Was passiert mit dem Blomberger Stadtwald?

Blomberg . Die kahlen Flächen sind unübersehbar: Aus dem Blomberger Stadtwald ist eine Art Flickenteppich geworden. Stürme, die Dürre und der Borkenkäfer haben der einstigen Pracht zugesetzt. Fragt sich: Wohin geht die Reise? Hier scheiden sich in der Blomberger Politik die Geister.

Die Verwaltung hatte einen schonungslosen Bericht über den Zustand des Waldgebietes vorgelegt: Gut ein Drittel der Gesamtfläche ist schwer geschädigt. &bdquo;Wir werden in den nächsten Jahren richtig investieren müssen, wenn wir den Wald erhalten wollen", sagt dazu Bürgermeister Christoph Dolle, der gleichzeitig Betriebsleiter der Stadtforst ist. Es sei eine Investition in die Zukunft, deren Früchte erst in 40 bis 50 Jahren sichtbar würden. Allein in den kommenden zehn Jahren müsse die Stadt etwa 1,2 Millionen Euro in die Wiederaufforstung investieren.

Diese Investition stellen die Blomberger Grünen in Frage, auch wenn sie sich anscheinend intern auch nicht ganz einig sind: &bdquo;Das Geschäftsmodell Stadtforst trägt nicht mehr", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Timo Broeker . Hier würden Defizite produziert, die – wenn überhaupt – erst in den nächsten Generationen ausgeglichen werden könnten. Niemand wisse, wie sich das weiterentwickeln werde. Beispielsweise seien die jungen Douglasien, die im vergangenen Jahr gepflanzt worden seien, vertrocknet. &bdquo;Das heißt also, diese Investition ist mit einem hohen Risiko behaftet." So pauschal lässt der Bürgermeister das nicht stehen: &bdquo;Wir haben im vergangenen Jahr 80.000 Setzlinge gepflanzt, von denen zwischen 5000 und 10.000 wegen der Trockenheit nicht angegangen sind."

"Nichts tun ist keine Option"

Gleichwohl meint Broeker , man müsse die Flächen vielleicht sich selbst überlassen und warten, bis der Wald sich von selbst entwickle. &bdquo;Wir wollen Wald, keinen Forst." Wie berichtet, fordern die Grünen eine breitere Diskussion. &bdquo;Die Strategien von früher sind heute nicht mehr durchführbar", sagte Fraktionschefin Kathrin Versen dazu in der jüngsten Ratssitzung. Man müsse versuchen, ganz neu und auf Basis der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu denken, statt mit den Investitionen vollendete Tatsachen zu schaffen. Der Vorschlag, den Investitionsplan für die Wiederaufforstung zunächst aus dem Wirtschaftsplan herauszunehmen, verfing allerdings bei den anderen Fraktionen nicht. &bdquo;Ich finde es nicht nötig, das alles noch einmal aufzurollen", sagte beispielsweise SPD-Fraktionschef Günther Borchard .

Der Betriebsausschuss habe sich eingehend damit befasst und von der Forstabteilung des Landesverbandes informieren lassen. Wie die SPD in einer Pressemitteilung dazu betont, spricht sie sich gegen den von den Grünen geforderten Investitionsstopp im Stadtwald aus. &bdquo;Unter Zuhilfenahme von Förderprogrammen soll der Stadtwald sukzessive klimarobuster umgebaut werden. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Fragen. Mit heutigen Entscheidungen wird de facto entschieden, wie der Wald in fünf, sechs, sieben Generationen aussieht. Nichts zu tun – wie die Grünen es fordern – ist für uns keine Option."

Gleichwohl verspricht Bürgermeister Christoph Dolle (SPD), dass eine intensive Debatte über die langfristige Forstentwicklung noch folgen werde, wenn im Mai das Forstentwicklungswerk beraten werde. Dieses Werk enthält einen Zehn-Jahresplan auf Grundlage einer genauen Bestandsaufnahme und wird von einem externen Büro erstellt. Im April soll es vorliegen. &bdquo;Wir werden auf dieser Basis eine politische und gesellschaftliche Debatte darüber führen", versichert Christoph Dolle. Bis dahin ist die Stadtforst allerdings nicht untätig. &bdquo;Wir versuchen, ganz unterschiedliche Baumarten anzupflanzen", sagt Förster Stephan Radeck. &bdquo;Baumhasel, Roteichen, Stieleichen, Hainbuchen gehören dazu." Mit einer so genannten Trupp-Pflanzung werden freie Flächen punktuell mit Baumgruppen bepflanzt, dazwischen können sich &bdquo; leichtsamige " Baumarten wie Erlen, Birken, Weiden und Pappeln ansiedeln. Ein höherer Aufwand, aber ein Kompromiss zwischen strengen Monokulturen und reinem Wildaufwuchs.

Solch ein Kompromiss, aber auch die Weiterentwicklung und nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes auf Grundlage neuester Erkenntnisse ist es auch, was die Liberalen befürworten, sagt Fraktionschef Hans-Adolf Albrecht: &bdquo;Den Wald einfach nur sich selbst zu überlassen, kommt für uns nicht in Frage." Er sieht auch diese Unterscheidung zwischen Forst und Wald in Blomberg nicht: &bdquo;Für die Menschen ist das immer noch der Blomberger Stadtwald."

Finanzen der Stadtforst

Zwischen 2010 und 2017 lagen die Gewinne der Stadtforst bei insgesamt 735.000 Euro, 2012 und 2015 flossen insgesamt 250.000 Euro Überschüsse ins Stadtsäckel. 2018 und 2019 gab es insgesamt einen Jahresverlust von 182.000 Euro. Das Stammkapital von 511.000 Euro wird jährlich mit 6 Prozent verzinst, das heißt, 30.000 Euro gehen pro Jahr ebenfalls in die Stadtkasse. Die Rücklage beträgt 8,19 Millionen Euro, das ist aber eher eine rechnerische Größe.

"Die Mischung macht's"

Ein Kommentar von Marianne Schwarzer

Wald statt Forst fordert der stellvertretende Fraktionschef der Grünen. Das Geschäftsmodell des Stadtforstes sei nicht mehr tragfähig, meint Timo Broeker und propagiert einen sich selbst überlassenen Urwald als Modell der Zukunft, um die Artenvielfalt zu fördern. Dabei verkennt er, dass Forst nicht gleich Forst ist.

Eine behutsame Wiederaufforstung mit unterschiedlichsten Laubbaumarten, durchzogen von Wildwaldbeständen, ist etwas vollkommen anderes als eine flächendeckende Monokultur aus Fichten, wie sie nach dem Krieg auch in Lippe entstanden sind. Die Fichte war immer attraktiv, weil sie schnell wächst und als gefragtes Bauholz guten Ertrag bietet. Doch nun macht sie schlapp, das Problem scheint sich also langfristig zu erledigen – die Douglasie könnte eine Lösung sein, wenn sie denn angeht.

Immer mehr Experten plädieren für Mischwald, der einerseits in der Bewirtschaftung arbeitsintensiver ist, andererseits aber das Risiko minimiert. Hier neue Wege zu gehen wird Zeit, Geduld und Mut brauchen. Das lässt sich nicht nur kaufmännisch betrachten. Der Wald ist ein Gemeinschafts- und Kulturgut, und dessen Zukunft muss auf breiter Ebene diskutiert werden.

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