Spendenbereitschaft für Äthiopien reißt nicht ab: „Ist so einfach, Menschen eine Zukunft zu geben“

Bad Salzuflen. Wie oft Dieter Lorenz (78) schon in Äthiopien war? Er kann sie nicht mehr zählen, so viele Reisen sind es in den vergangenen fast 50 Jahren gewesen. Nun hat sich der Superintendent i.R. und frühere Pfarrer der lutherischen Kirchengemeinde erneut mit vier Gemeindemitgliedern auf eine achttägige Tour ins afrikanische Land gemacht. Es ist wegen Corona die erste seit drei Jahren gewesen – und vielleicht war es zumindest für Lorenz auch die letzte. Aus gesundheitlichen Gründen weiß er nicht, ob er das Land, das er Heimat nennt, noch einmal wird bereisen können. &bdquo;Ich musste daher ein wenig Abschied nehmen“, sagt er etwas wehmütig.

Ein Treffen im Pfarrhaus an der Auferstehungskirche. Steffie Langenau (60), Pfarrerin der lutherischen Gemeinde, war zum zwölften Mal bei einer Reise nach Äthiopien mit dabei, sie zeigt Bilder auf ihrem Handy. Seit knapp über einer Woche ist man zurück in Deutschland – und das Fernweh ist längst wieder da, sagt sie. Die Landschaft, die Gerüche, die Menschen: Es gibt so vieles, was sie an Äthiopien fasziniert.

Mehr als 1,5 Millionen Euro Spendengelder in fast 50 Jahren Dieter Lorenz kam 1974 ins Land, lebt dort fünf Jahre mit seiner Familie, wurde dort zum Pfarrer geweiht. Er fühlt sich den Menschen und Äthiopien eng verbunden. 1978 wurde er Pfarrer der lutherischen Gemeinde in Salzuflen – und rief hier die Äthiopienhilfe ins Leben. Mehr als 1,5 Millionen Euro an Spendengeldern sind im Laufe der Jahre zusammengekommen, allein 2022 waren es rund 50.000 Euro. Die Spendenbereitschaft der Salzufler habe trotz Krisen nicht abgenommen. Was Lorenz betont: Alle Gelder fließen vollständig in Projekte vor Ort – so sei die Reise von den Teilnehmern privat bezahlt worden.

Zunächst ging es für vier Tage nach Bahir Dar, erzählt Steffie Langenau. Im Norden des Landes, in der Nähe des Tana-Sees, lief in den vergangenen zwei Jahren ein Projekt, das Frauen mit Hilfe berufsfördernder Maßnahmen einen Neustart ermöglichte. Die einen machten eine Ausbildung, andere sich je nach Begabung selbstständig. Bei einem Treffen habe ein Teil der 220 Frauen, die am Projekt teilgenommen haben, von ihren Erfahrungen erzählt.

Berührende Geschichten der Frauen &bdquo;Zu sehen, was aus ihnen geworden ist, das hat mich zu Tränen gerührt“, sagt Dieter Lorenz. Wie selbstbewusst die Frauen aufgetreten seien, wie sie nach anfänglichem Zögern voller Stolz ihre Geschichten erzählt hätten. &bdquo;Frauen, die früher mit Füßen getreten wurden, finden jetzt wieder gesellschaftliche Anerkennung“, sagt er. Das Projekt sei ein voller Erfolg gewesen. &bdquo;Es ist so einfach, Menschen eine Zukunft zu geben.“

Dennoch ist nun die Zeit gekommen, um das Ganze auslaufen zu lassen. 2023 werden noch einmal 110 Frauen vom Projekt profitieren – danach wird sich die lutherische Gemeinde daraus zurückziehen, das habe man jetzt vor Ort mit den Verantwortlichen besprochen.

64.000 Euro kostet die Finanzierung im Jahr, die Kosten teilen sich die Lutheraner mit einer italienischen Hilfsorganisation. &bdquo;Wir haben eine sehr spendenfreudige Gemeinde“, sagt Lorenz. Aber man müsse nun sehen, wo im Land noch Hilfe benötigt werde. Weil man in Äthiopien nicht nur mit einer Gemeinde, sondern der Gesamtkirche verbunden sei, seien die Möglichkeiten vielfältig.

