Detmold/ Augustdorf. Die Emotionen platzen aus der Angeklagten erst auf dem Flur heraus, als das Urteil längst gefallen ist. Zuvor lässt sich aus der Miene der 44-Jährigen nicht viel ablesen: Keine Empathie, keine Einsicht, keine Scham. Das ist auch das, was dem Schöffengericht unter dem Vorsitzenden Richter Martin van der Sand sauer aufstößt. „Sie sehen nicht ein, was Sie getan haben. Das tun Sie heute noch nicht“, sagt der Richter. „Moralisch ist das auf der untersten Stufe.“ Die Konsequenz schlägt sich in einer Gefängnisstrafe nieder. Denn die Kammer ist überzeugt davon, dass die angeklagte Frau zwischen Februar 2022 und August 2023 das Vertrauen eines befreundeten Seniors ausnutzte, um Geld von dessen Konto für ihren eigenen Lebensunterhalt abzuzwacken. Nach dem Tod seiner Frau hatte der damals über 80-Jährige der Augustdorferin eine Kontovollmacht ausgestellt, damit sie ihn unterstützen konnte. Rund 13.857 Euro behielt die 44-Jährige aus Sicht der Kammer aber für sich ein, bezahlte davon Tierarztrechnungen, Tankfüllungen, Restaurantbesuche und Wellnessaufenthalte. Der heute 88-Jährige blieb auf einem Schuldenberg sitzen. „Ich schäme mich“, sagt der Senior vor Gericht. „Dafür, dass drei befreundete Familien jetzt dafür sorgen, dass ich Essen auf Rädern bekomme.“ Seine Pension gehe nun fast vollständig dafür drauf, um die Schulden abzuzahlen. Am liebsten hätte er das Ganze trotzdem außergerichtlich klären wollen, das ist dem gebrechlichen Mann anzumerken, die 44-Jährige habe aber immer wieder abgeblockt. „Ich habe keine Schuld. Du bist wahrscheinlich dement und weißt gar nicht mehr, dass du mir Geld gegeben hast“, soll die Frau gesagt haben. Aus Freundschaft wird Betrug Beim Prozess am Dienstag treffen verhärtete Fronten aufeinander. Kein Mal schaut die Angeklagte ihren einstigen Freund während seiner Aussage an. Den Ausgang des Verfahrens hat sie selbst in der Hand. Mit einem Geständnis hätte die nicht vorbestrafte Frau eine Haftstrafe abwenden können, das zeigt sich eingangs im Rechtsgespräch. Ihre durch die Kontobelege nachweisbaren Fehler wirklich einräumen, damit tut sich die Frau mit den langen Locken aber offenbar schwer. „Sie hat ihn betreut und es sind einige Geldgeschäfte gelaufen“, fasst Verteidiger Torsten Giesecke daher zusammen. „Zum Teil hat sie das Geld für sich verwendet.“ Die Vorwürfe voll einräumen will sie allerdings nicht. Wenn es um große Summen aus der Anklage geht - teils sind 1000 Euro abgebucht worden - soll der Senior das Geld freiwillig gezahlt haben. Dem Vorsitzenden ist diese Version für ein Geständnis zu wenig, daher kommt es nicht zum Deal. „Wir glauben Ihnen kein Wort“, sagt Richter Martin van der Sand in der Urteilsverkündung. „Wir sehen, dass Sie ihn voll und ganz ausgenommen haben.“ Gefängnis statt Bewährung Am Ende verurteilt das Schöffengericht die 44-Jährige daher wegen Untreue in 48 Fällen zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren. Von den restlichen 82 Anklagepunkten spricht das Amtsgericht Detmold die Frau frei. Das betrifft alle Fälle, bei denen die Kammer nicht sicher ist, ob das abgehobene Geld nicht doch beim Senior gelandet sein könnte, sagt der Vorsitzende. Ein paar Mal soll die Frau dem 88-Jährigen 200 Euro abgebucht und in den Schrank gelegt haben, das bestätigt er. Nach dem Tod seiner Ehefrau soll sich die Angeklagte mit dem älteren Mann gut gestellt haben, sagt Richter Martin van der Sand, anfangs sei er vielleicht wirklich so etwas wie Familie für sie gewesen. Dann hätten finanzielle Schwierigkeiten das Verhältnis aber gekippt, vermutet die Kammer. „Sie haben ein bis zwei Jahre auf sein Konto gelebt.“ Aufgeflogen waren die Unregelmäßigkeiten nur, weil ein Nachbar dem Senior einen Online-Banking-Zugang eingerichtet hatte. Die 44-Jährige soll ihm das lange verwehrt haben. Das Urteil stimmt mit dem Antrag von Staatsanwalt Kristoffer Mergelmeyer überein. Verteidiger Torsten Giesecke hatte zuvor auf eine Bewährungsstrafe plädiert.