Wie gut ist die Bundestagswahl geschützt? Alle Antworten im Überblick

Am 23. Februar wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Mindestens 59,2 Millionen Wahlberechtigte dürfen laut Schätzung des Statistischen Bundesamtes ihre Stimme abgeben. So eine Wahl ist ein enormer bürokratischer und organisatorischer Kraftakt für Bund, Länder und Kommunen. Dabei geht es auch darum, sicherzustellen, dass die Wahl nicht durch versehentliche Fehler oder gezielte Manipulation beeinträchtigt wird.

Gleichzeitig versuchen AfD-nahe Kreise, Verschwörungsideologen und auch staatliche Einflussakteure aus Russland seit Jahren, das Vertrauen in die Integrität deutscher Wahlen anzugreifen. Vor und nach jeder größeren Wahl werden Gerüchte und Falschbehauptungen über angeblich drohende oder bereits geschehene Wahlfälschung verbreitet.

Was ist an den Warnungen vor drohender Wahlfälschung dran, wer verbreitet sie – und wie gut ist die bevorstehende Bundestagswahl vor Manipulation geschützt?

Wer verbreitet die Behauptung angeblich drohender Wahlfälschung? In vergangenen Jahren hat sich insbesondere der rechtsextreme und AfD-nahe Verein &bdquo;Ein Prozent“ mit solchen Warnungen und dem Aufruf zur Wahlbeobachtung hervorgetan. Eine von dem Verein betriebene Kampagnenseite wirbt dafür mit dem Slogan &bdquo;Damit deine Stimme nicht für die Tonne ist“. 2019 warb der Verein mit folgenden Worten des damaligen AfD-Politikers Andreas Kalbitz: &bdquo;Wir haben das erste Mal seit der Wende die Chance, dieses Land zu verändern, und die Regierenden werden alles dafür tun, dass dies nicht stattfindet.“

Vor der diesjährigen Bundestagswahl ruft noch ein weiterer Verein zur Wahlbeobachtung auf, hinter dem Akteure aus der Szene der Corona-Maßnahmengegner und sogenannte &bdquo;Querdenker“ stecken. Bürgerinnen und Bürger sollen bei dem Verein einen &bdquo;Tan-Brief“ für 6,49 Euro bestellen und sich anschließend mit der Überweisung einer Spende in beliebiger Höhe verifizieren. Das Ziel sei es, die Bundestagswahl &bdquo;flächendeckend“ und &bdquo;gerichtsfest“ zu beobachten. &bdquo;Vertraust du blind? Oder schaust du hin?“, fragt der Verein. Einer der eifrigsten Werber für die Kampagne ist der selbsternannte &bdquo;Querdenker-Anwalt“ Ralf Ludwig. Er rührte die Werbetrommel zuletzt nicht nur auf Telegram, sondern auch im Podcast des Kreml-nahen Medienportals &bdquo;Infrarot“ des früheren Chefredakteurs des russischen Staatsmediums &bdquo;RT DE“.

Wie steht es tatsächlich um die Sicherheit der Wahlen in Deutschland? &bdquo;Gerade Bundestagswahlen sind ein gigantisches organisatorisches Unterfangen, da passieren immer auch Fehler. Wahlfälschungsversuche sind dagegen sehr selten“, sagt der Politikwissenschaftler Daniel Hellmann vom Institut für Parlamentarismusforschung in Berlin dieser Redaktion. &bdquo;Bei Wahlen in Deutschland gibt es viele redundante Mechanismen, die dazu beitragen, dass Fehler aufgedeckt und Fälschungsversuche erkannt werden, sagt er. Das heißt: Bei der Wahl und der anschließenden Stimmauszählung sind gleich mehrere Ebenen eingezogen, denen mögliche Ungereimtheiten auffallen sollen.

&bdquo;Dass es bei einer Bundestagswahl zu einer Wahlfälschung kommt, die geeignet ist, das Gesamtergebnis zu beeinflussen, ist sehr unwahrscheinlich“, bekräftigt Hellmann. Der Wahl-Experte erklärt: &bdquo;Um sich auf der kommunalen Ebene einen Vorteil durch Wahlfälschung zu verschaffen, können schon wenige hundert Stimmen ausreichen. Und auch hier sind solche Versuche in der Vergangenheit meist schnell aufgefallen. Bei Landtagswahlen sprechen wir da schon über 10.000 oder mehr Stimmen und bei Bundestagswahlen müssten mehrere 10.000 Stimmen beeinflusst werden – nur für ein einziges Mandat. Dafür bräuchte es eine große Organisation und die würde schnell auffallen.“

Auch in internationalen Vergleichen schneidet die Sicherheit der Wahlen in Deutschland sehr gut ab. Die in den USA beheimatete internationale Nichtregierungsorganisation &bdquo;Freedom House“ gibt Deutschland in ihrem Wahlintegritäts-Ranking 89 von 100 möglichen Punkten für die vergangene Bundestagswahl im Jahr 2021. Damit liegt Deutschland deutlich vor den USA (78 Punkte).

Wie läuft der Wahlprozess ab? Experte Daniel Hellmann erklärt: &bdquo;Das Team im Wahllokal besteht in der Regel aus fünf bis zehn Wahlhelfern, die von einem Wahlvorsteher angeleitet werden. Die treffen sich am Morgen des Wahltags, bereiten das Wahllokal vor und inspizieren dabei auch die Wahlurne. Die Wahlurne wird einmal symbolisch umgedreht, um zu zeigen, dass dort nicht schon Wahlzettel drin sind.“ Wählerinnen und Wähler müssen sich entweder mit ihrer Wahlbenachrichtigung oder ihrem Personalausweis ausweisen, stimmen dann in der Wahlkabine geheim ab und werfen ihre Stimmzettel in die Wahlurne.

