Schwimmeister im Bega-Bad über Stress, Nichtschwimmer und Gäste, die nur nach sich gucken

Bad Salzuflen. Zur Halbzeit der Freibadsaison haben wir mit Sven Prochnow gesprochen. Der Badebetriebsleiter der Stadtwerke Bad Salzuflen erzählt von stillen Beobachtungen, überraschenden Erlebnissen und den Eigenheiten des Freibadalltags im Bega-Bad.

Herr Prochnow, was verrät Ihnen die Art, wie jemand ins Wasser springt, über den Charakter? Gibt es Verhaltensmuster, die Sie immer wieder beobachten – bei Jugendlichen, bei älteren Stammgästen oder bei Familien?

Sven Prochnow: Selbst wenn ich mit dem Rücken zum Becken stehe, höre ich schon beim Aufprall im Wasser, ob es ein junger oder älterer Mensch ist. Jüngere sind dynamischer, ältere meist vorausschauender und springen – wenn überhaupt – mit einem gesitteten Fußsprung ins Becken. Ich kann auch hören, ob es sich um einen routinierten Schwimmer oder um einen Schönwetterbader handelt.

Welche Veränderungen im Verhalten der Badegäste haben Sie in den letzten Jahren festgestellt? Hat sich der Umgang miteinander verändert, zum Beispiel seit der Pandemie?

Sven Prochnow: Vor allem nach der Pandemie habe ich eine gewisse Dankbarkeit wahrgenommen, dass es wieder möglich ist, ohne Auflagen zu schwimmen. Die Leute waren sehr strukturiert und vermutlich noch aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie daran gewöhnt, sich an Regeln zu halten. Das ist aber wieder vorbei, die Dankbarkeit hat sich ausgeschlichen.

Wie nehmen Sie das wahr?

Sven Prochnow: Zum einen sind die Leute dem Anschein nach immer gestresst – selbst bei einer Freizeitbeschäftigung wie dem Besuch des Freibads. Zum anderen geht es frei nach Trump zwar nicht um &bdquo;Make America great again“, aber darum, dass jeder nur nach sich selbst guckt. Das ist das Einzige, was zählt.

Wie äußert sich das?

Sven Prochnow: Wenn zum Beispiel versehentlich ein fremder Ball die eigene Decke streift, wird er nicht zurückgeworfen, sondern es wird geschimpft und gemeckert – den Ball lässt man einfach wegrollen.

Gibt es eine Tageszeit, zu der das Becken für Sie am schönsten ist – und warum? Welche Rolle spielen dabei Licht, Geräusche oder die Stimmung unter den Besuchern?

Sven Prochnow: Ich mag die Morgenstunden. Wenn Ende August, Anfang September der Frühnebel auf der Wiese liegt und die ersten Sonnenstrahlen auf den Rasen fallen, ist das ein Moment der Entspannung. Wir nennen das unsere 30 Minuten Wellness.

Was war Ihr bisher unerwartetster Moment in dieser Saison?

Sven Prochnow: Das ist erst ein paar Tage her. Da war ein Stellmotor defekt und in der Folge ist die Wassertemperatur auf 29 statt der üblichen 26 bis 26,5 Grad gestiegen. Da haben sich Leute beschwert, dass es zu warm ist. Dass Leuten das Wasser zu warm ist, habe ich im Freibad in meiner fast 27-jährigen Karriere noch nie erlebt (lacht).

Wie verändert sich Ihre Wahrnehmung des Freibads, wenn es leer ist? Gibt es Momente der Stille, die Sie besonders schätzen?

Sven Prochnow: Wenn es leer ist, gibt mir das die Möglichkeit, mich um die Büroarbeit zu kümmern. Dazu komme ich natürlich nicht, wenn wir Tage mit 38 Grad haben und 2.500 Gäste da sind. Da bin ich dann wie alle anderen aus meinem Team den ganzen Tag am Wasser – da bin ich nicht Chef, sondern an der Schippe (lacht).

Welche Herausforderung an Ihrem Beruf wird Ihrer Meinung nach oft unterschätzt? Was nehmen Außenstehende kaum wahr, obwohl es für Ihre Arbeit zentral ist?

Sven Prochnow: Den psychischen Stress. Wenn es zum Beispiel 14 Tage durchgehend regnet, kann das nervenzerreißend sein. Man fragt sich, warum man das alles gemacht hat – die ganze Vorbereitung, die Arbeit, die man in die Saison gesteckt hat – und dann regnet es und niemand kommt. Umgekehrt steht man an Spitzentagen die ganze Zeit unter Volldampf. Was viele nicht wissen: Wir haben hier ein Zweischichtsystem, das die Zeit von 6 bis 22 Uhr abdeckt. Das kann auch belastend sein, zumal wir dann arbeiten, wenn andere frei haben – an Wochenenden und Feiertagen in der Saison.

Und nach der Freibadsaison kommt die Hallenbadsaison im Lohfeld-Bad.

Sven Prochnow: Ja, man ist sozusagen immer vor der Saison. Während der Freibadsaison bereitet man die Hallenbadsaison vor und umgekehrt. Man denkt immer knapp ein halbes Jahr voraus – das gehört zum Geschäft. Und es gibt noch etwas, was mich stresst. Das fällt mir gerade ein.

Das wäre?

Sven Prochnow: Dass es immer mehr Nichtschwimmer gibt. Der Anteil steigt seit Jahren. Das bedeutet auch, dass diese Menschen sich nicht selbst helfen können, wenn sie im Wasser in eine brenzlige Situation geraten.

Worauf führen Sie die steigende Zahl an Nichtschwimmern zurück?

Sven Prochnow: Das hat sicher auch damit zu tun, dass die Zahl der Schwimmbäder in Deutschland kontinuierlich sinkt, es also weniger Möglichkeiten gibt, das Schwimmen zu lernen. Anfang 2000 gab es noch um die 9.000 Schwimmbäder in Deutschland – heute sind es um die 7.000. Das sind 2.000 weniger. In der Konsequenz steigt die Zahl der Badetoten seit Jahren an. Das betrifft nicht die Freibäder – aber die Menschen ertrinken in Baggerseen und Flüssen.

Wenn Sie für einen Tag die Musik im Freibad bestimmen dürften – welche Songs würden laufen und warum?

Sven Prochnow: Das wären die Sommerhits der vergangenen 30 Jahre, von &bdquo;Bacardi Feeling“ von Kate Yanai bis hin zu &bdquo;The Ketchup Song“ von Las Ketchup. Ich bin musikalisch sehr breit aufgestellt – meine letzten Konzerte waren Ronan Keating, Rammstein und Casper.

Letzte Frage: Welcher Badegasttyp macht Ihnen die größte Freude?

Sven Prochnow: Ach, das sind immer noch Kinder, die lachen.

Persönlich: Sven Prochnow hat mit 16 Jahren angefangen, als Rettungsschimmer in Freibädern zu jobben. Nach einer Ausbildung als Automechaniker hat er 2002 im Ruhrgebiet eine Lehre zum Fachangestellten für Sport- und Bäderbetriebe gemacht. Seit 2022 arbeitet der heute 43-Jährige bei den Stadtwerken Bad Salzuflen. Seine Hobbys sind Konzerte zu besuchen und sein Meerwasseraquarium.

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