XXL-Rat in der Kurstadt muss sich noch sortieren

Bad Salzuflen . Die Politik der Kurstadt wird künftig von einem extra großen Rat gemacht: Weil die CDU alle ihre 21 Sitze durch Siege in den einzelnen Wahlbezirken direkt geholt hat, wächst die Vertretung im Rathaus von 48 auf 62 Mitglieder. Zum Vergleich: Der Kreistag zählt &bdquo;nur" 60 Sitze. Am Tag nach der Kommunalwahl und dem Triumph von CDU-Kandidat Dirk Tolkemitt sortierten sich die Parteien und Gruppierungen. Ein Überblick.

CDU schließt auch Schwarz-Grün nicht aus Fraktionsvorsitzender Volker Heuwinkel schließt für die CDU weder eine Koalition mit den Grünen noch eine mit der SPD aus. Wobei letztere Variante nach dem krachenden Aus der &bdquo; Groko " im vergangenen Jahr aus Sicht der CDU die eher &bdquo;ungeliebtere Variante" sei. Vor gut zehn Jahren sei es beinahe zu einer Jamaika-Koalition mit CDU, Grünen und FDP gekommen, erinnert sich Heuwinkel.

Auch nicht ausschließen will der Rechtsanwalt, dass die CDU keine Koalition vertraglich schmiedet und die künftige Politik von wechselnden Mehrheiten – wie zuletzt vor der Wahl – bestimmt wird. Nur eine Zusammenarbeit mit der AfD schloss Heuwinkel aus. Gefreut hat ihn, dass die CDU am Sonntag auch ehemalige SPD-Hochburgen wie beispielsweise in Wülfer-Bexten oder Lockhausen erobert habe.

Mit Klaus-Peter Wind hat es jedoch ein langjähriges Ratsmitglied nicht geschafft: Er unterlag in Schötmar dem Einzelbewerber Dr. Johann Malcher – und weil kein Listenplatz der CDU zog, bleibt Wind draußen. Heuwinkel will in jedem Fall wieder für den Fraktionsvorsitz der Union kandidieren.

SPD-Chef Böger tritt nicht mehr an &bdquo;Jeder, der etwas durchsetzen will, muss sich künftig Mehrheiten suchen", sagte Eduard Böger, noch amtierender Fraktionsvorsitzender der SPD . Auch wenn das ob der Fülle an verschiedenen Parteien keine leichte Aufgabe werden dürfte. Mit 16 Sitzen werden die Sozialdemokraten im neuen Rat vertreten sein, vorstellbar seien aktuell alle Koalitionen außer die mit der AfD. Ausschließen wolle Böger zum jetzigen Zeitpunkt nichts – auch nicht eine mögliche Große Koalition.

Nur eines stehe fest: Er selbst wird zwar als Ratsmitglied weitermachen, den Fraktionsvorsitz wird der 79-Jährige Ende Oktober nach elf Jahren jedoch abgeben. Wer ihm nachfolgt, sei offen. &bdquo;Ich denke, dass es jetzt Zeit für jemand Jüngeren wird." Er wolle seine Erfahrung aber weiter einbringen, nur eben an anderer Stelle. &bdquo;Ich denke, eine Mischung aus Jung und Alt ist angebracht."

Grüne sondieren die Lage Katrin Klei, bisherige Fraktionsvorsitzende der Grünen , will sich zu möglichen Koalitionen im künftigen Stadtrat noch nicht äußern. &bdquo;Wir möchten jetzt erst mal in Ruhe die Zahlen analysieren", so Klei. Sie freue sich zunächst mal über das &bdquo;tolle Ergebnis", mit dem die Grünen selbst nicht gerechnet hätten. Die Partei hat 18,3 Prozent der Stimmen geholt und wird künftig mit zwölf statt wie bisher mit vier Sitzen im Rat vertreten sein. Klei selbst möchte auch künftig Fraktionsvorsitzende bleiben, sagt aber auch: &bdquo;Entschieden ist noch nichts. Das werden wir gemeinsam sorgfältig abwägen."

FDP freut sich über Zuwachs Die FDP freut sich laut Stadtverbandsvorsitzenden Carsten Möller über den Zuwachs von einem Sitz auf vier Mandate. &bdquo;Das war angesichts der aktuell schlechten Umfragewerte für uns im Bund nicht selbstverständlich." Auch er selbst wird künftig im Rat vertreten sein. Ob die Salzufler Liberalen für mögliche Koalitionen zur Verfügung stehen, &bdquo;haben wir noch nicht besprochen", so Möller. Eine erste Wahlanalyse sollte gestern Abend erfolgen. Möller geht davon aus, dass die Fraktionsvorsitzende Regina Perunovic wieder für ihr Amt antritt.

