Mit Drohne und Wäschekorb: Unterwegs mit Bielefelder Rehkitz-Rettern

Bielefeld. Ein leises Sirren durchbricht die Stille des frühen Morgens. Dann erhebt sich die Drohne in der grau-blauen Dämmerung über Kirchdornberg. Rund 60 Meter geht es in die Höhe, dann fliegt sie nach rechts. &bdquo;Am Startpunkt angekommen“, meldet die Drohnensteuerung in den Händen von Dag Honsel. Es ist Donnerstag, 4.30 Uhr in der Früh, und es kann losgehen mit der Jungwildrettung.

Rund sieben Hektar Wiese wird der Drohnenbeauftragte der Kreisjägerschaft Bielefeld hier mit seinem Team absuchen – damit Rehkitze, Junghasen und Bodenbrüter vor dem Mähtod gerettet werden.

Während der Monate Mai und Juni sind dafür in ganz Ostwestfalen-Lippe Dutzende Freiwillige auf den Wiesen der Region unterwegs. Denn Landwirte wollen ihre Wiesen mähen, können vom Trecker aus jedoch nicht erkennen, ob Jungtiere in den hohen Gräsern liegen. Und die flüchten nicht von selbst – auch dann nicht, wenn sich ein Fahrzeug nähert. &bdquo;Das ist ein angeborener Reflex. Bei Gefahr ducken sie sich und stellen sich tot“, erklärt Dag Honsel.

Seine Drohne zieht ihre erste Bahn. Gemeinsam mit Uwe Winter, Leon Neese und Stefan Baltschun überprüft er den Flug auf seinem Display. Durch die Wärmebildkamera sieht die Wiese aus wie eine schwarz-weiße Kraterlandschaft: Je wärmer der Boden, desto weißer wird er auf dem Bildschirm angezeigt. Vor einer Baumgruppe taucht ein heller Fleck auf. &bdquo;Da könnte was sein“, murmelt Dag Honsel. &bdquo;Uwe, kannst du mal hingehen?“

Das ist bei der Jungtierrettung wichtig Uwe Winter macht sich startklar. Er streift sich Einmalhandschuhe über, steckt sich Zeltnägel in die Tasche und schnappt sich einen Wäschekorb. Zügig nähert er sich der Stelle, über der die Drohne schwebt. &bdquo;Es ist wichtig, dass wir Handschuhe tragen“, erklärt Dag Honsel. So könne vermieden werden, dass die Jungtiere den menschlichen Geruch annehmen und deshalb verstoßen würden.

&bdquo;Wenn da jetzt ein Jungtier liegt, kann er es im Wäschekorb an den Rand der Wiese transportieren und dort absetzen“, führt Honsel weiter aus. Um zu verhindern, dass die Kitze nach dem Absetzen auf dem Boden direkt wieder in die Wiese zurücklaufen, wird der Wäschekorb über das Wild gestülpt.

Nach dem Mähen befreien die Landwirte die Tiere wieder. Ganz wichtig dabei: die Zeltnägel zum Fixieren der Körbe. &bdquo;Im vergangenen Jahr haben wir die noch nicht gehabt“, sagt Dag Honsel. &bdquo;Da kam die Ricke und hat den Korb umgeworfen, um ihr Kitz zu befreien.“

Honsel wirft wieder einen Blick auf den Bildschirm und zoomt noch etwas näher heran. Und dann: &bdquo;Uwe, du kannst dir den Weg sparen. Das ist ein Hase, der ist schon groß – der läuft selbst raus“, meldet er via Funkgerät. Während Uwe Winter durch die Wiese zurückstapft, fliegt die Drohne noch die restliche Fläche ab: kein Jungwild mehr in Sicht.

