Festnahme: Bad Salzufler stellt Trickbetrügerin vor dem Landgericht Bielefeld

Bad Salzuflen. Diesen Tag wird Roland Scholz wohl nicht so schnell vergessen. Es ist der 16. Juli, als der 80-Jährige der Polizei hilft, die Komplizin einer Betrügerbande festzunehmen. Es geht um einen vermeintlichen Unfall mit Todesfolge, 40.000 Euro, einen Zettel mit einem Hilferuf und einen auf der Rückbank versteckten Polizisten.

Gut drei Wochen nach dem Ereignis öffnet Roland Scholz dem Reporter die Tür: kurzärmeliges Hemd, kurze Hosen, sportliche Erscheinung. Er bittet in den Wintergarten, von dem aus man einen schönen Blick ins Grüne hat. &bdquo;Nach dem Vorfall habe ich abends hier zweimal kontrolliert, ob alles abgeschlossen ist“, sagt er und lacht.

Aber von Anfang an. So hat er den bewussten Tag erlebt: Es ist ein Dienstag, als nachmittags das Festnetztelefon klingelt. &bdquo;Ich kam gerade vom Einkaufen und hatte die Tüten noch in der Hand“, erinnert er sich. Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein Mann, der sich als Polizist vorstellt und tadelloses Deutsch spricht.

Sohn festgenommen Seine Story: Man habe den Sohn von Scholz festgenommen. Er habe einen schweren Unfall verursacht, bei dem eine Frau tödlich verletzt worden sei. &bdquo;Sie haben einen Ort in Süddeutschland genannt, in dem mein Sohn tatsächlich beruflich zu tun hatte“, sagt Scholz. Im Hintergrund habe er einen Mann schluchzen gehört: &bdquo;Papa, hilf mir“, hat er gerufen, sagt Scholz. Die Stimme sei die seines Sohnes (44) gewesen, so habe er es in der Situation wahrgenommen.

Dann bauen die Kriminellen ihr Ganovenstück auf. In Kürze: Wenn Scholz 40.000 Euro Kaution bezahle, könne sein Sohn zunächst auf freien Fuß gesetzt werden. Die Geschichte wird noch dramatischer: Die bei dem angeblichen Unfall getötete Frau sei eine alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Kindern gewesen, die nun bei ihren Großeltern aufwachsen müssten.

Man werde alles mit dem Staatsanwalt und dem Gericht klären, damit sein Sohn dennoch freikäme. &bdquo;Sie haben mir sogar gesagt, meine Schwiegertochter habe auch schon einen Teil der Summe bezahlt“, sagt Scholz. Und weiter: &bdquo;Ich wurde gefragt, ob ich Bargeld zu Hause hätte, ob ich einen Tresor hätte, ob ich Schmuck hätte.“

Das sei der Moment gewesen, als er sich gedacht habe, dass irgendetwas nicht stimmt. &bdquo;Die Polizei würde mich doch nicht nach Schmuck fragen“, sagt er. &bdquo;Sie haben mir gesagt, ich solle nicht auflegen, im Zuge des Gesprächs habe ich mit verschiedenen Männern gesprochen, die sich als Polizisten oder Staatsanwalt vorstellten.“

Das Ziel der Kriminellen ist offenbar, ihrem Opfer keine Zeit zum Nachdenken zu geben und zu verhindern, beispielsweise die Nummer seines Sohnes zu wählen, um zu hören, ob wirklich etwas passiert ist.

Im Fall von Scholz haben sie trotzdem keinen Erfolg. Je länger das Gespräch dauert, desto sicherer ist er sich, dass es sich um einen Betrugsversuch handelt. Er entschließt sich, mitzuspielen. &bdquo;Ich habe gesagt, dass ich zur Bank fahren muss, um das Geld zu holen.“ Die Gangster lassen sich seine Handynummer geben und rufen sofort an. &bdquo;Ich sollte das Handy die ganze Zeit angeschaltet lassen“, erinnert sich Scholz.

Banker spielen mit In der Bank schreibt er einen Zettel für die Mitarbeiter, die sollen die Polizei holen. &bdquo;Außerdem habe ich gestikuliert, dass ich nicht sprechen kann und dass jemand über das Handy mithört.“ Die Banker spielen mit. Der Filialleiter habe laut und deutlich gesagt, so viel Geld habe er nicht ad hoc zur Verfügung, da müsse er erst telefonieren. &bdquo;In einem Nebenraum hat der dann die Polizei angerufen“, so Scholz.

Die Polizei sei zügig angerückt. Die Verständigung mit den Beamten verläuft lautlos. Mit den Betrügern macht Scholz aus, das Geld zum Landgericht Bielefeld zu bringen. Ausgerechnet. &bdquo;Dort würde es dann ein Richter draußen entgegennehmen.“ Ein Polizist versteckt sich lautlos auf der Rückbank, Scholz fährt nach Bielefeld, die Gangster immer am Ohr.

Am Landgericht angekommen, heißt es, der Richter habe keine Zeit, die Sekretärin werde das Geld entgegennehmen. &bdquo;Es kam dann eine Frau mit einem schwarzen Hut, den sie tief ins Gesicht gezogen hatte“, so Scholz. Sie stellt sich an die Seitenscheibe seines Autos, das sie anhand des Kennzeichens erkennt, das er den Gangstern durchgegeben hat.

Scholz: &bdquo;Der Polizist stieg auf der entgegengesetzten Seite aus, sie war offenbar auch aufgeregt und bekam das nicht mit.“ Als sie das Geld entgegennehmen will, klicken die Handschellen. &bdquo;Auf einmal kamen von überall Polizisten“, so Scholz. Bei der festgenommenen Frau handelt es sich um eine 38-Jährige aus Polen.

&bdquo;In der Nacht danach lag ich bis morgens wach“, sagt Scholz, alles lief noch mal vor seinem Auge ab. Es habe sich herausgestellt, dass seine Schwiegertochter kein Geld an die Bande gegeben hatte. Es sei alles Teil der Story gewesen.

Scholz hat ein Anliegen: &bdquo;Ich würde mir wünschen, dass noch mehr über diese Betrugsmasche aufgeklärt wird.“ Dass er seine Geschichte erzählt, soll die Menschen warnen. &bdquo;Es war alles so perfekt gemacht, man unterschätzt das.“

Internetrecherche Unsere Redaktion hat bei der Polizei Lippe nachgefragt, wie die Täter an ihre Infos kommen. &bdquo;Viel läuft über Internetrecherche“, sagt Pressesprecher Yannick Thelaner. Dort ließen sich familiäre Verbindungen finden und auch Berufe.

Wie ist die Stimme des vermeintlichen Sohnes zu erklären, die Scholz so vertraut vorkam? &bdquo;Das ist häufig eine Stressreaktion seitens des Opfers, man erwartet die Stimme und meint, sie dann auch zu hören.“ Natürlich könne auch künstliche Intelligenz eingesetzt werden, mit der Stimmen nachgeahmt werden. &bdquo;Aber das ist schon sehr aufwendig. In der Regel bereiten sich die Täter zwar vor, aber nicht so intensiv. Sie rufen wellenartig viele Menschen an und hoffen, dass die Masche bei einigen verfängt.“

Und wie stehen die Chancen, die Hintermänner zu stellen? Das sei zweifellos eine große Herausforderung, so Thelaner. &bdquo;Da sie oft im Ausland operieren und nur selten direkten Kontakt zu den sogenannten Läufern haben. Dennoch gelingt es uns durch intensive und ausdauernde Ermittlungsarbeit immer wieder, Hintermänner zu identifizieren und festzunehmen.“

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