Ab 18 Uhr, nach der Schließung der Wahllokale, findet dann die Auszählung der Stimmen statt. &bdquo;Das Ergebnis wird am Ende an die Gemeinde gemeldet, die gibt die Ergebnisse der einzelnen Wahlbezirke dann an die Kreiswahlleitung weiter, diese wiederum an den Landeswahlleiter und dieser an die Bundeswahlleiterin“, sagt Hellmann. &bdquo;So kommt noch am Wahlabend oder am nächsten Morgen das vorläufige amtliche Endergebnis zustande.“

In den darauffolgenden zwei bis drei Wochen werde das Ergebnis überprüft. &bdquo;Wenn irgendwo Unstimmigkeiten auffallen, können die Stimmzettel dort nochmal neu ausgezählt werden. Die Wahlergebnisse werden von den Wahlausschüssen dann verifiziert.“

Wer darf die Auszählung der Stimmen beobachten? Eines der wichtigsten Prinzipien nicht nur der Bundestagswahlen ist das Öffentlichkeitsprinzip. Bei der Bundeswahlleiterin heißt es dazu: &bdquo;Jede Person hat das Recht, vom Zusammentritt des Wahlvorstands am Morgen des Wahltags bis zur abschließenden Beschlussfassung über das Wahlergebnis im Wahlraum anwesend zu sein und die Abläufe zu beobachten.“

Lediglich die Stimmabgabe in der Wahlkabine erfolge geheim. Für die Beobachtung der Wahl und der Stimmauszählung muss man sich auch nirgends anmelden. Auch wer selbst nicht wahlberechtigt ist, darf eine Wahl beobachten. Beobachter dürfen die Durchführung der Wahl jedoch nicht stören, sonst können sie aus dem Wahlraum verwiesen werden.

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&bdquo;Darüber hinaus können bei der Briefwahl mehrere Fehler passieren“, ergänzt Politikwissenschaftler Hellmann. &bdquo;Es kommt immer wieder vor, dass Wählerinnen und Wähler die beiden Umschläge der Briefwahlunterlagen vertauschen oder die beiliegende eidesstattliche Erklärung nicht unterschreiben. Dann müssen die Stimmzettel für ungültig erklärt werden.“ Auch zu spät abgeschickte oder in Ausnahmefällen auf dem Postweg verlorene Briefwahlunterlagen könnten Fehlerquellen sein. Gerade in diesem Jahr, bei der vorgezogenen Bundestagswahl, kann das aufgrund der stark verkürzten Fristen zu Problemen führen.

&bdquo;Ab dem Zeitpunkt, an dem die Briefwahlunterlagen bei der Gemeinde eingegangen sind, funktioniert die Auszählung sehr ähnlich wie bei der Urnenwahl“, sagt Hellmann. &bdquo;Die Wahlbriefe werden von der Gemeinde gelagert, dabei muss sichergestellt werden, dass sie verschlossen und nicht zugänglich sind. Am Wahltag werden die Wahlbriefe zunächst geöffnet und überprüft, ob die Umschläge richtig verwendet wurden und die eidesstattliche Erklärung unterschrieben wurde. Ab 18 Uhr beginnt dann auch hier die Auszählung – die ebenfalls öffentlich ist.“

Bei der Landtagswahl in Sachsen kam es im vergangenen Jahr zu Wahlfälschungsversuchen bei der Briefwahl – zugunsten der rechtsextremen Kleinpartei &bdquo;Freie Sachsen“. Diese Manipulationsversuche fielen jedoch schnell auf und sind nun Gegenstand von Ermittlungen.

Lässt sich die Bundestagswahl durch Cyberangriffe hacken? Die Wahl selbst und auch die Auszählung der Stimmzettel findet vollständig analog statt. Es gibt in Deutschland keine Wahlcomputer, die möglicherweise manipuliert oder gehackt werden könnten. &bdquo;Es ist eine Stärke des deutschen Wahlsystems, dass nach wie vor alles auf Papier geschieht“, sagt Daniel Hellmann. &bdquo;Das lässt sich schwerer fälschen und auch Wochen oder Monate später können Ergebnisse im Original nachgeprüft werden.“

Viele Organisationsschritte rund um die Bundestagswahl und auch die Übermittlung der vorläufigen Auszählungsergebnisse an die Bundeswahlleiterin am Abend und in der Nacht nach der Wahl sind allerdings digitalisiert. Durch Cyberangriffe auf diese Wahlinfrastruktur könnten die Wahlorganisation und die Ermittlung und Veröffentlichung der vorläufigen Wahlergebnisse gestört oder manipuliert werden.

Damit das nicht geschieht, unterstützt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Bundeswahlleitung. &bdquo;Dazu wurden unter anderem die IT-Systeme und bei der Wahl eingesetzte Software der Bundeswahlleitung geprüft (BSI-Webcheck)“, erklärt eine Sprecherin der Behörde. &bdquo;Gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen und der Bundeswahlleitung hat das BSI das IT-Grundschutzprofil &bdquo;Schnellmeldungen“ entwickelt, um Wahlbehörden einen ganzheitlichen Ansatz zur Absicherung von Wahlunterstützungssoftware zur Verfügung zu stellen. Dieses IT-Grundschutzprofil sollten Länder und Kommunen nach Möglichkeit umsetzen“, heißt es weiter.

Digitale Attacken wären demnach kaum geeignet, um das Wahlergebnis selbst zu manipulieren, sie könnten aber ebenso wie gezielte Desinformationskampagnen dazu beitragen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität des Wahlprozesses und damit auch in die Demokratie und das politische System zu schwächen.

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