TV-Doku deckt neue Hintergründe über Vergewaltigungsserie im Klinikum Bethel auf

Bielefeld. &bdquo;Er war ein notorischer Lügner, testete stets Grenzen aus, war nicht zuverlässig, ging den Menschen mit seiner Art oft ’auf den Sack’, und trotzdem bezeichnen ihn alle als intelligenten und liebenswerten Menschen“, sagt NDR-Autor Bernd Gerriets über den Bielefelder Philipp G. Zusammen mit seiner Frau Regine hat Gerriets für die dreiteilige TV-Doku &bdquo;Betäubt und ausgeliefert – die Verbrechen des Arztes Philipp G.“ den Fall der Serienvergewaltigungen im Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) nachgezeichnet und dabei viele neue Details über den Täter zusammengetragen.

Denn Gerriets gelingt es, den Weg des jungen, unkonventionellen Arztes schon lange vor seinem Wechsel an die Neurologie des EvKB in Bielefeld aufzugreifen. Er spürt enge Freundinnen und Freunde des späteren Assistenzarztes Philipp G. auf, der nach Angaben der Ermittlungsbehörden 30 Patientinnen des EvKB in ihrem Krankenzimmer betäubt und anschließend missbraucht und vergewaltigt hatte. &bdquo;Diesen Blick auf den Täter habe ich von Anfang an vermisst“, sagt Gerriets.

Der freie Regisseur und Autor widmet sich knapp eineinhalb Jahre lang der Täter-Recherche, während seine Frau und Co-Autorin sich der betroffenen Frauen annimmt. Vier dieser Frauen hätten für diese Doku eine Menge Mut aufgebracht, sagt der Autor. Weil sie erstmals ganz offen vor der Kamera ihr Gesicht zeigen, um die Geschichte ihrer Vergewaltigung zu erzählen.

Vergewaltigungsopfer in Bielefeld: &bdquo;Wir sind Heldinnen“ Anna Loreen G. sagt dabei einen beeindruckenden Satz: &bdquo;Ich möchte mich stark machen für alle. Ich sehe uns nicht als Opfer. Wir sind Heldinnen, weil wir uns zeigen.“ Denn bis heute – viereinhalb Jahre nach der Festnahme des Assistenzarztes im September 2020 – sind immer noch viele Fragen in dem Fall unaufgeklärt.

Bernd Gerriets spricht mit Ex-Freundinnen von G., mit Kommilitoninnen, Weggefährten und langjährigen Freunden. Darunter ist auch der britische Sänger Nick Parker, der von 2012 bis 2020 zu den engen Freunden des Assistenzarztes zählt. Er sagt in der Doku: &bdquo;Selbst die Leute, die ihn sehr gut kannten, haben keine Anzeichen entdeckt für dieses Monster.“

Das hätten alle gesagt, berichtet der Autor der Doku. Eine ehemalige Mitbewohnerin sagt mit Tränen in den Augen vor der Kamera den Satz: &bdquo;Philipp war mein Lieblingsmitbewohner.“ Auch Frauen in seinem privaten Umfeld hat Philipp G. vergewaltigt. Das hatten die Ermittlungen nach Auswertung von 200 Tatvideos, die G. selbst aufgenommen hatte, ergeben.

Bielefelder entschuldigt sich, gelobt Besserung und macht weiter Dass er ein geübter Lügner war, spielt dem Täter in die Hände. Er zieht seinen Kopf immer wieder aus der Schlinge, entschuldigt sich, erklärt sich, gelobt Besserung und macht ungerührt damit weiter, was noch überhaupt niemand ahnen konnte.

Im Januar 2020 kommt es im Klinikum zu einem &bdquo;Krisengespräch“, bei dem es darum geht, dass G. ohne Grund mitten in der Nacht Patientinnen im Krankenzimmer aufgesucht hatte, um ihnen Propofol zu verabreichen. Das wird ihm vom Chefarzt verboten. G. macht trotzdem ungerührt weiter.

Auch nachdem die Kripo im April 2020 sein WG-Zimmer an der Hermannstraße durchsucht und neben Marihuana und weiteren Drogen auch zehn Fläschchen des Narkotikums Propofol sicherstellt, bleibt G. sicher. &bdquo;Seine Datenträger waren so kompliziert verschlüsselt, dass er offenbar davon ausgegangen ist, dass er nicht überführt wird.“ Die Wohnungsdurchsuchung hatte ihn nicht beunruhigt. Niemand seiner engsten Freunde spürte, wer Philipp G. wirklich ist.