Abstecher nach Addis Abeba Nach dem Stop im Norden und Gesprächen mit Regierungsvertretern ging es für die Reisegruppe weiter in die Hauptstadt des Landes, Addis Abeba. Dort wurde eine Schule besucht, in der Kinder in Form von Patenschaften von den Lutheranern unterstützt werden, zudem stand ein Abstecher bei der Kirchenleitung und der Initiative &bdquo;Brot für die Welt“ auf dem Programm. Und auch viele langjährige Freunde habe man getroffen, erzählen Langenau und Lorenz. Die Verbindung nach Äthiopien sei viel mehr &bdquo;als nur Sponsorenfunktion“, sagt Lorenz. Über die Jahre habe sich so viel Vertrauen entwickelt.

Und welche Projekte sollen künftig unterstützt werden? An Anfragen mangele es nicht, Dieter Lorenz hat einen Ordner voll davon. Nach bestimmten Kriterien werde gezielt ausgewählt, wo man helfen könne. Noch direkt auf der Reise sei etwa die Entscheidung gefallen, eine kaputte Wasserpumpe zu ersetzen, damit im Dorf das Wasser weiter gefördert werden kann. 2000 Euro hat die Gemeinde vorgestreckt, einen Spendenaufruf wolle man im Nachgang starten.

Egal ob ein neuer Lkw, die Sanierung eines Schulgebäudes, Mittel für Bildung und soziale Projekte, &bdquo;uns ist wichtig, verschiedene Bereiche abzudecken“, sagt Langenau. Zudem dürften die Projekte keine laufenden Kosten verursachen, ergänzt Lorenz.

Grandiose Eindrücke eines vielfältigen Landes Die Reise hat viele Eindrücke hinterlassen, beide geraten ins Schwärmen, wenn sie davon berichten. Wüsten, Urwälder, Hochgebirge, Seen und Plateaus – Äthiopien habe landschaftlich enorm viel zu bieten, dazu gut 70 verschiedene Ethnien. &bdquo;Es ist ein kulturell so vielseitiges Land“, sagt Langenau. Sie habe sich diesmal in der Gemeinde in Bahir Dar erstmals nicht als Exotin gefühlt. &bdquo;Da war diese starke Verbindung im Glauben – ich habe mich einfach als Teil dieser Familie gesehen“, sagt sie. Die Äthiopier hätten ihren westlichen Freunden sogar traditionelle Trachten geschenkt, stolz zeigt Langenau ein Foto.

Dennoch erzählt sie auch von Kriminalität, der politisch angespannten Lage in gewissen Regionen oder einer völlig überfüllten Hauptstadt. &bdquo;Es ist kein touristisches Reiseland, allein wäre ich dort verloren“, gibt sie zu. Dieter Lorenz fühlt sich auf dem Land am wohlsten, erzählt er. Die Gerüche nach Feuer, Gewürzen, Regen und Kaffee. Dazu die Mentalität der Menschen, das Unkomplizierte, die Lebensweise.

Besonders berührt habe ihn diesmal, dass ihm die Gemeinde in Bahir Dar erstmals ausdrücklich für sein Engagement in all den Jahren gedankt habe. Er sei gebeten worden, von seinen Anfängen in Äthiopien zu erzählen – bei den Erinnerungen sei ihm dann doch die ein oder andere Träne gekommen, gibt er zu.

Lorenz wird die Verbindung nach Äthiopien halten, das steht außer Frage. Wie es mit den Reisen ohne ihn als Experten künftig weitergeht, ist allerdings offen. Ein wenig wehmütig ist er, wenn er daran denkt, dass es für ihn vielleicht der letzte Besuch gewesen sein könnte. &bdquo;Äthiopien ist ein Riesenstück meines Lebens.“ Aber wer weiß – vielleicht wird er doch noch einmal aufbrechen. 2024, wenn sich seine Verbindung nach Äthiopien zum 50. Mal jährt? Ganz ausschließen will Dieter Lorenz das im Moment dann nämlich doch nicht.

Fotos und Berichte Ein Gottesdienst zum Gedenken an bedrängte und bedrohte Christen in Äthiopien findet am Sonntag, 5. März, ab 11 Uhr in der Auferstehungskirche am Gröchteweg statt. Im Anschluss wird gegen 12.15 Uhr die Ausstellung &bdquo;HoffnungsWege“ im Gemeindezentrum eröffnet – darin sind Fotos von den fünf Teilnehmern der Äthiopienreise und Eindrücke aus den Projekten zu sehen.

Einen ausführlichen Bericht über die Äthiopienreise der Gemeinde geben die Beteiligten am Sonntag, 19. März, ab 17 Uhr im Martin-Luther-Haus an der Martin-Luther-Straße 7. Beginn ist Um 16.30 Uhr mit einem Stehkaffee.

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