AfD will Finger in die Wunde legen Als &bdquo;Fundamental-Opposition" sieht sich AfD , die mit drei Sitzen im Rat der Stadt vertreten sein wird. &bdquo;Wir wissen, dass mit uns niemand koalieren will und haben auch gar nicht damit geplant", sagt die künftige Fraktionsvorsitzende Sabine Reinknecht . Man wolle versuchen, gute Ratsarbeit zu machen und die Interessen der Bürger zu vertreten. &bdquo;Wir werden den Finger in die Wunde legen", sagt Reinknecht .

Freie Wähler setzen auf wechselnde Mehrheiten Monika Prüßner-Claus von den Freien Wählern , die auch im künftigen Rat mit drei Sitzen vertreten sein werden, will weiterhin &bdquo;sachorientiert mit wechselnden Mehrheiten" Politik gestalten. &bdquo;Wir wollen auch künftig eigene Themen setzen und uns Mehrheiten erarbeiten." Sie werde auch im neuen Rat Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler sein. Über künftige Koalitionen hat sich auch Dorothea Senz-Ndiaye von der Partei Die Linke noch keine Gedanken gemacht. Sie wird künftig die einzige Vertreterin der Partei im Rat sein. &bdquo;Wir sind noch überwältigt von dem frappierenden Wahlergebnis und müssen erst mal schauen, was möglich ist."

Claus Preuss wird für Aufbruch C im Stadtrat vertreten sein: &bdquo;Es war schwer, auch bedingt durch Corona, alle Hürden zu überwinden, um überhaupt an der Wahl teilnehmen zu können. Wir freuen uns, im Rat dabei zu sein."

Absolut überrascht über seinen Einzug in den Stadtrat war Dr. Johann Malcher , der sich als Einzelkandidat die meisten Stimmen in einem Schötmaraner Wahlbezirk sichern konnte. Er freue sich auf die anstehende Ratsarbeit und wolle vor allem für bessere Perspektiven für Schötmar einstehen. Das bislang fraktionslose Ratsmitglied Friedrich-Wilhelm Biermann hat es mit seiner &bdquo; Bürgerinitiative Zukunft" (BIZ) nicht mehr in den Rat geschafft. Für eine Stellungnahme war er bisher nicht zu erreichen.

Überhangmandate haben Folgen Dass der Bad Salzufler Rat von 48 auf 62 Plätze wächst, liegt an Überhangmandaten, denn die CDU hat alle ihre 21 Sitze direkt gewonnen. Platzprobleme wird es im Rathaus künftig allerdings nicht geben, wie es aus dem Fachdienst Kommunales heißt: Die Planungen für den neu gestalteten Ratssaal seien noch nicht allzu weit fortgeschritten. Man könne die neue Anzahl an Sitzen daher noch berücksichtigen. Die offizielle Wahlperiode beginnt am 1. November. Die Vereidigung des Bürgermeisters, die Wahl seiner Stellvertreter sowie die Bildung und Besetzung aller Ausschüsse findet aber erst in den konstituierenden Sitzungen am 3. und 4. November statt.

"Die Grünen haben Optionen" Ein Kommentar von Thomas Reineke

Der Sieger bei der Bürgermeisterwahl ist mit Dirk Tolkemitt eindeutig. Aber wird er sich in den kommenden Jahren auf eine stabile Koalition mit Beteiligung der CDU im Stadtrat verlassen können? Diese Frage ist keineswegs entschieden. Zünglein an der Waage spielen dabei in erster Linie die erstarkten Grünen. Sie könnten mit der CDU eine schwarz-grüne Mehrheitskoalition mit 33 Stimmen (bei 62 Ratssitzen) eingehen, was sie im Vorfeld der Wahl auch nicht ausgeschlossen hatten. Zitat: Es kommt auf die Inhalte an. Allerdings lagen CDU und Grüne in der Vergangenheit bei zentralen Themen wie der Verkehrs- oder Klimapolitik zum Teil weit auseinander.

Ebenso möglich ist eine Ampel-Koalition mit SPD, Grünen und FDP, die auf 32 Stimmen kommen würde. Dann wäre die CDU als stärkste Ratsfraktion plötzlich in der Opposition. Und der neue Bürgermeister dürfte deutlich mehr Arbeit haben, seine Vorstellungen von der Stadtentwicklung durchzusetzen.

Alles kommt jetzt auf die Gespräche in den nächsten Wochen an. Ein Satz noch zum scheidenden Bürgermeister: Dass sich Dr. Roland Thomas aus Enttäuschung über das Ergebnis nicht auf der von der Stadt veranstalteten Wahlpräsentation am Sonntagabend im Kurhaus hat sehen lassen, lässt an ein geflügeltes Wort denken: Die wahre Größe zeigt sich in der Niederlage.

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