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Von Bielefelder Klinikarzt vergewaltigt: &bdquo;Er ist böse, nicht krank“ Bielefelder Klinikarzt soll Patientinnen betäubt und vergewaltigt haben Suizid in der Zelle: Klinikarzt nach Vergewaltigungs-Vorwürfen tot Chefarzt zur Vergewaltigung: &bdquo;Niemand hat mich je so abartig belogen“ Vergewaltigungsserie in Bethel: Opfer sind von neuen Entwicklungen erschüttert Serienvergewaltiger Philipp G. &bdquo;scheißt auf Autoritäten“ Dass er Drogen nahm, war hingegen im Freundeskreis bekannt. Eine Ex-Freundin aus Studienzeiten in Rostock spricht von einem attraktiven jungen Mann, der &bdquo;auf Autoritäten scheißt“. Er sei ein Linker gewesen, antirassistisch und antisexistisch. Er sei zudem für jeden Blödsinn zu haben gewesen, setzte oft noch einen obendrauf, berichten Freunde aus seiner Heimat in Krefeld.

Der Bielefelder Strafverteidiger Carsten Ernst lernt Philipp G. 2018 als &bdquo;charmanten, jungen, gebildeten Mann“ kennen, berichtet er. Er hatte bei einer Polizeikontrolle einen &bdquo;kleinen Bauchladen“ voller Drogen (Amphetamine, Kokain, Marihuana) bei sich, und weil er bereits 2017 wegen Drogenschmuggels über die holländische Grenze zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei, drohte dem 32-jährigen Assistenzarzt plötzlich der Verlust seiner Arztzulassung. Denn eine zweite Geldstrafe käme einer Vorstrafe gleich, erklärt Ernst.

Arztzulassung des Serientäters steht 2018 auf dem Spiel Vor dem Amtsgericht geht es also nicht nur um das Drogendelikt, auch &bdquo;seine Zukunft als Arzt ist in Gefahr“, sagt der Bielefelder Anwalt. Dem Strafverteidiger gelingt es, eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage zu erwirken. Wäre Philipp G. zu einer zweiten Geldstrafe verurteilt worden, hätte er womöglich seine Approbation verlieren können. Doch nach der Einstellung des Strafverfahrens endet auch die Prüfung der Ärztekammer ohne Folgen für den 32-Jährigen. Seine Karriere als Arzt, aber auch als Straftäter ist &bdquo;gerettet“.

Nur kurze Zeit später – im September 2019 – erstattet eine Patientin des EvKB Anzeige gegen Philipp G. Sie ist die Frau, die die ganzen Ermittlungen in dem Fall überhaupt erst ins Rollen gebracht hat. Doch es dauert lange, bis die Polizei tätig wird. Erst im April 2020 durchsucht sie Klinik-Spind, WG-Zimmer und Kellerparzelle des 32-Jährigen.

Es dauert weitere fünf Monate, bis die 15 Terabyte verschlüsselter Daten, die die Polizei bei der Durchsuchung beschlagnahmt, entschlüsseln kann. Erst da wird klar, welche Tatserie sich wirklich hinter dem Lügenkonstrukt von Philipp G. verbarg. Er wird festgenommen und stirbt drei Tage später durch Suizid in seiner Zelle .

Serienvergewaltigung von Bethel kein Einzelfall TV-Autor Gerriets ist sich nach intensiven Recherchen sicher: &bdquo;Mit diesen drei Episoden ist dieser Fall noch nicht auserzählt.“ Viele wichtige Aspekte seiner Arbeit hätten gar nicht mehr in den zeitlichen Rahmen des TV-Formats gepasst. So berichtet er, dass der Fall Philipp G. mitnichten ein Einzelfall sei. &bdquo;Nach kurzer Recherche in juristischen Fachforen hatte ich eine Tabelle mit 20 Medizinern und 200 Betroffenen in den vergangenen 15 Jahren zusammen.“ Und dabei handelte es sich ausschließlich um Straf- und Gerichtsverfahren. &bdquo;Das fand ich unglaublich: Wieso wissen wir das nicht, dass es so viele Fälle mit diesem Tatmuster gibt?“

Das Ermittlungsverfahren gegen die Vorgesetzten des Serienvergewaltigers im EvKB dauert weiterhin an. Inzwischen ist der Tatvorwurf der Beihilfe der Vergewaltigung ausgeräumt . Geblieben ist aber immer noch der Vorwurf, dass Warnhinweise zum willkürlichen Einsatz des Narkotikums Propofol in der Klinik nicht ernst genommen worden sind.

&bdquo;Betäubt und ausgeliefert – die Verbrechen des Arztes Philipp G.“ – die dreiteilige TV-Doku in der Serie &bdquo;ARD Crime Time“ ist ab Mittwoch, 26. Februar, in der ARD-Mediathek zu sehen. Am 26. März wird die Doku ab 23.15 Uhr auch im NDR-Fernsehen ausgestrahlt.

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