auf deren Schulhof das ja scheinbar passiert ist.“

Igelhilfe Herford will Namen der Schule nicht nennen Auch die Tierrechtsorganisation Peta fordert, dass der Vorfall durch die Schule aufgearbeitet wird. &bdquo;Leider handelt es sich nicht um einen Einzelfall, denn immer wieder quälen Kinder in Deutschland Tiere. Deshalb ist es längst überfällig, dass tierethische Themen in Lehrplänen verankert werden. Nur so können Kinder für ein gerechtes Miteinander sensibilisiert und ihre Empathie gegenüber Schwächeren gestärkt werden“, betont Mareike Homann, Fachreferentin für Petakids, in einer Pressemitteilung.

Bei der Igelhilfe Herford will man den Namen der Schule auf Nachfrage nicht nennen. &bdquo;Gerade angesichts mancher Kommentare im Netz halten wir das nicht für zielführend. Die Menschen, die hier Drohungen ausstoßen, sind ja nicht besser, als die Kinder, die den Igel getreten haben“, sagt eine Mitarbeiterin.

Dennoch ist man hier nach wie vor irritiert über die Reaktion der Schulleitung, die sehr abweisend gewesen sei gegenüber der Bitte, den Vorfall mit den Schülern zu thematisieren. &bdquo;Vorrangig wurde hier das Argument angeführt, man wisse nicht, ob das zu Schulzeiten oder überhaupt auf dem Schulgelände geschehen sei.“

Tierheim Bielefeld sieht Schule in Verantwortung Für Schulleiterin Martina Reiske sind diese Begründungen nicht ausschlaggebend. &bdquo;Wir haben es hier mit einem hochgradigen Fehlverhalten zu tun, bei dem ein Lebewesen zu Schaden gekommen ist. Das darf man nicht einfach vorbeistreichen lassen. Das muss auf den Tisch, das muss aufgearbeitet werden. Hier muss vor allem bei den Kindern eine Emotionalität geschaffen werden, ein moralisches Empfinden dafür, was sie mit dem Tier gemacht haben.“

Dass Tierschutz ganz klar zu den Themen gehört, mit denen sich Schule im Rahmen ihres Erziehungsauftrags befassen muss, sieht auch Barbara Snelting so, langjährige und mittlerweile ehemalige Leiterin des Tierheims Bielefeld. &bdquo;Und umso mehr, wenn es im Umfeld der Schule zu so einem Vorfall gekommen ist.“

Auch sie nimmt die zunehmende Verrohung in der Gesellschaft wahr. &bdquo;Neu ist es allerdings leider nicht, dass Igel als Bälle benutzt werden. Damit habe ich in meiner Laufbahn schon häufiger zu tun gehabt.“ Auf der anderen Seite sieht Snelting aber auch, dass die Aufmerksamkeit für Tierschutz zunimmt. &bdquo;Mein Eindruck ist, dass Menschen sich viel schneller und häufiger an uns wenden, wenn sie es mit Tieren in Not zu tun haben.“

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