Satelliten fotografieren Ackerflächen: Landwirte unter Generalverdacht?

Münster/Bielefeld. Die Agrarförderung der EU ist auch in NRW für viele Landwirte wichtig für die Sicherung ihrer Existenz. Um Subventionen zu erhalten, müssen Landwirte strenge Voraussetzungen erfüllen und sie an die Behörden übermitteln. Ob die Angaben stimmen, wird aus dem Weltall überwacht – mit Satelliten. Die EU-Kommission schreibt die sogenannte Fernüberwachung ihrer Agrarförderung per Satellit seit 2022 allen Mitgliedsstaaten vor. Doch bei der Auswertung der Aufnahmen, die alle fünf Tage neu zur Verfügung stehen, kommt es immer wieder zu Fehlern. Zudem kritisieren Landwirte, sie stünden unter Generalverdacht.

&bdquo;Kontrollen sind nötig, aber das Ausmaß der Satellitenüberwachung und vieler anderer Vorgaben aus Brüssel und Berlin sind nicht mehr verhältnismäßig“, kritisiert Antonius Tillmann, Vorsitzender des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbands in OWL. &bdquo;Die Politik spricht von Bürokratieabbau, schafft stattdessen durch Überregulierung aber nur noch mehr davon.“

Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums werden Flächen, die von Landwirten genutzt werden, als Teil des EU-Copernicus-Programms alle fünf Tage von Sentinel-2-Satelliten überflogen. Ziel dieser Maßnahme sei es, die Landwirte durch weniger Kontrollen vor Ort von der Bürokratie zu entlasten. &bdquo;Das ist aber nicht passiert“, sagt der Landwirt aus Warburg (Kreis Höxter).

So funktioniert die Satellitenüberwachung Doch wie läuft die Satellitenüberwachung ab? In NRW läuft das Flächenmonitoring nach Angaben der Landwirtschaftskammer NRW seit 2022. &bdquo;Dabei werden die Flächen über Satellitenbild-Zeitreihen automatisiert mittels künstlicher Intelligenz auf die Einhaltung bestimmter Verpflichtungen geprüft“, erklärt Sprecher Jan-Malte Wichern. Geprüft werde unter anderem, ob die Angaben der Landwirte zur Größe der Fläche, Einhaltung der Fruchtfolge und zum Umgang mit Brachflächen korrekt sind.

Stimmen die Angaben der Landwirte nicht mit der Auswertung des Flächenmonitorings überein, werden die Landwirte informiert. Dann können sie die Angaben anpassen oder Kontakt zur Kammer aufnehmen. Die wiederum kann dann weitere Aufklärungsmethoden veranlassen, etwa die Nutzung von höher aufgelösten Bildern mit einer Größe von drei Metern oder auch Feldkontrollen vor Ort.

Bei der Auswertung kommt es laut Tillmann jedoch immer wieder zu Fehlern, weil die Größe der Flächen oder die Frucht oder die Tiere auf dem Feld von der künstlichen Intelligenz nicht korrekt erkannt werden. Laut Wichern seien vor allem bei kleinen oder schmalen Flächen und bei selten angebauten Kulturarten weitere Methoden zur Aufklärung notwendig. Tillmann moniert: &bdquo;Das ist nicht verhältnismäßig!“

Kontrolleurin fotografiert Schafskot zum Beweis Welche absurden Züge diese Form der Überwachung annehmen kann, zeigt ein Beispiel aus Lünen (Kreis Unna) auf dem Hof von Landwirt Malte Voerste. &bdquo;Ich bekam Besuch von einer Mitarbeiterin der Landwirtschaftskammer NRW aus Münster, die kontrolliert hat, ob auf einer meiner Fläche, so wie von mir angegeben, tatsächlich Schafe grasen. Die Fläche ist genau 1.001 Quadratmeter groß, weshalb ich dafür eine Förderung von 15 Euro erhalte“, erklärt der Sprecher der Freien Bauern in NRW, einer Interessenorganisation bäuerlicher Familienbetriebe. &bdquo;Als Beweis hat die Mitarbeiterin die Hinterlassenschaften der Schafe fotografiert und als georeferenziertes Foto an die Behörde übermittelt. Und alles nur, weil die künstliche Intelligenz keine Schafe erkennt und um zu prüfen, ob mir die Förderung in Höhe von 15 Euro tatsächlich zustehen.“ Voerste findet, dem Satelliten fehle es an Augenmaß.

Der Landwirt fragt sich, ob dieser Aufwand nötig ist: &bdquo;Ohne Kontrolle geht es nicht, aber stichprobenartige Überprüfungen reichen aus.“ Zudem kritisiert Voerste, dass Landwirte unter einem Generalverdacht stünden. &bdquo;Dieses permanente Misstrauen in Kombination mit immer neuen Dokumentationspflichten belasten Landwirte sehr, weil auch dann unsere Prämien gekürzt werden, wenn wir fachlich alle Vorgaben erfüllen.“

Aufwand wird mehr: jetzt auch noch eine App Voerste rechnet jedoch damit, dass die Arbeit für Landwirte in Folge der Satellitenüberwachung weiter zunehmen wird, weil auch in NRW bald eine App zum Einsatz kommt. Landwirte sollen sie nutzen, wenn ihre Angaben nicht mit dem Flächenmonitoring übereinstimmen. Laut Landwirtschaftskammer NRW wird die App &bdquo;Maona NRW“ ab Mitte Juni schrittweise eingeführt.

In Brandenburg hat Landwirt Reinhard Jung von den Freien Bauern bereits eine Musterklage gegen die Nutzungspflicht der App beim Verwaltungsgericht eingereicht. Auch Voerste kritisiert das Vorgehen: &bdquo;Ich bin mir nicht sicher, ob Landwirte dazu verpflichtet werden können, sich mittels einer App selber belasten zu müssen.“

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