Salzufler Kurdirektor zu Verschickungskindern: „Ich würde mein Kind nie allein verschicken“

Alexandra Schaller

  • 1
Mutter und Tochter gemeinsam auf Kur - so könnte das aussehen. - © Symbolbild: Pixabay
Mutter und Tochter gemeinsam auf Kur - so könnte das aussehen. (© Symbolbild: Pixabay)

Bad Salzuflen. Über Jahrzehnte war es auch in NRW gang und gäbe, seine Kinder allein auf Kur zu schicken – auch nach Bad Salzuflen. Hat diese Form der Kinderkur die Chance auf eine Renaissance? Kurdirektor Michael Feiler glaubt das nicht. Aber er hat andere Ideen, wenn es um das Thema Erholung geht.

Zwischen 1870 und 1970 war die Hochphase der Kinderkuren in Bad Salzuflen, Tausende Kinder kamen alljährlich in die Kurstadt. Damit begann die Entwicklung des Bades...

Michael Feiler: Die Kinderkuren haben Bad Salzuflen erst zu dem gemacht, was es heute ist. So habe ich es mir vom Stadtarchiv auch sagen lassen.

Man hat den Kuren also viel zu verdanken.

Michael Feiler: Das sagt sich so einfach. Die Infrastruktur, die medizinische Kompetenz, die Partner, die die Kuren angeboten haben – all die brauchte man. Das ist ein Riesenapparat, der sich nach und nach entwickelt hat.

Ab den 1970er Jahren ging die Nachfrage nach Kinderkuren immer weiter zurück, der Fokus ging hin zu den Erwachsenen. Warum war das so?

Michael Feiler: Bei den Kindern ging es ursprünglich um die Behandlung von Skrofulose, einer Hauttuberkulose. Vor allem Kinder aus Industriegebieten, etwa dem Ruhrgebiet, waren durch Umweltverschmutzung und schlechte Ernährung davon betroffen. Ab den 1970er Jahren gab es dieses Krankheitsbild so gut wie gar nicht mehr. Damit nahm auch die Nachfrage nach Kinderkuren ab.

Verschickungskinder berichten heute von teilweise traumatischen Erlebnissen in der Kinderkur – auch in Bad Salzuflen. Wie stehen Sie zum Thema Aufarbeitung?

Michael Feiler: Ich habe die LZ-Serie zu den Verschickungskindern verfolgt. Da gab es diejenigen, die Horrorszenarien dargelegt haben, aber auch Stimmen, die das dementiert haben. Da ich selbst nicht dabei war, muss ich mich auf die Recherche verlassen und kann schlecht beurteilen, was an welcher Erzählung dran ist. Generell halte ich Aufarbeitung aber für gut und richtig – wenn man am Ende bei der Wahrheit ankommt.

Kann und muss man aus dieser Vergangenheit der Verschickungskuren etwas lernen?

Michael Feiler:  Ich weiß nicht, ob es daraus etwas zu lernen gibt. Ganz klar muss man aber sagen, dass sich die Zeiten geändert haben, heute würde man das ganz anders handhaben als damals. Ich selbst würde mein Kind nie allein verschicken, sondern würde bei ihm sein wollen, wenn es krank ist. Die moderne, zeitgemäße Form der Kinderkur ist daher auch die Mutter- oder Vater-Kind-Kur.

Man fragt sich schon, wie Eltern damals teils erst Sechsjährige allein in die Fremde schicken konnten...

Michael Feiler: Ich halte es für absolut wichtig, dass das Kind eine Bezugsperson dabei hat. Nicht den gesamten Tag über und auch nicht während der Anwendungen. Aber zwischendurch und am Abend sollte die vertraute Person immer wieder als Anker und Ansprechpartner da sein.

Könnte von den Mutter-Kind-Kuren nicht auch Bad Salzuflen profitieren?

Michael Feiler:  Mal kreativ weitergedacht, könnte ich mir sogar Familien-Kind-Kuren vorstellen. Es wäre doch toll, wenn man einerseits einen Patienten hätte, der stationär aufgenommen wird – Vater, Mutter, Kind oder auch Oma oder Opa. Und die übrigen Familienmitglieder erhalten Gesundheitsanwendungen, haben tagsüber ein eigenes Programm. Da könnte man auch spezielle Pakete schnüren.

