So will Katharina Beyer jungen Parkinson-Patienten helfen

Oerlinghausen . Parkinson – eine Krankheit, bei der die meisten vermutlich an Betroffene denken, die älter als 60, 70, 80 Jahre sind. Nicht aber 34. So alt war Katharina Beyer, als sie an Morbus Parkinson erkrankte – vor sieben Jahren. Jetzt will die Oerlinghauserin Betroffenen ähnlichen Alters mit einem besonderen, bundesweit wohl einmaligen Angebot helfen. Dafür hat sie in ihrer Heimat und bei einer Stiftung Unterstützer gefunden.

Anfangs dominierte der Schock. Dann die Flut an Informationen über die Krankheit, über ihre Folgen, zu den Prognosen, die immer etwas mit fortschreitenden Einschränkungen und mit Ende, mit Lebensende zu tun hatten. Das erklärt Katharina Beyer. Sie beschreibt, wie sie das überforderte in einem Alter, in dem es eher um Start, um Anfang gehen sollte. Zu Beginn des Berufslebens, bei der Gründung einer eigenen Familie mit ihrem Mann. Die Mitpatienten auf den Klinikstationen waren eher die Generation ihrer Großeltern. &bdquo;Immer war ich überall die Jüngste", sagt die zweifache Mutter.

Jeder zehnte ist jünger als 40 In Deutschland gibt es rund 400.000 Menschen, die an Morbus Parkinson erkrankt sind. Geschätzt rund zehn Prozent seien bei der Diagnose jünger als 40 Jahre. Therapien, Behandlung und Betreuung seien aber eher auf ältere Menschen ausgerichtet.

Es komme auch vor, dass Mediziner nicht sofort bei Symptomen wie Tremor (unkontrollierbares Zittern im Ruhezustand), Steifheit, weil die Muskulatur ständig gespannt ist, oder auch Bewegungsverlangsamung und Instabilität bei jüngeren Patienten die Diagnose Parkinson in Betracht ziehen. Katharine Beyer kennt eine Frau, bei der es vier Jahre gebraucht habe, bis sie die Diagnose bekam, &bdquo;aber sie hatte eindeutige Symptome". Im Alter von 28 Jahren.

Nach dem Schock, dem Hadern mit der Diagnose und weiteren Rückschlägen nach einem schweren Schlaganfall 2017 habe sie sich schließlich entschieden, den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen. Anfangs, so sagt die Oerlinghauserin, &bdquo;konnte ich das Wort Parkinson ein Jahr lang nicht aussprechen". Sie habe nicht gewollt, &bdquo;dass mein Leben zu 100 Prozent aus Parkinson besteht".

Der, wie sie ihn selbst nennt, &bdquo;unwillkommene Weggefährte" aber blieb, auch an der zitternden linken Hand sichtbar. Und dann war da noch der Wille, sich nicht damit abfinden zu wollen, vielleicht noch &bdquo;fünf bis zehn gute Jahre" zu haben, wie es die Schublade Parkinsonerkrankung wohl rein statistisch vorgibt.

"Wir sind mit Parkinson nicht allein" Anlässlich des Welt-Parkinsontages, der seit 1997 immer am 11. April stattfindet, wollte sie etwas tun, 2021 war das. Sie wollte sich raus wagen, auch mit ihrer Diagnose, öffentlich sagen, dass sie Parkinson hat. Und sie wollte anderen mit ihrer Geschichte Mut machen, zeigen, &bdquo;dass wir mit Parkinson nicht allein sind". Sie hat ein Buch veröffentlicht.

Der Titel &bdquo;Der junge Parkinson" ist so etwas wie eine möglicherweise trotzige Reminiszenz an ihre ersten Krankenhausaufenthalte. Dort hieß es bei Visiten oder Vorstellungen ihrer Geschichte unter Ärztekollegen immer, dass es hier um den &bdquo;jungen Parkinson" gehe. Ihr Buch hat den Untertitel &bdquo;30 Wahrheiten über mein Leben", ist mit Fotografien von Benjamin Renner und Illustrationen und der Gestaltung von Stefanie Schwabe zu einem besonderen Bildband geworden.

Die Texte hatte sie zuvor schon bei einer 30-Tage-Challenge auf ihrem Instagram-Account (wort.an.herz.auch) veröffentlicht. Gedanken, Statements, Antworten, die sie für sich gefunden hat, auch Einschätzungen und Erklärungen zu der Krankheit, ihren Folgen und ihrem persönlichem Umgang damit.

Für die Finanzierung des Buches hatte sie eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen. Jahrelang war die Diplom-Wirtschaftsingenieurin für Werbung und Marktkommunikation als Geschäftsführerin für das Fundraising (Mittel-, Ressourcen- und Spendenbeschaffung) der Bielefelder Bürgerstiftung zuständig. Die Berufserfahrung half ihr bei dem Projekt. Mehr als 150 Menschen unterstützten ihr Buchprojekt.

