Heimliche Beziehung mit dem Lehrer: Bielefelderin bricht ihr Schweigen

Bielefeld/Berlin. Denia Rodríguez Böwering ist 32 Jahre alt. Wenn sie auf ihre Schulzeit zurückblickt, dann ist das für sie sehr belastend. Als Teenager führte sie eine &bdquo;verbotene Liebe“ mit einem Lehrer ihrer Schule. Was sie damals als Liebesbeziehung wahrnahm, benenne sie heute rückblickend als &bdquo;sexualisierten Machtmissbrauch“. Es habe lange gedauert, das zu erkennen, berichtet sie in der WDR-Doku &bdquo;Das ist keine Liebe“ von Greta Hey. In den vergangenen Wochen hat die Doku in Bielefeld für große Aufmerksamkeit gesorgt.

Die junge Schülerin ist damals 16 Jahre alt. Ihr ging es nicht gut, sie wechselte nach einem sexuellen Übergriff durch einen Mitschüler die Schule. Dort fand sie in einem Lehrer einen verständnisvollen Mann, der sie ernst nahm und sich fürsorglich zeigte. Er habe Vertrauen zu ihr aufgebaut, sie habe mit ihm über ihre Sorgen sprechen können. Irgendwann sei es dann auch zu privaten Treffen gekommen. Plötzlich habe er auch über Gefühle gesprochen, berichtet sie. Nach einem Treffen in einer Bar, bei dem zu viel Alkohol geflossen sei, soll er anschließend Sex gewollt haben. Sie habe sich überrumpelt gefühlt, es aber geschehen lassen. Es sei ihr erstes Mal gewesen.

Er habe anschließend von Liebe gesprochen. Sie fühlt sich wahrgenommen und wertgeschätzt. Es beginnt eine lange, aber schwierige Beziehung. Beide mussten ihre Zweisamkeit streng geheim halten – selbst die eigene Familie darf nichts von ihrem Geheimnis wissen, berichtet die Bielefelderin. &bdquo;Ich habe meine Eltern jeden Tag angelogen.“

Gefängnisstrafe droht: Bielefelderin unter Druck Damals soll er ihr immer wieder deutlich gemacht haben, dass er ins Gefängnis käme, wenn sie davon erzähle. Denia habe schließlich das Gefühl entwickelt, sie selbst begehe eine Straftat. Trotzdem macht die Schülerin das Verhältnis zunächst glücklich. Aber &bdquo;es war auch sehr viel Sex im Spiel“, erinnert sich die Bielefelderin, die heute in Berlin lebt. Sie dachte damals, das sei normal. Irgendwann sei ihr das zu viel geworden.

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Er habe dann kurzerhand die Beziehung beendet, sagt sie. Sie sei zu jung und unreif, soll er gesagt haben. Die Schülerin fühlt sich &bdquo;wie ein gebrauchtes Taschentuch“, schreibt sie damals in ihrem Tagebuch: &bdquo;Verrotzt, zerknüllt, wertlos. Noch nie im Leben hat mich ein Mensch so missbraucht für seine eigenen Zwecke. Er ist der größte Egoist, den ich kenne.“ Klare Worte. Aber sie fügt auch an: &bdquo;Das Schlimmste: Ich kann ihn nicht hassen.“

Obwohl sie eigentlich damals schon formulierte, was sie ihm heute vorwirft, endet ihre Beziehung noch lange nicht. Immer wieder kommen sie sich näher – eine On-off-Beziehung. In dieser ganzen Zeit unterrichtete er die Schülerin wohl nicht. Eindeutig rekonstruieren lässt sich das heute nicht mehr. Sie laufen sich in der Schule wohl nur im Vertretungsunterricht, in freiwilligen AGs oder auf dem Schulhof über den Weg. Das ist für die juristische Einordnung wichtig, denn die Schülerin gilt damit nach der damaligen Rechtsauffassung nicht als Schutzbefohlene des Pädagogen. Das ist heute anders.

Bielefelderin sieht sich erst spät als Opfer des Lehrers an Dem Pädagogen sei es immer wieder gelungen, &bdquo;die Dinge umzudrehen“, wie Denia Rodríguez es heute formuliert. Er habe sehr gut sprechen können, habe viele ihrer Zweifel mit seinen Worten ausgeräumt. Auch ihre Denkweise habe er beeinflusst. Das habe dazu geführt, dass ihr damaliger Freundeskreis auseinanderbrach. &bdquo;Heute sehe ich es so, dass ich ein Opfer war. Das habe ich damals nicht so gesehen“, sagt sie im Gespräch mit der Lokalredaktion.