Kurdirektor und Beigeordneter Michael Feiler vor dem Kurhaus. - © Alexandra Schaller
Kurdirektor und Beigeordneter Michael Feiler vor dem Kurhaus. (© Alexandra Schaller)

Man würde quasi das Touristische mit der Gesundheit verbinden...

Michael Feiler: Diesen Weg gehen Heilbäder schon lange und den könnte man weitergehen. Ob das alles marktfähig und machbar wäre, müsste man natürlich erst prüfen. Das ist jetzt erstmal frei ins Blaue hinein gesponnen. Aber ein Familienurlaub, der auf Gesundheit und Erholung ausgelegt ist, da können wir als Heilbäder gute Angebote machen.

Aber noch einmal zurück speziell zur Kinder- oder zur Mutter- beziehungsweise Vater-Kind-Kur. Sehen Sie die Chance einer Renaissance in Bad Salzuflen?

Michael Feiler:  Das ist immer einer Frage der Partner, die eine solche Kur anbieten könnten. Wenn es da jemanden gibt, der das gut kann und mich überzeugt, dann könnte ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen.

Aber aktuell ist nichts konkret in Aussicht?

Michael Feiler:  Wir arbeiten derzeit nicht explizit daran, das Ganze ist ja auch eine Frage der Kapazitäten und des Bedarfs, den man erstmal ermitteln müsste. Ausschließen will ich aber nichts, man kann das sicherlich im Hinterkopf behalten.

Dafür gibt es andere neue Kur-Angebote, die in den Startlöchern stehen...

Michael Feiler: Wir arbeiten aktuell am Projekt „Auszeit in OWL". Dahinter stecken Kurangebote für pflegende Angehörige. Entweder für diejenigen allein, was wir schon anbieten. Oder aber im Tandemmodell. Heißt: Der Pflegende und der zu Pflegende kommen gemeinsam in den Kurort. Während der zu Pflegende temporär in einer Einrichtung aufgenommen und dort betreut wird, erhält der Angehörige parallel ein Erholungsprogramm. Die beiden treffen sich dazwischen immer wieder, haben auch gemeinsame Programmpunkte. Quasi das gleiche Prinzip wie bei einer Mutter- oder Vater-Kind-Kur.

Wie weit ist man mit der Idee in Bad Salzuflen?

Michael Feiler: Wir sind aktuell mit zwei Partnern dabei, Möglichkeiten zu erarbeiten. Im Juli geht es da in die nächste Runde.

Der Bedarf ist bestimmt riesig.

Michael Feiler: Und er steigt stetig, weil immer mehr Angehörige ihre Lieben pflegen – sie sind eine tragende Säule des Pflegewesens. Mindestens ein Drittel der zu Pflegenden wird derzeit von Angehörigen betreut. Das ist eine riesige Kundengruppe. Und wer zuhause pflegt, der weiß auch, wie anstrengend das ist.

Auf den Zug will Bad Salzuflen aufspringen.

Michael Feiler: OWL soll für dieses Angebot für pflegende Angehörige bekannt werden. In vielen Heilbädern sprießen da aktuell Angebote aus dem Boden, es gibt sie schon in Bad Oeynhausen, Bad Driburg und Horn-Bad Meinberg. Das wollen wir auch schaffen. Wir sind da auf einem guten Weg – auch, wenn wir natürlich noch nicht wissen, wie die Gespräche ausgehen.


Kurdirektor Michael Feiler persönlich

Michael Feiler ist 54 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Söhne. Feiler hat Architektur sowie Stadt- und Landschaftsplanung studiert und arbeitete unter anderem für die Internationalen Bauausstellungen in der Lausitz, in Basel und in Hamburg. Zuletzt war der gebürtige Franke als Geschäftsführer der Tourismus- und Stadtmarketing-GmbH und Kurdirektor in Bad Neustadt an der Saale in Unterfranken tätig.

Seit 1. Oktober 2021 ist er Staatsbad-Geschäftsführer, Kurdirektor und städtischer Beigeordneter für Touristik, Gesundheit und Kultur in Bad Salzuflen.

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2023
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.

Kommentare