Interview: Das hat Dirk Tolkemitt noch mit Bad Salzuflen vor

Bad Salzuflen. Er persönlich nennt ihn &bdquo;Wohlfühlort“: Bad Salzuflens Bürgermeister Dirk Tolkemitt hat sich für das LZ-Interview ein schattiges Plätzchen im Kurpark neben dem Wahrzeichen des Staatsbads, dem Brunnentempel, ausgesucht. Seit dem 1. November 2020 ist der heute 61-Jährige Stadtoberhaupt von Bad Salzuflen. Und das will er auch bleiben. Doch wie sieht er die vergangenen fünf Jahre, und was treibt ihn weiter an? Dazu nimmt er im Interview Stellung.

Macht das Bürgermeistersein Spaß? Dirk Tolkemitt: Wenn das keinen Spaß machen würde, könnte man es nicht tun. Aber man kann den Job wirklich nur machen, wenn es einem überwiegend Spaß macht. Sonst muss man es sein lassen.Welche Momente sind es, wo Sie sagen, das will ich so nicht haben?Zuerst sind das für mich die Dinge, wenn es nicht mehr demokratisch zugeht. Wenn sich zum Beispiel Menschen wie beim Gedenken zum Volkstrauertag in Bad Salzuflen quasi mit einem Hitlergruß vor andere Leute stellen, dann hört es für mich auf. Richtig ärgerlich wird es auch, wenn Menschen andere diskriminieren und diskreditieren, wenn über soziale Medien Sachen ausgeschrieben werden, die nicht stimmen, die wirklich Lügen sind und man einfach besser nicht darauf reagiert, weil man es dadurch nicht besser macht.

Was gehörte zu den Lernprozessen für Sie in den vergangenen fünf Jahren? Zum Beispiel die Fähigkeit, Menschen bei Entscheidungen mehr mitzunehmen? Nein, das konkret glaube ich eigentlich nicht, weil ich seit 1990 in verschiedenen Führungsaufgaben tätig bin, die es auch immer verlangt haben, Menschen mitzunehmen. Das, was ich allerdings in den vielen, vielen Jahren gelernt habe - auch seit 1985 in der Kommunalpolitik - ist: Führungskraft zu sein, heißt auch, Entscheidungen zu treffen, wenn ich nicht 100-prozentige Zustimmung bekomme. Ich denke, dass eine Schwierigkeit in Bad Salzuflen in der Vergangenheit war, dass man keine Entscheidungen getroffen hat, weil man es nicht allen recht machen konnte. Ich weiß gerade nicht, wer es war, aber jemand hat mal gesagt: Es ist nicht die Aufgabe eines Politikers, die populären Dinge zu tun, sondern die richtigen.

Auf was sind Sie in der fast abgelaufenen Wahlperiode besonders stolz?

Besonders stolz bin ich darauf, dass es gelungen ist, auch in der Stadtverwaltung ganz viele Menschen dazu zu motivieren, bei der enormen Schlagzahl, die wir in den vergangenen fünf Jahren an den Tag gelegt haben mitzumachen, um die Stadt anders zu gestalten und ihren Gestaltungsspielraum besser zu nutzen.

An welchen konkreten Beispielen machen Sie das fest?

Also wir haben das Staatsbad ins Haus integriert, wo alle gesagt haben, nein, wir brauchen unbedingt eine eigenständige Staatsbad GmbH. Aber jetzt zeigt sich ganz deutlich, dass wir aus einem Guss denken, Stadt und Tourismus denkt in einem. Das waren vorher zwei Einheiten, die sich in herzlicher Abneigung zugetan waren. Wir haben die Gebäudewirtschaft eingeführt, wo wir alle Immobilien jetzt tatsächlich in einer Einheit strukturieren und sehen, dass wir jetzt endlich auch die Dinge fertig bekommen.

Was ist schiefgegangen in den vergangenen fünf Jahren?Aus meiner Sicht ist relativ wenig schiefgegangen, außer vielleicht in der Frage, dass ich eine andere Auffassung davon habe, ob man Ortsausschüsse braucht oder nicht. Ich habe stets erlebt, dass die Menschen für konkrete Projekte - zum Beispiel in Dorfwerkstätten - viel mehr Energie entwickeln. Letztendlich hat die Politik mehrheitlich die Entscheidung getroffen, das alte Ortsausschuss-Modell weiterzuführen. Das ist Demokratie, das muss man anerkennen.

Gesetzt den Fall, Sie werden wiedergewählt: Werden Sie das Thema Ortsausschüsse noch mal anpacken?

Nein, das werde ich keinesfalls tun. Das darf der neue Rat entscheiden.Sie haben 2020 Ihrer Kandidatur-Kampagne vorangestellt, dass &bdquo;Bad Salzuflen mehr kann“. Was kann Bad Salzuflen 2025 mehr als 2020?2025 können wir Veranstaltungen mehr als vor fünf Jahren. Mit dem neuen Kurhaus werden wir in einer Top-Lage über ein Kongress- und Veranstaltungszentrum verfügen, was es lang nicht mehr in Bad Salzuflen gab. Wir können mehr Gesundheit, weil wir mit dem Bau des Ärztehauses an der Parkstraße eine Menge erreichen werden, was Zukunftsfähigkeit von Medizin, und zwar nicht Krankenhausmedizin, sondern tatsächlich im niedergelassenen Bereich betrifft. Wir können auch mehr Ortsteile. Wir haben ja im Leader-Projekt jetzt die erste Förderperiode, sodass wir in fünf Jahren sehen werden, was das auch in den Ortsteilen bewirkt. Wir werden mit den Sport- und Spielstättenkonzepten, die wir aufgebaut haben, deutlich mehr für Familien machen können - auch für den Sport und insbesondere für das Ehrenamt. Bei all dem zahlt sich aus, dass wir uns am Anfang der jetzigen Wahlperiode strategische Stadtziele gesetzt haben.

