Wetzlar. Als am Sonntagabend um kurz nach 18 Uhr die ersten Hochrechnungen aus den Wahllokalen aufploppten, hatte sich Handball-Bundesligist TBV Lemgo Lippe bereits von Prognosen, Zweitstimmen und Überhangmandaten unabhängig gemacht. Der zäh erkämpfte 26:21 (13:11)-Erfolg bei der HSG Wetzlar besaß den Wert eines Direktmandats. Doch Regierungsansprüche leitet aus den starken 6:2 Punkten, die Rang drei hinter dem SC Magdeburg und THW Kiel bedeuten, niemand ab.
„Es war ein schwieriges Spiel, sehr defensiv geprägt. Hinten haben wir eine mega Leistung geboten. Das war der Schlüssel zum Sieg“, kommentierte Tim Suton direkt nach dem Abpfiff am Dyn-Mikrofon den zweiten Auswärtssieg der Saison. Der TBV-Kapitän war in den ersten 30 Minuten der Dreh- und Angelpunkt im Lemgoer Spiel und erzielte sechs seiner sieben Treffer im ersten Abschnitt.

Personell waren beide Mannschaften etwas reduziert. Während bei der HSG Wetzlar Spielmacher Dominik Mappes mit Fußproblemen passen musste, tauchten beim TBV auf dem Spielberichtsbogen mit Meeno Carstensen und Benjamin Bröhl zwei Drittligaspieler auf. Der angeschlagene Kreisläufer Adam Nyfjäll, der ebenso wie Jan Mudrow die Reise an die Lahn mit angetreten hatte, fiel aus. Zudem schonte Trainer Florian Kehrmann den ebenfalls angeschlagenen Hendrik Wagner, der im Notfall jedoch einsatzbereit gewesen wäre.
Die HSG Wetzlar nutzte eine frühe Zeitstrafe gegen Nicolai Theilinger zu einer schnellen 3:1-Führung (6.), die der TBV zum 3:5 (10.) aber schnell drehte. Vor 3810 Zuschauern bestimmten die Gäste fortan den Rhythmus, lagen ständig mit zwei oder drei Toren in Führung und hielten in der Abwehr den Laden dicht. Wetzlar kreuzte und kreuzte unermüdlich im Rückraum, kam aber nur unter Schmerzen an Simak, Willecke und Co. vorbei.

Einen signifikanten Unterschied zwischen beiden Teams machte die Spielanlage deutlich. Während der TBV auch seine Außen aktiv einband und sieben Tore vom linken und rechten Flügel verbuchte, verzeichnete Wetzlar lediglich einen Treffer von Außen. Durch Akakpos 19:20 wurde es in der 50. Minute kurzzeitig eng. Doch der TBV blieb cool. Lukas Hutecek antwortete mit dem 19:21, Bobby Schagen traf aus spitzem Winkel zum 19:22 ins lange Eck und Nicolai Theilinger sorgte mit dem 19:23 in der 57. Minute für die Vorentscheidung. Wetzlar geriet unter Zeitdruck, holte die Brechstange raus und versäumte es in dieser Phase zweimal, einen Distanzwurf im verwaisten TBV-Gehäuse unterzubringen. Zudem brachte sich der in der 42. Minute eingewechselte Urh Kastelic mit vier Paraden in Erinnerung. Die letzte Auszeit nutzte Florian Kehrmann in der 59. Minute in erster Linie für ein Kompliment: „Geil. Eine richtig geile Abwehrleistung.“ Und nach dem Dreierpack von Leve Carstsen, Tim Suton und Frederik Simak (ins leere Tor) war in der Buderus-Arena endgültig der Ofen aus für die HSG Wetzlar.
16 der letzten 18 Duelle gehen damit an den TBV. Was Trainer Florian Kehrmann glücklich machte: „Wetzlar hat eine schwer zu bespielende Mannschaft mit einer harten Abwehr, bei der man auf der Hut sein muss. Es war ein enges Spiel. Aber in der Crunchtime haben wir die Ruhe bewahrt und unsere Chancen genutzt. Entscheidend war, dass wir 60 Minuten sehr gut Abwehr gespielt und nur wenig zugelassen haben. Das Ergebnis ist vielleicht zwei Tore zu hoch, aber die zwei Punkte sind völlig verdient für uns.“