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Knöllchen und Kulanz: Auf Streife in der Salzufler Innenstadt

Alexandra Schaller

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Angehalten: Bezirksbeamter Andreas Grabbe kontrolliert im Bereich „Am Markt" einen Fahrzeughalter, der in die Fußgängerzone eingefahren ist. - © Alexandra Schaller
Angehalten: Bezirksbeamter Andreas Grabbe kontrolliert im Bereich „Am Markt" einen Fahrzeughalter, der in die Fußgängerzone eingefahren ist. (© Alexandra Schaller)

Bad Salzuflen. Sätze wie „Auf die Schilder habe ich nicht geachtet" oder „Ich fahre hier immer lang" hört Andreas Grabbe (52) so gut wie jeden Tag. Er hat sich längst daran gewöhnt – täglich ist der Bezirksbeamte für ein bis zwei Stunden in der Innenstadt und momentan schwerpunktmäßig im Bereich Osterstraße/Am Markt unterwegs, um Verkehrsverstöße zu ahnden. Denn obwohl der Verkehrsversuch inzwischen seit gut einem Monat läuft, haben noch immer nicht alle etwas davon mitbekommen.

Am Markt geht es an diesem Tag zu wie im Taubenschlag: Gleich zwei Fahrzeuge hat Andreas Grabbe parallel angehalten. Während ein älterer Herr mit zittrigen Fingern in seinem Kofferraum nach seinen Fahrzeugpapieren wühlt, hat Andreas Grabbe einen jungen Mann in seinem Golf GTI zur Seite gewunken. Kaum will er sich den beiden zuwenden, kommt auch schon der nächste Verkehrssünder um die Ecke geschossen: Ein silberner Mercedes mit aufgedrehter Musik und überhöhter Geschwindigkeit. „Das sind genau die, die wir erwischen wollen", sagt Andreas Grabbe und winkt auch diesen Fahrer direkt zur Seite.

Polizist aus Leidenschaft: Andreas Grabbe ist seit 34 Jahren im Dienst. - © Alexandra Schaller
Polizist aus Leidenschaft: Andreas Grabbe ist seit 34 Jahren im Dienst. (© Alexandra Schaller)

Seit 34 Jahren ist Andreas Grabbe Polizist – „mit Leib und Seele", wie er sagt. Bereitschaftspolizist im Rheinland, Mitglied der Einsatzhundertschaft in Wuppertal, Streifendienst in Detmold: Der Detmolder hat schon einige Stationen hinter sich. Seit Oktober vergangenen Jahres ist er in der Salzestadt im Einsatz und fühlt sich mehr als wohl. „Allein schon vom Altersdurchschnitt her ist Bad Salzuflen mit Detmold nicht vergleichbar. Der Dienst hier ist angenehm, es ist weniger Stress und ich kann mir mehr Zeit für die Menschen nehmen."

Zeit, die braucht er aktuell vor allem für den Verkehrsversuch. Seitdem der Bereich Osterstraße/Am Markt im Zuge dessen zur Fußgängerzone umgewidmet worden ist, gibt es hier reichlich zu tun. „Ich wusste das gar nicht", sagt der ältere Herr, der ohne mit der Wimper zu zucken seine 20 Euro Bußgeld blecht. „Ich fahre hier definitiv nicht mehr rein", fügt er an, bevor er langsam davonfährt. Nicht ganz so erfreut ist der Besitzer des silbernen Mercedes. „Ich habe jetzt keine Lust zu suchen", sagt er, als Grabbe ihn freundlich aber bestimmt nach seinen Papieren fragt. Doch Grabbe bleibt hartnäckig: Und am Ende zückt der Fahrer doch noch seinen Führerschein.

Gefälschte Papiere oder gar gesuchte Personen – solche Zufallstreffer sind selten, aber sie können auch schon mal vorkommen, weiß Grabbe. Als er wenig später einen grauen Golf anhält, der durch die Fußgängerzone zockelt, will Grabbe die ausländischen Fahrzeuginsassen genauer unter die Lupe nehmen. Er sammelt die Reisepässe der Urlauber ein und gibt die Personalien via Funk an die Wache in Schötmar durch. „Wusst ich’s doch", murmelt Grabbe, als kurz darauf feststeht, dass einige der Männer bereits polizeibekannt sind – unter anderem wegen Drogenkonsums. „Die glasigen Augen und die fahle Haut des Beifahrers, da habe ich schon so etwas geahnt", sagt Grabbe. Auf sein Bauchgefühl kann er sich nach 34 Jahren als Polizist eben verlassen.