Auch als der Lehrer die Schule verlässt, ändert sich das nicht. Er habe ihr damals erklärt, dass er gehen müsse, weil er mit einer weiteren Schülerin geschlafen habe. Er soll ihr versichert haben, dass es sich um einen einmaligen Fehler gehandelt habe. &bdquo;Er hat mir das ganz direkt erzählt. So behielt er immer die Deutungshoheit“, sagt die 32-Jährige rückblickend.

Denia Rodríguez Böwering lebt längst in Berlin, als ihr Bild von ihm bröckelt. Weitere Gerüchte um den Lehrer kommen ihr zu Ohren. Schließlich wird ihr klar, dass er es offenbar mit mehreren Schülerinnen versucht habe. Eine junge Frau, die nach Rodríguez Abitur an der Schule machte, berichtet in der Doku von einer ähnlichen Annäherung des Lehrers. Ihr soll er romantische Kurznachrichten verschiedener Schülerinnen gezeigt haben. Unverblümt soll er ihr von zwei Schülerinnen berichtet haben, mit denen er geschlafen habe. Auch bei ihr soll er versucht haben, Grenzen zu überschreiten.

Schulleitung soll Befragungen durchgeführt haben Der damalige Schulleiter bekommt inzwischen Wind davon. Denn er bestellt die junge Frau – wohlgemerkt nach ihrer Schullaufbahn – in sein Büro und befragt sie zu ihrem Verhältnis zu dem Lehrer. Der Schulleiter wollte wissen, so berichtet sie, ob sich die Schülerin von dem Kontakt Vorteile bei der Notengebung erhofft habe. Denia Rodríguez wird nie dazu befragt.

Mit 26 Jahren erst bricht sie endgültig den Kontakt zu dem Lehrer ab – knapp zehn Jahre nach ihrem ersten Date. &bdquo;Der Kontaktabbruch war nicht meine Entscheidung“, sagt sie heute. Ihr damaliger Freund hatte das von ihr eingefordert. &bdquo;Erst dadurch habe ich eine größere Distanz zu ihm entwickelt. Erst da war ich in der Lage, sein Verhalten zu reflektieren.“ Heute spricht sie von &bdquo;sexualisierter Gewalt“, wenn sie die vermeintliche Liebesbeziehung einordnet.

Im September 2019 zeigt sie ihren Lehrer wegen sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener an. Das Verfahren gegen den Pädagogen wird allerdings aus Mangel an Beweisen zwei Jahre später eingestellt. &bdquo;Die Anzeige zu erstatten, war für mich befreiend, aber die Zweifel in mir blieben bestehen“, sagt die 32-Jährige heute. Selbst nach der Veröffentlichung der WDR-Doku im Dezember 2024 fühle sie sich manchmal schuldig dafür, dass sie ihn angezeigt habe. &bdquo;Er hat mir auch sehr viel Unterstützung und Halt gegeben.“

Bielefelderin spricht heute offen über Lehrer Aber letztlich habe sie erkannt, dass sein Verhalten einem Muster folgte. Schließlich habe es weitere betroffene Schülerinnen gegeben: &bdquo;Die Berichte der anderen zu hören, hilft mir, ihn als Täter zu sehen.“ Deshalb ist es der Bielefelderin heute so wichtig, darüber zu sprechen.

In der zweijährigen Entstehungszeit der WDR-Doku entschied sie sich dafür, ihre Geschichte mit vollem Namen zu erzählen: &bdquo;Ich war durch ihn jahrelang anonymisiert. Das Geheimnis der Beziehung hat mir sehr geschadet und gab ihm Macht über mich. Das möchte ich nicht mehr“, sagt sie. Die Veröffentlichung habe sie befreit. &bdquo;Hoffentlich kann ich damit auch andere erreichen.“

Der Lehrer lebt inzwischen nicht mehr in Bielefeld. Er hat alle Versuche einer Kontaktaufnahme durch die Lokalredaktion unbeantwortet gelassen.

Die komplette Doku &bdquo;Das ist keine Liebe – über sexualisierten Machtmissbrauch an Schulen“ ist beim WDR in der Reihe &bdquo;Dok 5 – das Feature“ zu hören.

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