Nach Streit um Synagoge in Detmold: Wie es in Salzuflen um die Erinnerungskultur bestellt ist

Bad Salzuflen . In Detmold will der Eigentümer eine ehemalige jüdische Synagoge abreißen und an ihrer Stelle Parkplätze errichten lassen – die Debatte sorgt inzwischen bundesweit für Aufsehen, und sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich eingeschaltet.

Aber wie steht es eigentlich um die jüdische Vergangenheit in Bad Salzuflen? Wie wird hier mit ihren Zeugnissen umgegangen? Frank Meyer (69), früherer Stadtarchivar, ist Experte, wenn es um die jüdische Geschichte geht. Seine Bilanz: Bad Salzuflen ist gut aufgestellt. Aber es gibt durchaus noch Luft nach oben.

Erinnerungskultur ist lebendig Zahlreiche Stätten und Orte erinnern in der Kurstadt an die jüdische Vergangenheit, darunter der jüdische Friedhof an der Werler Straße oder die Gedenkstätte &bdquo;Alte Synagoge“ an der Mauerstraße. Jedes Jahr gibt es hier am 9. November eine Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht, eine weitere zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar in Schötmar. &bdquo;Die Erinnerungskultur ist inzwischen fest in der Salzufler Gesellschaft verankert“, sagt Meyer.

Allerdings: Während in Schötmar Jugendliche bereits gut eingebunden werden, passiert das in der Kernstadt seiner Ansicht nach noch zu wenig. &bdquo;Dafür müssten auch die Lehrer mit ins Boot geholt werden“, sagt Meyer. Denn das große Ganze auf die lokale Ebene herunterzubrechen, das erleichtere einem den Zugang zur Geschichte.

&bdquo;Stolpersteine“ brauchen Pflege 2010 und 2011 sind sogenannte &bdquo;Stolpersteine“ in der Stadt durch Künstler Gunter Demnig verlegt worden. Sie kennzeichnen die letzten frei gewählten Wohnsitze von jüdischen Einwohnern, die durch die Verfolgung der Nazis ihr Leben verloren haben – meist nach Deportation und Ermordung in Vernichtungslagern.

Die Initiative zur Verlegung ging damals vom Salzufler Aktionsbündnis &bdquo;Ratschlag gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ aus. Franz Meyer wünscht sich, dass die Steine besser gepflegt würden. Zeitweise sei das schon mal von Konfirmanden übernommen worden. Aber: &bdquo;Man kümmert sich da insgesamt zu wenig“, sagt er. Seien die kupfernen Steine erst schwarz, fielen sie gar nicht mehr ins Auge. &bdquo;Das müsste man organisieren, vielleicht könnte die Verwaltung das anstoßen“, hofft er.

Die meint auf Nachfrage, dass die Kirchengemeinden und Bürger zur Pflege aktiv mit einbezogen werden sollten.

Ehemalige Synagoge fast vergessen

Wer das Gebäude nicht kennt, läuft vermutlich ahnungslos daran vorbei. Dabei steht in der Aechternstraße 19 in Schötmar eine bedeutende Erinnerungsstätte für die jüdische Vergangenheit der Stadt: Das heutige Wohngebäude ist die ehemalige Synagoge der Schötmaraner Juden, die 1888 nach Plänen des Salzufler Architekten Fritz Seiff im orientalischen Stil errichtet wurde. &bdquo;Das wissen vermutlich selbst die wenigsten Schötmaraner“, glaubt Meyer.

Als das Gotteshaus eingeweiht wurde, zählte die Israelitische Gemeinde Salzuflen-Schötmar 140 Mitglieder, wovon etwa 70 in Schötmar lebten. Bis zur Jahrhundertwende stieg die Zahl auf 85. &bdquo;Schötmar ist damit der Ort in Lippe, der um 1900 den größten Anteil an der jüdischen Gesamtbevölkerung hatte. Nämlich fast drei Prozent“, sagt Meyer. &bdquo;Das ist auch Ausdruck der Lebendigkeit der jüdischen Gemeinde.“

Die Synagoge wurde 1929 saniert, das Kuppeldach damals durch ein Satteldach ersetzt. In der Reichspogromnacht 1938 wurde das Gebäude kontrolliert in Brand gesetzt und die komplette Inneneinrichtung zerstört.

1939 wurde das Haus an einen Salzufler Spediteur verkauft, der hier ein Lager errichten wollte, doch dazu sollte es nie kommen. 1962 wechselte das Gebäude erneut den Besitzer, stand anschließend einige Jahre leer und wurde 1974 zum Wohnhaus umgebaut.

Laut Stadt habe es seit den 1990er Jahren, zu Zeiten des damaligen Bürgermeisters Heinz-Wilhelm Quentmeier (SPD), durchaus Bemühungen gegeben, vor oder am Haus eine Erinnerungstafel anzubringen, auch sei das wiederholt vom Heimat- und Verschönerungsverein angeregt worden. Allerdings konnte man sich mit dem Eigentümer nicht einigen.

Für Franz Meyer wird es endlich Zeit, an die alte Synagoge zu erinnern. &bdquo;Und sei es nur mit den wichtigsten Informationen in Form einer Gedenktafel oder eines QR-Codes auf der anderen Straßenseite, auf öffentlichem Grund“, schlägt er vor. Laut Verwaltung arbeitet der Touristikausschuss nach einem SPD-Antrag aktuell an einem Konzept, um Stadtgeschichte in ganz Bad Salzuflen einheitlich erlebbar zu machen.