Viel mehr Gäste als 2020 hat Bad Salzuflen in der Zwischenzeit aber nicht angelockt...

Auch der Tourismus wird sich weiterentwickeln. Mit der Ansiedlung des Thermenhotels haben wir auch noch mal in den Bereichen einen richtigen, richtigen Schwung. Den Fürstenhof haben wir im Übrigen jetzt den Kaufvertrag unterzeichnet, sodass es da jetzt auch weitergehen wird. Mitte 2028 werden wir wieder über ein Vier-Sterne-Plus-Hotel verfügen. Und wir sind die einzige Kommune wahrscheinlich in ganz Nordrhein-Westfalen, die aktuell mehr Kita-Plätze vorhält, als an Nachfrage da ist. Wir können jedem Kind einen Kita-Platz anbieten.

Sie haben die Ortsteile gerade angesprochen. Könnten Sie nachvollziehen, dass die Schötmaraner sich von dieser Entwicklung noch abgehängt fühlen? Sprich, dass der Masterplan für den Ortsteil hinkt?Nein, überhaupt gar nicht. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und aufgeschrieben, was wir allein nur in den vergangenen fünf Jahren für Schötmar gemacht haben - zum Beispiel den neuen Kirchplatz. Und die beiden Quartiershausmeister sind, denke ich, ein weiteres sichtbares Zeichen geworden. Dazu werden die Schötmaraner mit der neuen Festhalle wieder einen Ort der Begegnung bekommen. Der Hit-Markt baut im Übrigen neu, und der Vorplatz an der Schloßstraße wird auch aufgehübscht. Den vollendeten und zukünftigen Projekten steht die finanzielle Situation der Stadt gegenüber. Die ist immer schlechter geworden, und auch die Perspektive ist ja eher düster. Wird man dieses Tempo der Erneuerung auch vor dem Hintergrund weiterführen können?

Auf dem hohen Niveau, auf dem wir es im Moment spielen, und das sind ja deutlich mehr als 100 Millionen Euro Invest, die wir in der Umsetzung haben jetzt, wird man das wahrscheinlich nicht fortsetzen können. Es sei denn, das Land Nordrhein-Westfalen steht zu dem, was es eigentlich immer andeutet, die Kommunen ausreichend zu finanzieren. 2008 hat das Land mal den Fördersatz der Kommunen von 28 Prozent Beteiligung am Steuervolumen runter genommen auf 23. Und das ist eigentlich das, was allen Kommunen fehlt und wo es ja auch Kolleginnen und Kollegen von mir gibt, die sagen, ich mache den Job nicht mehr, weil ich gar keine Handlungsfähigkeit mehr habe.Was sind Ihre Ziele für die neue Wahlperiode, falls Sie gewählt werden?

Eigentlich das genau fortsetzen, was ich vor fünf Jahren begonnen habe. Also die strategischen Ziele wirklich in die Umsetzung bringen. Wohnen wird eins der ganz großen Themen in den nächsten fünf Jahren werden. Mit der Erweiterung des Südfelds in Knetterheide und mit der eigenen Wohngenossenschaft, die wir jetzt gegründet haben.

Mit vielleicht auch mit dem Britenviertel?

Auch mit dem Britenviertel. Wir werden uns der Siedlung in der nächsten Zeit städtebaulich annehmen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, auch dieses Quartier weiterzuentwickeln.Aber wo bleiben dann die Flüchtlinge, die aktuell noch dort untergebracht sind?

Ich glaube, dass man einen Mix finden muss aus Flüchtlingsunterkunft und ganz normalem Wohnen. Oder andersherum: Die Flüchtlinge, die da sind und die dann dauerhaft bei uns bleiben, brauchen einen verlässlichen Wohnraum.Wird die kommende, wenn Sie denn gewählt werden, Ihre letzte Amtsperiode oder könnten Sie sich vorstellen, ab 2030 noch mal fünf Jahre dran zu hängen?

Nein, ich habe für mich vor langer Zeit entschieden, mit dann 66 Jahren aufzuhören. Und es gehört einfach zur Ehrlichkeit dazu, zu sagen, ich mache jetzt die fünf Jahre, und ich stecke wie jetzt auch 100 Prozent meiner Kraft da rein. Aber weitere fünf Jahre wären zu viel.Sie haben einen Wunsch für Bad Salzuflen frei, völlig losgelöst von finanziellen oder sonstigen Zwängen. Was wäre das?Mein Wunsch wäre, dass alle Menschen in Bad Salzuflen, die so eine tolle Stadt haben, auch den Blick dafür bekommen.

Persönlich Dirk Tolkemitt ist 61 Jahre alt, verheiratet, lebt in Kalletal-Stemmen und hat drei Söhne. Studiert hat er Verwaltungswirtschaft an der Hochschule des Bundes in Köln und Dieburg und war anschließend Referent der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach gut 17 Jahren bei der Deutschen Post AG war Tolkemitt seit 2007 Kämmerer und Erster Beigeordneter der Stadt Lemgo. Seit 1982 ist er CDU-Mitglied, war unter anderem Vorsitzender der CDU Kalletal und engagierte sich in der Kreispolitik sowie in der Verbandsversammlung des Landesverbandes. Seit dem 1. November 2020 ist er Bürgermeister von Bad Salzuflen.

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