&bdquo;Ich habe es gelesen und konnte lachen" Schon vorher war die Website freigeschaltet worden, der Bildband erschien im Dezember 2021. Er wurde kostenlos an jüngere Parkinsonpatienten weitergegeben, ist mittlerweile fast vergriffen. Interessierte können sich ihn auch frei auf der Webseite herunterladen. Die Reaktionen? Geben ihr recht mit ihrer Einschätzung zur Situation eines jungen Parkinson. &bdquo;Du hast angesprochen, was ich fühle", hieß es sinngemäß häufig, aber auch: &bdquo;Ich habe es gelesen und konnte lachen". Viele schrieben ihr, dass sie die gleichen Fragen, Wünsche und Einschätzungen haben.

Das alles bestärkte Katharina Beyer in der Annahme, dass es für Parkinson-Patienten ihrer Altersgruppe spezielle Angebote geben müsse. Und so hat sie für ihr nächstes Projekt Kontakt zur Hilde-Ulrichs-Stiftung aufgenommen, die eben solche Projekte unterstützt (siehe Infokasten) – und eine Förderzusage bekommen. Katharina Beyer hat einen dreitägigen Workshop für Menschen mit Parkinson im Alter von 30 bis 50 Jahren organisiert, bei einigen liegt die Diagnose noch nicht lange zurück. Er wird im Oktober im Naturfreundehaus stattfinden. Dazu gehören Workshops und Seminare von Pädagogen, einer Yoga-Lehrerin, einem Physiotherapeuten, das Essen wird von einem ayurvedischen Koch zubereitet.

Ernährung, Sport, Physiotherapie – wie wichtig das begleitend zur medikamentösen Behandlung sein kann, das hat sie selbst festgestellt. &bdquo;Sport ist jetzt mein Job", sagt Katharina Beyer, lächelt und erklärt dann noch, was es mit den Therapie-Ringen auf sich hat, die jeder einzelne Workshop-Teilnehmer erhält – wiederum dank Spenden. Erfunden oder &bdquo;in seiner Garage ausgetüftelt", wie Katharina Beyer sagt, habe sie ein Mann, der selbst an Parkinson erkrankt war. Er sei leidenschaftlicher Tennislehrer gewesen, haderte aber damit, dass er die Kraft dafür verlor. Er probierte aus, was helfen könnte. Herausgekommen ist ein fahrradschlossgroßer Ring aus Kunststoff mit Haltegriff, der mit Kugeln gefüllt ist.

Wenn Katharina Beyer damit durch den Wald walkt und die Arme vor- und zurückzieht, sind ein sachtes Vibrieren zu spüren und ein Geräusch zu hören. Das sei wichtig, denn es erinnere sie daran, ihren Arm zu bewegen. Den Arm, der einfach mal starr wie in der Bewegung eingefroren an der Seite hängenbleibt. Auch beim Laufen. Das sei typisch für Parkinson, erklärt Katharina Beyer.

"Bewegungspaten" helfen Krankenkassen übernehmen die Kosten für solche Hilfsmittel nicht. 15 Ringe hat sie dank der Spenden kaufen können. &bdquo;Bewegungspaten" nennt sie die Unterstützer, zu denen die Melmsche Hirsch-Apotheke, Björn Wallbaum vom Versicherungsbüro der Lippischen in Oerlinghausen, die Praxis Physio Bahar Yilmaz, die Stadtwerke Oerlinghausen, das Unternehmen Tintelnot & Kramme sowie die Sievert Druck & Service GmbH aus Bielefeld gehören.

Ein nächstes Projekt hat Katharina Beyer auch schon im Sinn. Dieses Mal geht es der Autorin um ihre Großmutter. Sie arbeitet an einem Buch über ihres und das Leben ihrer Großmutter. Kurz bevor Katharine Beyer ihre Diagnose erhalten hatte, war sie gestorben. Eines aber hatte ihr die Oma unabhängig davon schon immer mit auf den Weg gegeben – &bdquo;man kann sehr stark sein, auch wenn man sich nicht immer stark fühlt".

Hilde-Ulrichs-Stiftung Die Mission der 1997 gegründeten Hilde-Ulrichs-Stiftung sei es nach eigenen Angaben, allen Menschen mit Parkinson durch nicht-medikamentöse Therapien ein aktives Leben zu ermöglichen und ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. Hier sollen Patienten mit Morbus Parkinson eine unabhängige Beratung sowie Informationen zum Umgang mit der Krankheit erhalten können. &bdquo;Wir setzen uns dafür ein, die Eigenverantwortung der Patienten zu stärken und Alternativen zu den gängigen medizinischen Therapien aufzuzeigen", heißt es auf der Website der Stiftung.

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