Auch auf Schlittschuhen ist TBV-Linksaußen Samuel Zehnder ein Könner

Lemgo. Die Blicke von 4417 Augenpaaren richteten sich wenige Minuten vor dem Anpfiff des Bundesligaspiels zwischen dem TBV Lemgo Lippe und dem ThSV Eisenach auf die beiden Videowände, wo ein hinterrücks gefilmter Mann im hellen Hoodie die Zahl 2029 auf eine Taktiktafel kritzelte. Als er seine Kapuze liftet, brandet Jubel auf. Die LZ sprach mit Samuel Zehnder über diesen ganz besonderen Moment.

War das am Freitag noch etwas mehr Gänsehaut, als Sie vorm Einlauftunnel standen?

Samuel Zehnder: Das war schon sehr cool. Als draußen die Menge lauter wurde und meinen Namen rief, habe ich mich sehr gefreut. Das war ein ganz tolles Gefühl.

Auch die Rolle als Vorsänger der H-U-M-B-A haben Sie offenkundig genossen?

Ja, das hatte ich schon länger nicht mehr. Und dann ja noch mit neuem Slogan, den wir für uns entdeckt haben.

&bdquo;TBV – geht wie Sau“. Wie kam’s dazu?

So genau weiß ich es nicht. Hendrik Wagner hat das mit initiiert. Der Spruch hing eine Zeit lang im Kraftraum auf dem Whiteboard und hat sich nach zwei Siegen schnell etabliert. Aber halt nur teamintern. Gegen Eisenach haben wir es erstmals öffentlich gerufen. Die Fans fanden es ganz lustig. Vor allem, weil wir uns das selber ausgedacht haben.

Sie haben bei ihrer Vertragsverlängerung explizit das Familiäre beim TBV hervorgehoben. Welche Rolle spielte dabei die eigene kleine Familie?

Meine Freundin Jenny und ich sind seit Ende August Eltern eines kleinen Sohnes. Am Ende der Vertragslaufzeit ist er vier Jahre alt, dann beginnt die Kindergartenzeit. Die Familie spielt bei mir die allererste Rolle, noch vor dem Handball. Wir haben uns in Lemgo toll eingelebt, deshalb war die Verlängerung beim TBV bis 2029 genau der richtige Schritt.

Haben Sie sich auch mit anderen Angeboten beschäftigt?

Man überlegt sicher mal. Doch es gab kein konkretes Angebot, zumal wir unbedingt in Deutschland bleiben wollten. Als unsere Entscheidung fix war, ging es schnell. Wir wissen, was wir am Verein haben, und der TBV weiß, was er an mir hat.

Beim ganzen Trubel um ihre Vertragsverlängerung: Konnten Sie überhaupt die Chance nutzen, sich mal wieder auf Schwytzerdytsch zu unterhalten?

Ja, am Freitag standen fünf Schweizer auf dem Spielfeld. Aber ich bin in Lemgo inzwischen ja verwöhnt mit Joel Willecke. Da sprechen wir untereinander schon mal öfter in unserer Sprache. Aber Eisenach hatte mit Felix Aellen, Gian Attenhofer und Timothy Reichmuth sogar drei Schweizer im Kader.

Wie kommt es, dass inzwischen Jahr für Jahr Top-Talente aus der Schweiz den Durchbruch in der HBL schaffen?

Eine gute Frage. Vor zehn Jahren wurde der Juniorenbereich professionalisiert. Unter Michael Suter hatten wir einige Erfolge. Besonders der 1996er-Jahrgang war sehr gut. Inzwischen ist der Handball in der Schweiz umgesprungen vom Amateursport zu mehr Professionalität. Auch die Mentalität hat sich verändert.

Das Stammpersonal der Nati spielt in Deutschland. Könnte da nicht auch bei der Europameisterschaft mal was gehen?

Wir hatten diesmal etwas Glück mit der Auslosung und spielen in der Gruppe mit Slowenien, Färöer und Montenegro. Ziel ist es, die Vorrunde zu überstehen. Was danach kommen würde, weiß ich – ehrlich gesagt – nicht. Aber eine EM ist schwer zu überstehen. Auf diesem Niveau wird die Luft immer dünner.

Sie sind Lemgos schnellster Spieler und verfügen über eine unglaubliche Sprungkraft. Sind das gute Gene, oder wie haben Sie sich das antrainiert?

Das ist eine Mischung aus beidem. Die Gene spielen eine große Rolle, wie einfach oder schwer es später weitergeht. Ab dem Leistungsbereich habe ich hart und gezielt daran gearbeitet.

Familiär sind Sie handballerisch vorbelastet?

Ja, mein Vater hat sogar mal 2.Liga in der Schweiz gespielt. Aber auf Rückraum links. Auch meine Mutter war Handballerin. Sie war meine erste Trainerin in der U9 in Wädenswil. Ich bin da immer mit meinem drei Jahre älterer Bruder Benjamin mitgegangen.

Seitdem Sie 2022 nach zehn Jahren bei den Kadetten Schaffhausen nach Lemgo wechselten, ging es mit dem TBV fast nur bergauf. Gibt es ein Spiel, an welches Sie sich überhaupt nicht gerne erinnern?

Persönlich schlecht war vor drei Jahren eine knappe Niederlage in Erlangen. Auch das 22:23 gegen Kiel, Weihnachten 2024, tat weh. Aber ich bin froh, dass wir nicht viele dramatische Niederlagen einstecken mussten.

Was hätten Sie sportlich gemacht, wenn Sie nicht Handballer geworden wären?

Zwischen meinem 6. und 10. Lebensjahr habe ich in meiner Heimat Eishockey gespielt. Richtig mit Ausrüstung. Mit 10 Jahren musste ich mich dann entscheiden, weil beim Eishockey früher professionalisiert wird. Ich habe mich damals für Handball entschieden. Aber wenn nicht, dann wäre es Eishockey geworden. Ich komme gerade auch wieder vom Schlittschuhlaufen. Ich war mit dem Kind eines Freundes in Lemgo auf der Eiswelt. Das ist sehr cool. Ich kannte das bislang noch gar nicht, denn wegen der hohen Energiekosten gab es das Angebot in den vergangenen Jahren ja nicht.

Und wie klappt es mit der neuen Papa-Rolle? Bekommen Sie noch genügend Schlaf?

Ein Kind bedeutet schon eine Umstellung. Man muss tagsüber einfach noch spontaner sein. Doch unser Sohn macht es Jenny und mir einfach. Er schläft nachts bislang sehr gut. Jetzt freuen wir uns auf die erste gemeinsame Vorweihnachtszeit als Familie.

Die handballerisch aber sicherlich wenig besinnlich wird.

Die kommenden Spiele bei den Füchsen Berlin und gegen Flensburg werden sicherlich zur Nagelprobe. Auch das Auswärtsspiel in Göppingen. Alle restlichen Spiele in der Hinrunde haben es in sich. Aber in unserer Situation müssen wir uns nicht verstecken und werden alles reinhauen.

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