In diesem Zusammenhang sollen wesentliche Orte der Stadtgeschichte digital oder mit erklärenden Beschilderungen gekennzeichnet werden. Dabei seien sowohl die &bdquo;Stolpersteine“ als auch jüdischen Erinnerungsorte wie die Synagoge mit eingeplant.

Hat das &bdquo;Priesterhaus“ eine Zukunft?

Mülltonnen stehen vor dem alten Fachwerkhaus, etwas versteckt und fast schon eingezwängt steht das Gebäude in der Schloßstraße 19 a in zweiter Reihe. 1758 wurde das Haus errichtet, das seit 1991 unter Denkmalschutz steht. Besonders die deutsch-hebräische Inschrift auf dem Torbogen ist von hoher kulturgeschichtlicher Bedeutung. &bdquo;Das ist eine einzigartige Kombination, die es nicht so häufig gibt“, weiß Meyer.

Erbaut wurde das Haus von Schlom Itzig, der laut Inschrift zum jüdischen Geschlecht der Tempelpriester gehörte – das Haus wird daher heute im Volksmund auch als &bdquo;Priesterhaus“ bezeichnet. Itzig war ein wohlhabender Korn- und Pferdehändler – nur deshalb war es ihm wohl möglich, in bester Lage direkt am Marktplatz zu bauen.

Das &bdquo;Priesterhaus“ wechselte später zig Mal den Besitzer, steht aber seit Jahrzehnten leer. Laut Meyer gab es einst die Idee, das Gebäude ins Freilichtmuseum Detmold zu versetzen, doch daraus wurde nichts. &bdquo;Es ist extrem schwierig, für das Gebäude die richtige Lösung zu finden“, sagt er. Schließlich nage der Zahn der Zeit immer weiter daran. &bdquo;Ich habe Bedenken, dass es über kurz oder lang zu spät sein könnte.“

Er fordert daher auch die Denkmalbehörde der Stadt auf, sich des Gebäudes anzunehmen. Die wiederum verweist darauf, dass das Denkmalrecht in NRW den Eigentümer verpflichte, Baudenkmäler zu erhalten und soweit erforderlich instand zu setzen. Man habe &bdquo;wiederholt mit den Eigentümern Kontakt aufgenommen, auf diese Verpflichtung und Förderprogramme hingewiesen und Unterstützung bei einer denkmalgerechten Sanierung angeboten.“

Doch das reicht nicht, sagt der jetzige Eigentümer Niclas Krippendorf (28). Dem Immobilienverwalter aus dem Sauerland gehören die Häuser Schloßstraße 19 und 19a seit 2019. Er wolle das &bdquo;Priesterhaus“ unbedingt erhalten. &bdquo;Ich finde es selbst schade, dass der Zustand ist wie er ist“, sagt er. Allerdings scheitere eine mögliche Sanierung an diversen Dingen.

Da sei zum einen die beengte Lage, die es einer Baufirma schwierig mache, überhaupt ans Haus heran zu kommen. Dann sei die Kernsanierung teuer – von einem sechs- wenn nicht sogar siebenstelligen Betrag geht Krippendorf aus. Eine Förderung könne das nur teilweise abdecken.Und nicht zuletzt wären da noch die bürokratischen Hürden.

Denn um das Haus in eine Wohn- oder Gewerbenutzung zu bringen, müsste sich im Inneren einiges verändern – und seien es nur die niedrigen Deckenhöhen. &bdquo;Es muss zeitgemäß werden, während die Grundsubstanz erhalten bleibt“, sagt der Eigentümer. Doch die Auflagen seitens des Denkmalamtes seien hoch. &bdquo;Ein Entgegenkommen würde helfen.“ Aktuell sei daher keine Sanierung geplant. Krippendorf habe das Projekt aber im Hinterkopf.

Erinnerung muss bewahrt werden Eines steht für Franz Meyer fest: In Lippe gibt es eine sehr lebendige Erinnerungskultur. &bdquo;Überall sind Menschen vor Ort aktiv und versuchen, die Erinnerungskultur am Leben zu halten und sie auch immer wieder mit neuem Leben zu füllen.“ Er hofft, das auch künftig neue Akzente gesetzt werden. Und dass die Bemühungen in Detmold Erfolg haben und die dortige alte Synagoge erhalten bleibt. &bdquo;Wir müssen uns fragen, was uns die Zeugnisse der Geschichte wert sind“, sagt Meyer. &bdquo;Und ob Gemeinnutz in diesem Fall nicht vor Eigennutz geht.“

Er hofft, dass die Erinnerungen auch künftig gewahrt werden – das sei für das Selbstverständnis eines Landes, einer Stadt und der Bürgerschaft enorm wichtig. &bdquo;Es ist wichtig, aktiv zu bleiben und Akzente zu setzen.“

Broschüre Die Broschüre &bdquo;Spuren jüdischen Lebens“ wurde 2010 vom Salzufler Stadtarchiv und dem Heimat- und Verschönerungsverein herausgegeben. Das Heft nimmt die Leser mit auf zwei Stadtrundgänge durch Salzuflen und Schötmar und stellt Gebäude und Bewohner samt ihrer Geschichte und der jüdischen Vergangenheit vor. Das Heft gibt es im Buchhandel und im Stadtarchiv.

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