Insgesamt acht Bußgelder treibt Grabbe auf seinem heutigen zweistündigen Rundgang ein – das sei in der Summe ganz normal, sagt er. Ein wenig Fingerspitzengefühl gehört allerdings auch dazu. Als er etwa eine ältere Dame anhält, ist diese völlig eingeschüchtert und kann dem Polizisten kaum in die Augen blicken. Sie habe doch nur zur Post gewollt, sagt sie ganz leise. Grabbe hat ein Einsehen und lässt sie ziehen – genauso wie einen Lieferanten. „Der ist nur ein paar Meter in die Fußgängerzone eingefahren. Aus Erfahrung weiß ich: Die beiden machen das nicht noch mal." Kulanz gehöre eben auch dazu. „Ich will niemanden einschüchtern, damit derjenige dann komplett das Vertrauen in die Polizei verliert."

Er selbst sieht den Verkehrsversuch durchaus positiv. „Mir fehlt allerdings das Hintergrundwissen, wie es hier noch vor zehn Jahren war, und ob die Einzelhändler damit nun tatsächlich Kunden einbüßen könnten." Sollte der Versuch nach dem 30. September Realität werden, glaubt er aber, dass sich das Ganze umsetzen ließe. „Die Bürger müssen sich eben daran gewöhnen."

Insgesamt werde der Verkehrsversuch seiner Meinung nach schon jetzt ganz gut angenommen. „Die Fahrzeuge, die in die Stadt einfahren, werden deutlich weniger – es wird ruhiger", sagt er. Von den Fußgängern kämen indes viele positive Rückmeldungen. Und auch die Fahrzeugführer, denen Grabbe an diesem Tag ein Bußgeld abknöpfen muss, sind durch die Bank einsichtig. „Es liegt mir fern, deshalb Theater zu machen", sagt eine Frau, die sich auf dem Weg zu ihrer Ferienwohnung mit Hilfe ihres Navis in die Fußgängerzone hat leiten lassen. „Wenn man so doof ist, dann muss man eben dafür bluten", fügt ein Mann an, der direkt hinter der Dame durch die Osterstraße gedüst ist und ebenfalls seine EC-Karte bereit hält.

Manchmal kommt es dann aber doch zu Auseinandersetzungen. „Einmal ist jemand immer lauter geworden, um Passanten auf sich aufmerksam zu machen", erzählt Andreas Grabbe. „Ich versuche dann ruhig zu bleiben und deeskalierend zu wirken." Das Überraschende: Der aufgeregte Fahrzeughalter hatte laut Grabbe zwar Passanten auf sich aufmerksam gemacht – die hatten allerdings zum Polizisten gehalten. „Ich merke, dass man als Beamter hier in Salzuflen viel Fürsprache bekommt. Und das tut auch mal gut", sagt er. Er freue sich, wenn ihn die Leute auf der Straße ansprechen. „Auch wenn der ein oder andere nur wissen will, wo man hier gut essen kann", sagt er und grinst.

Seine Arbeit als Bezirksbeamter teilt er sich mit seinem Kollegen Jochen Schlingmann – Grabbe selbst betreut in seinem Bezirk, der von der Innenstadt bis hinauf nach Wüsten und an die Grenzen zu Lemgo und Herford reicht, gut 14.000 Menschen. „Das ist aber zu schaffen", sagt er. Seine Uhr zeigt ihm täglich, wie viele Kilometer er zurückgelegt hat. Zehn bis zwölf kommen da aktuell locker zusammen. „Da bin ich am Abend dann schon mal fix und fertig."

Meinungen

Noch bis zum 30. September läuft der Verkehrsversuch in der Salzufler Innenstadt. Bürger können ihre Meinung zum Versuch persönlich im Bürgerbüro an der Millau-Promenade oder im Internet unter www.stadt-bad-salzuflen.de abgeben. Bisher sind nach Angaben der Stadt zum Stand 1. August 200 Ideen und Kommentare abgegeben worden, zudem haben die Nutzer weitere 7100 „Daumen-hoch" oder „-runter" Symbole verteilt. Eine erste Bilanz des Meinungsbildes soll laut Verwaltung Mitte September vorgestellt werden.

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