Ganze Wohnsiedlung betroffen: Fliegenplage in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Das Ritual ist Frank Thamm schon in Fleisch und Blut übergegangen. Bei jedem Gang durch die Terrassentür ins Haus wischt der 57-Jährige ein paarmal nach links und rechts über den Fliegenschutz. Prompt steigt ein Schwarm geflügelter Insekten auf und verteilt sich im Luftraum über dem Terrassentisch. Ein paar davon schaffen es meist, mit dem Hausherrn durch die Tür ins Wohnzimmer zu huschen. Seit Beginn des Sommers haben sich Fliegen in Frank Thamms Garten massenhaft vermehrt. Und nicht nur dort. &bdquo;Das Problem gibt es in der ganzen Siedlung. Ich schätze, rund 30 Häuser sind betroffen“, sagt Thamm. Die Frage ist: Was ist die Ursache dieser Fliegenplage?

Zunächst hatten Thamm und seine Nachbarn den Wulferdingsener Bach im Verdacht. Der liegt nur ein paar Dutzend Meter Luftlinie von der Siedlung am Moorbad entfernt und wurde 2023 renaturiert. Auf 280 Meter Länge wurde der Bachlauf aus dem Untergrund geholt und schlängelt sich nun wieder naturnah durch die Wiesen.

Frank Thamm sprach Carsten Vogt an, der das Bachprojekt bei der Stadtverwaltung leitete. Der Ingenieur und Landschaftsarchitekt aber hält einen Zusammenhang mit dem Bachumbau für sehr unwahrscheinlich. &bdquo;Mücken, ja die legen ihre Eier im Wasser ab. Fliegen eher nicht“, bestätigt Vogt auch gegenüber der NW.

Nachbarn im Einsatz gegen Brutstätten Thamm und seine Nachbarn am Moorbadplatz versuchten, mögliche Brutstätten der geflügelten Plagegeister auszuräumen. Sie machten ihre Dachrinnen sauber, reinigten die Mülltonnen und nahmen Komposthaufen unter die Lupe. Eine größere Brutstätte von Fliegen entdeckten sie dabei nicht. Und geholfen hat das Putzen auch nicht.

Könnte einer der Bauernhöfe in der Umgebung Quelle der Plage sein? Das fragten sich Thamm und seine Nachbarn. Auf Vermittlung von Carsten Vogt schaltete Thamm das Umweltamt des Kreises Minden-Lübbecke ein. Herbert Hofschild schaute sich die Lage vor Ort an – und bestätigt nun auf Anfrage der NW, dass sich an Thamms Haus Tausende von Fliegen versammelt hatten. &bdquo;Eine Anzahl im häuslichen Umfeld, die den Begriff der Fliegenplage nachvollziehbar macht“, so beschreibt Mirjana Lenz, Pressesprecherin des Kreises Minden-Lübbecke, das Problem.

Experten des Kreises haben sich inzwischen die Fliegen genauer angeschaut. Eine &bdquo;rechtssichere Bestimmung der Art“ könne das Umweltamt leider nicht leisten, erklärt Mirjana Lenz. Tatsächlich gehört die Fliege zu einer weitverzweigten Insektensippe. Weltweit soll es an die 160.000 Fliegenarten geben, in Deutschland immerhin rund 5.000. &bdquo;Eine grobe Bestimmung eines gefundenen Exemplars legt nahe, dass die Art zur Familie der Blumenflügler und hier zur Gattung der Wurzelfliegen gehört. Die Größe sowie der Zeitpunkt des Auftretens legen nahe, dass es sich um die Kleine Kohlfliege handelt“, teilt die Kreis-Sprecherin auf die Nachfrage der NW mit.

Bei Landwirten und Gärtnern bekannter Schädling Laut Umweltamt des Kreises bildet die Kleine Kohlfliege bis zu drei Generationen in einem Jahr aus, wobei jede weibliche Fliege rund 100 Nachkommen zeugen könne. &bdquo;In der Landwirtschaft und im Gartenbau ist diese Art daher ein bekannter Schädling, dessen Larven an den Wurzeln der Wirtspflanzen fressen. Dies können diverse Kohlgewächse wie Raps, aber auch typisches Gartengemüse wie Radieschen oder Weißkohl sein“, erklärt Mirjana Lenz weiter.

Nach der Verpuppung verlasse die ausgewachsene Fliege den Boden und könne in großen Stückzahlen als Plage wahrgenommen werden. &bdquo;Ein Ärgernis für Bewirtschaftende und manche Gartenfreunde - eine Gefahr für den Menschen stellen die Tiere jedoch nicht dar“, sagt die Kreis-Sprecherin.

Mirjana Lenz betont aber auch, dass die Kohlfliege nicht nur ein Ärgernis ist, sondern auch ihre Bedeutung im ökologischen Gefüge hat. &bdquo;Ihr großer Wert für die Natur muss neben aller Störung unbedingt hervorgehoben werden: Fliegen stellen für viele Tierarten wie Vögel, Fledermäuse und räuberische Insekten eine wesentliche Nahrungsgrundlage dar“, so Lenz. &bdquo;Aufgeräumte Landschaft und strukturarme Gärten sind leider ein bedeutender Faktor für den großen Insektenschwund. In der Folge fehlt vielen gern gesehenen Tierarten der reich gedeckte Tisch zum Überleben.“

Der Kreis hat kleinen Trost für die Betroffenen Frank Thamm beobachtet das Phänomen in seinem Garten nun im zweiten Jahr. &bdquo;Einige Nachbarn aber berichten, dass sie es auch schon vor drei oder vier Jahren beobachtet hätten“, sagt er. Für die Betroffenen bedeutet das massenhafte Auftreten der Fliegen vor allem eine Beeinträchtigung der Lebensqualität, die schon morgens direkt nach dem Aufwachen beginnt. &bdquo;Wenn ich aus dem Fenster des Schlafzimmers gucke, dann sitzt das Fliegengitter meist schon komplett voll“, berichtet er. Zwei Klebefallen für Fliegen, die er unter dem Terrassendach aufgehängt hat, sitzen bereits so voll mit den Insekten, dass kein Platz mehr für weitere wäre. &bdquo;Und die Klebefallen hängen da erst den dritten Tag“, berichtet Thamm. Mindestens 80 bis 100 Stück dieser klebrigen Fallen habe er allein in diesem Sommer schon platziert, schätzt der 57-Jährige.

Der Gebietsmanager der Telekom freut sich zwar über die Informationen vom Kreis-Umweltamt, die Ursache für die Fliegeninvasion aber kann er auch damit nicht erkennen. &bdquo;Ich wüsste nicht, dass es hier größere Kohlanpflanzungen gibt“, sagt Thamm. Darüber will er sich nun erstmal mit seinen Nachbarn beraten.

Einen kleinen Trost hat der Kreis für die betroffenen Anwohner in Wulferdingsen parat: &bdquo;Das massenhafte Auftreten der Kohlfliege ist in der Regel ein zeitlich begrenztes Ereignis. Sofern in diesem Jahr die Eier einer dritten Folgegeneration an neue Wirtpflanzen gelegt werden können, verlassen die fertigen Fliegen den Boden erst im Folgejahr“, erklärt Mirjana Lenz. Und: Durch einen stetigen Fruchtwechsel im Gemüsebeet könne die Vermehrung der Schädlinge bedeutend vermindert werden.

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