Erste Hilfe in akuten Ausnahmesituationen: Diese Bielefelder geben Halt in seelischer Not

Bielefeld. Sie tauchen selten im Fokus der Öffentlichkeit auf, aber wenn Menschen aufgrund einer akuten Ausnahmesituation seelische Hilfe brauchen, dann sind die Notfallseelsorger da – so schnell wie die Feuerwehr. Sie stehen Angehörigen bei, wenn die Polizei den Tod eines Familienmitglieds mitteilen muss. Sie helfen Augenzeugen und Opfern von Unfällen oder Gewalttaten in der ersten Fassungslosigkeit. Nun benötigen sie selbst Unterstützung.

Es klingelt mitten in der Nacht. Als die aus dem Schlaf aufgeschreckte Bewohnerin die Haustür öffnet, stehen zwei Polizeibeamte vor der Tür. Sie kommen von einem schweren Verkehrsunfall, sagen sie. Ihr Sohn habe in einem der Autos gesessen und er habe es nicht geschafft. Er sei in der Klinik verstorben.

Es sind nur wenige Sätze, aber sie reißen der Mutter den Boden unter den Füßen weg, sie schreit, weint, zittert, sie bricht zusammen. Die Beamten sind nicht alleine. Sie haben zwei Notfallseelsorger dabei, die die ersten Stunden bei der Familie bleiben und &bdquo;erste seelische Hilfe“ leisten.

Bielefelder Notfallbegleiter: Schweigen muss man aushalten können Denn viele Angehörige stehen unter Schock, verfallen entweder in eine totale Lethargie oder sind nicht mehr in der Lage, mit der Verzweiflung umzugehen. Sie schreien, reden wie ein Wasserfall, haben Wutausbrüche oder eine Weinkrampf, andere schlagen um sich: &bdquo;Alles ist normal in so einer Situation. Wir leisten Beistand, halten die Gemütsverfassung mit aus und begleiten die nächsten Schritte mit den Betroffenen“, sagt Leiter Andreas Hövel, frisch pensionierter Polizeibeamter und seit mehr als 20 Jahren ehrenamtlicher Notfallbegleiter. Dazu gehöre es auch, die Stille und das Schweigen aushalten zu können.

80 bis 100 Einsätze bewältigen die ehrenamtlichen Mitglieder der Notfallseelsorge Bielefeld pro Jahr. In den meisten Fällen gehe es um die Betreuung von Hinterbliebenen, sagt Hövel. Dazu gehöre auch die seelische Begleitung Angehöriger, wenn die Polizei eine Todesnachricht überbringt. Das könne aber auch nach einem medizinischen Notfall, einem Suizid oder bei plötzlichem Kindstod nötig sein. In selteneren Fällen gehe es auch um die Betreuung von Augenzeugen schwerer Unfälle und von Gewalttaten, aber es könne auch die Nachbereitung von schweren Einsätzen unter den Rettern sein.

Das aktuelle 26-köpfige Team sei erfahren, aber um jederzeit &bdquo;rund um die Uhr“ erreichbar zu sein (&bdquo;die Not kennt keine Uhrzeit“), seien weitere Teammitglieder nötig. &bdquo;Deshalb suchen wir neue Notfallseelsorger, um auch zukünftig sicher unsere Einsätze wahrnehmen zu können“, sagt Hövel.

Neue Helfer sollten mental stark und teamfähig sein Fünf bis sechs neue Helfer seien wünschenswert. Dazu sei es gut, wenn man einen guten Umgang mit dem Tod habe, mentale Stärke und eine gewisse Lebenserfahrung mitbringe und – das ist wichtig – rund um die Uhr erreichbar sei. Die Anfragen für Notfallseelsorge-Einsätze können jederzeit per Melder von den Leitstellen der Feuerwehr oder der Polizei reinkommen.

In den meisten Fällen erscheinen die Notfallseelsorger zu zweit. Deshalb sei Teamfähigkeit auch eine wichtige Eigenschaft: &bdquo;Man muss sich auch zurücknehmen können“, sagt der 61-Jährige. &bdquo;Manchmal hat der andere einen besseren Draht zu den Betroffenen, dann ist es gut, wenn ich mich raushalten kann.“

Für Interessierte bietet der Verein, den es seit 1997 gibt, nun einen Infoabend am Dienstag, 5. November, um 19.30 Uhr im Gemeindehaus der Pfarrei St. Elisabeth, Mackebenstraße 17, an. Vorerfahrungen etwa durch Berufe in Rettung, Feuerwehr und Polizei seien hilfreich, aber keine Voraussetzung. Wer sich für die Aufgabe entscheidet, absolviert anschließend noch eine Ausbildung, die von der evangelischen Kirche übernommen wird (80 Stunden über 6 Monate verteilt).

Dabei geht es um verschiedene Themen: Umgang mit Belastungen, Umgang mit Kindern (die stellen viele Fragen, die man beantworten sollte), Spezialwissen bei plötzlichem Kindstod, Rituale, die helfen, die Betroffenen aus der Apathie zu holen und Infos für all die ersten Fragen nach dem Schock.

Wer am 5. November keine Zeit hat, kann sich natürlich trotzdem melden. Per Mail unter kontakt@notfallseelsorge-bielefeld.de

Weitere Infos unter notfallseelsorge-bielefeld.de

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