Kehrmann findet die Ungewissheit "furchtbar"

Lemgo. Der LZ-Anruf erreicht Florian Kehrmann auf dem Fahrrad. Strampelnd das Lipperland zu erkunden, ist im unwirklichen Corona-Frühjahr 2020 eine der Lieblingsbeschäftigungen des Bundesligatrainers des TBV Lemgo Lippe. Während der Kontakt zu seinen Spielern ruht, macht sich der 42-jährige Coach viele Gedanken.

Über sein Team. Die TBV-Spieler sind aktuell in alle Himmelsrichtungen verstreut. Piotr Wyszomirski befindet sich in Polen, Andreas Cederholm, Jonathan Carlsbogard und Peter Johannesson in Schweden, dazu Dani Baijens und Bobby Schagen in den Niederlanden. Am Mittwoch hat sich Kehrmann mit allen zum Videomeeting verabredet. &bdquo;Zudem kommunizieren wir über WhatsApp-Gruppen“, so der Trainer, der letztmalig am 13. März mit seinen Jungs in der Halle gearbeitet hat.

Über den Saisonabbruch. &bdquo;Was ist schon gerecht? Eine faire Lösung gibt es nicht. Doch die Quotientenregelung war die einzig vernünftige Bemessung. Natürlich hätten wir gerne weitergespielt. Doch Geisterspiele hätten die Vereine zerstört“, so der TBV-Coach. Unglücklich findet Kehrmann die Konstellation bei den Frauen, wo seinem Trainerkollegen André Fuhr die Meisterschaft genommen wurde: &bdquo;Fair ist, wenn der Erste auch Meister wird. Ich glaube, dass es ein super Mehrwert für die Frauenliga gewesen wäre, wenn der BVB den Titel gewonnen hätte.“

Über die vergangene Saison. Platz zehn ist für den TBV-Trainer ein gutes Ergebnis. Dass es trotz vieler Verletzungen zustande kam, will Kehrmann nicht thematisieren. &bdquo;Eines haben wir gelernt: Je weniger wir uns über jeden Ausfall aufregen, desto besser sind wir mit unserem Kurs gefahren.“ Den schleppenden Auftakt (Ende November erst zwei Siege und zwei Unentschieden) klammere er aus. &bdquo;Wir hatten ein schwieriges Startprogramm. Doch die Mannschaft hat sich entwickelt. Viele Mannschaftsteile haben zusammengefunden und jeder Spieler hat sein Teilchen dazu beigetragen.“ Ein Schlüsselmoment sei das 27:24 im DHB-Pokal-Achtelfinale gegen den Bergischen HC gewesen. &bdquo;Nach einer schweren Phase haben wir gesehen, dass wir gegen ein Team auf Augenhöhe gewinnen können. Anschließend haben wir Balingen geschlagen und uns einen weiteren Push mit dem Pokal-Viertelfinalsieg bei den Eulen geholt. Dann kam das beste Heimspiel seit langem: Beim 30:25 gegen die Rhein-Neckar Löwen hatten wir nicht nur Glück. Wir haben sie bestimmt.“

Über die Zukunft? &bdquo;Wir hatten zuletzt einen sehr guten Lauf mit dem riesen Highlight DHB-Pokal, worauf wir sehr lange hingearbeitet haben. Da tröstet es wenig, wenn wir im September, Oktober oder November – wenn es denn weitergeht – noch immer ungeschlagen in 2020 sind“, sagt Kehrmann. Auch wenn er die Frühlingssonne genießt – entspannen kann er nicht. Der TBV-Coach versucht ständig die unterschiedlichen Szenarien nach dem Lockdown durchzuspielen. &bdquo;Das ist tagesaktuell immer anders. Wenig förderlich finde ich Horrorszenarien von Politikern, die förmlich beschreien, dass es in den nächsten zwei Jahren keinen geregelten Sportbetrieb gibt.“ Die frühzeitig fixierte Vorbereitung auf die Saison 2020/2021 mit einer Trainingswoche in Süddeutschland ist längst Makulatur. Kehrmann: &bdquo;Auch ohne Bundesligastress kann ich einfach nicht relaxen. Am schlimmsten ist die Ungewissheit. Keiner weiß, was passiert. Darum bin ich angespannt, statt entspannt. Furchtbar ist, dass wir momentan alle kein Ziel haben.“

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