Salzufler wollen Nachhilfe für mehr Chancen im Leben anbieten

Bad Salzuflen. Der Apotheker Karl Brandes und Helmut Becker, Unternehmer im Ruhestand, sind sich einig: Sprache und Bildung sind die Türöffner zu persönlichem Erfolg. Diese Erfahrung ist gleichzeitig Leitlinie ihres Engagements für Geflüchtete sowie Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien. Gemeinsam mit dem in Integrationsfragen sehr engagierten Karim Suleiman und der Sozialarbeiterin Mariam Labib wollen sie das Projekt &bdquo;Chancenwerk" in Bad Salzuflen an den Start bringen.

Dieses habe sich in einigen deutschen Großstädten bereits erfolgreich bewährt, erklärt Helmut Becker. Er unterstütze &bdquo;Chancenwerk" schon seit Jahren und ergänzt, dass die Kurstadt eine der wenigen kleineren Städte wäre, in der dieses Bildungskonzept umgesetzt würde. Doch was steckt genau dahinter?

Geschwisterpaar gründet "Chancenwerk"

Die Organisation &bdquo;Chancenwerk" wurde 2004 von dem Geschwisterpaar Serife und Murat Vural, Kinder türkischer Gastarbeiter, gegründet. Aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse hatten die beiden zunächst massive Probleme in der Schule. Trotzdem strebten sie das Abitur an. Durch gegenseitige Unterstützung und externe Nachhilfe, die sie durch Nebenjobs finanzierten, erreichten sie ihre gesteckten Ziele und studierten später erfolgreich an deutschen Universitäten.

Das Lernkonzept von &bdquo;Chancenwerk" basiert auf den von ihnen gemachten Erfahrungen. Nach dem Motto &bdquo;Hilfe nehmen und Hilfe geben" unterstützen ältere Schüler eine Gruppe jüngerer Mitschüler bei den Schulaufgaben, angeleitet werden sie dabei von Studenten. Diese wiederum werden von &bdquo;Chancenwerk" betreut und honoriert. Jüngeren Kindern kann die Lernförderung kostengünstig oder durch Bildungs- und Teilhabepakete sogar gratis angeboten werden, weil viele Partner wie Stiftungen, Unternehmen und Privatleute den Verein unterstützen.

Lernhelfer und Lernende begegnen sich auf Augenhöhe

Helmut Becker ergänzt, dass dieses System für alle Schüler offen sei, die von ihren Familien aus finanziellen, zeitlichen oder sprachlichen Gründen nicht gefördert werden könnten. Den Lernerfolg des Konzeptes sieht er unter anderem darin begründet, dass sich Lernhelfer und Lernende auf Augenhöhe begegnen.

&bdquo;Das Prinzip von Chancenwerk entlastet letztendlich auch die Lehrer", betont Helmut Becker. Er konnte das Konzept gemeinsam mit einem Vertreter des Vereins an der Grundschule Wüsten vorstellen und stieß dort auf starkes Interesse, wie er berichtet.

Gegen den Fachkräftemangel

Weitere Kontakte zu Bad Salzufler Pädagogen hat Karim Suleiman geknüpft. Doch dann kam die Entwicklung des &bdquo;Chancenwerk"-Modelles in Bad Salzuflen durch Corona vorläufig zum Erliegen. Nach dem Ende der Pandemie sollen die Kontakte zu Schulen in Bad Salzuflen aber wieder intensiviert werden. Es zahle sich auf jeden Fall für die Schüler aus, deren Chancen auf dem Ausbildungsmarkt durch gute Zeugnisse stiegen, ist sich Karl Brandes sicher. Lohnend sei es auch für Wirtschaftsunternehmen, die unter Fachkräftemangel litten, ergänzt Helmut Becker.

&bdquo;Das ,Chancenwerk’-Prinzip ist eine ideale Ergänzung des Netzwerkes der Hilfe in unserer Stadt", sagt Karl Brandes, der sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit vielen anderen Ehrenamtlichen um Geflüchtete kümmert und sie beispielsweise bei Behördengängen begleitet. Brandes baute 2015 zum Höhepunkt der Flüchtlingswelle auch eine Fahrradwerkstatt mit auf. Diese bestehe noch heute und sei ein wichtiger Treffpunkt für Helfer und Geflüchtete, erklärt der Apotheker.

Gute Deutschkenntnisse als A und O

Helmut Becker wiederum verhalf mit seinem Know-how einem Flüchtling aus dem Libanon zu einem Ausbildungsplatz im Bäckerhandwerk. Der junge Mann ist inzwischen Geselle. Bis solche Erfolgsgeschichten erzählt werden können, ist es für alle Beteiligten allerdings ein mühsamer Weg. &bdquo;Gute bis ausreichende Deutschkenntnisse sind das A und O", bringt es Karl Brandes auf den Punkt. Er würde sich sehr über weitere Unterstützerinnen und Unterstützer freuen, die Migranten unentgeltlich Nachhilfe in Deutsch geben (siehe Infokasten). Im Moment arbeiten seine Mitstreiter und er an einem Unterrichtsangebot am Samstag, das sich hauptsächlich an Jugendliche mit mangelnden Deutschkenntnissen richtet.

Quartett sucht Mitstreiter für Nachhilfeprojekte

Mariam Labib (41) ist Sozialarbeiterin. In Ägypten geboren, arbeitet die zweifache Mutter als Integrationskraft an der Eduard-Hoffmann-Realschule. Helmut Becker (73) leitete ein Filialunternehmen für Damenoberbekleidung. Er möchte dazu beitragen, dass Bad Salzuflen die erste Stadt in OWL wird, in der sich das &bdquo;Chancenwerk" etabliert. Karim Suleiman (55) arbeitete als Lehrer in seiner syrischen Heimat. Aktuell ist er für die &bdquo;Competenz-Werkstatt Beruf" tätig und dolmetscht für die Ausländerbehörde. Karl Brandes (68) ist Nachfahre des Apothekers und Wissenschaftlers Rudolph Brandes. Interessierte können sich an ihn wenden: Brandes.karl@web.de.

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