Organisation der Jungtierrettung ist aufwendig Damit Wiesen wie die in Kirchdornberg abgesucht werden können, bedarf es vielerlei Organisation und Spontanität. Sobald das Wetter länger trocken ist, klingeln die Telefone bei den Verantwortlichen wie Dag Honsel Sturm. Denn Landwirte sind verpflichtet, ihre Wiesen vor dem Mähen abzusuchen oder absuchen zu lassen. &bdquo;Bis 18 Uhr müssen sich die Landwirte am Tag vorher bei mir melden, damit ich dann bis 20 Uhr die Route und die Anzahl der Teams planen kann.“ Anhand der Standorte, die die Landwirte ihm schicken, kann er sich bei Google Maps die Flächen anschauen und sie für die Drohne einmessen – alles ehrenamtlich.

Zurück in Kirchdornberg: &bdquo;Mission beendet. Return to home“, meldet die Drohnensteuerung. Die erste Fläche ist geschafft, fünf weitere stehen noch bevor. Die Drohne landet mit einem leisen Plopp auf einem Holzbrett. &bdquo;Die nächste Fläche ist auf der anderen Straßenseite, da können wir eben rübergehen“, sagt Dag Honsel, während er die Propeller der Drohne einklappt. Zusammen mit der Fernbedienung wandert sie in den Koffer, dann geht es auf die andere Straßenseite.

Dort beginnt alles wieder von vorn. Wieder geht es hoch nach oben in den Morgenhimmel. &bdquo;Da ist ein heller Fleck direkt neben dem Bauwagen“, stellt Dag Honsel mit Blick auf den Bildschirm fest. &bdquo;Ich gehe mal gucken“, sagt Leon Neese. Und schnappt sich einen Wäschekorb.

So werden Rehkitze vor dem Mähtod gerettet Ein Rauschen im Funkgerät: &bdquo;Kitze. Zwillinge.“ Er reißt Gräser aus und nähert sich vorsichtig den Jungtieren. Doch die haben ihn bemerkt. Das erste Kitz springt auf und flüchtet, das zweite kann er behutsam packen und in den Wäschekorb setzen. Mit dem Kitz im Wäschekorb überquert er die Wiese, setzt es im Schatten unter Bäumen und Büschen ab und stülpt den Wäschekorb drüber. Mit zwei Zeltnägeln fixiert er den Korb. Doch was ist mit dem zweiten Kitz, das von selbst aus der Wiese gelaufen ist? Ist es in Gefahr?

&bdquo;Ich suche die Fläche noch einmal ab, ob es wieder in die Wiese gelaufen ist. Mehr können wir nicht machen.“ Die Drohne zieht wieder ihre Bahnen über der Wiese, doch der weiße Fleck taucht nicht mehr auf. Das Team packt das Equipment zusammen; noch vier Flächen.

Während für die Gruppe dann Schluss ist, geht es für Dag Honsel in Vilsendorf und Jöllenbeck mit anderen Freiwilligen weiter. Bis fast halb 10 Uhr morgens wird das dauern. &bdquo;Mich motiviert einfach, dass ich dadurch Jungtiere rette, bevor sie durch das Mähen zerstückelt werden. Es geht mir nicht darum, dass ich im Herbst mehr Rehwild schießen kann. Das denken viele. Aber wer wie ich schon mal ein Kitz mit vier gekürzten Beinen gesehen hat, der vergisst das nicht so schnell. Das ist kein schöner Anblick.“

Mit Drohne und Wäschekorb: Unterwegs mit Bielefelder Rehkitz-Rettern

Kinder nehmen Rehkitz von Wiese in Bünde mit: Warum das für ein Tier fatal enden kann

Besser anleinen: Junge Wildtiere vor Hunden schützen

Gefahr für Tiere: Mähroboter mit Bedacht einsetzen

„Wenn Du gehst, töte ich Dich und die Kinder“: Frauenhaus rettet Bielefelderin das Leben

Opa als Vorbild: 16-Jähriger aus Stukenbrock findet seinen Traumjob im Restaurant

Sie ist die erste Frau in Bad Oeynhausen, die einen Fußballverein führt

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €