Helmut Lehmann aus Donop erlebt auf seiner Flucht Hass und Vergewaltigung

Blomberg-Donop. Über den Zweiten Weltkrieg, die Niederlage Deutschlands und die Flucht aus dem Osten und die Erlebnisse währenddessen wurde jahrzehntelang nur wenig gesprochen. Jetzt, wo diejenigen, die zu jener Zeit Kinder waren, zu den Senioren gehören, bricht sich die Erinnerung bei vielen Bahn. Helmut Lehmann (85) ist ein Flüchtlingskind. Für die Familie hat der langjährige Donoper SPD-Ratsherr, Ortsvorsteher und Fußballtrainer nun seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. &bdquo;Rückblick auf mein bewegtes Leben“ lautet der Titel.

Panzer überrollt Flüchtlingswagen Es ist der Krieg in der Ukraine, der Helmut Lehmanns eigene Kriegserinnerungen immer wieder hochkommen lässt: &bdquo;Ich musste miterleben, welchen Hass und welche Brutalität das Kriegsgeschehen auslöste“, berichtet er. Gerade mal sechs Jahre alt war er, als er mit ansehen musste, wie ein sowjetischer Panzer über einen Flüchtlingswagen mit vorgespannten Pferden einfach hinweg fuhr. Nicht die einzige Gräueltat zu jener Zeit.

Etliche Bilder, auch aus der frühen Kindheit, sind Lehmann geblieben. Erstaunlich. Viele Flüchtlinge aus Ostpreußen und Pommern haben noch nicht einmal diese Erinnerungsstücke mitnehmen können. Lehmann erinnert sich an den Strom von Menschen aus Ostpreußen, die auf dem Weg gen Westen 1944 an dem damaligen Gutshof seiner Familie vorbei kamen und aus der Gulaschkanone versorgt wurden. Der kleine Helmut, 1939 als viertes von fünf Kindern in Stolp (Pommern, Kreis Lauenburg) geboren, erlebte bis dato eine glückliche Kindheit auf dem Land. Der Gutshof &bdquo;Klein Wunneschin“, den der Vater bewirtschaftete, bot viele Möglichkeiten.

Doch mit der Freiheit und der Unbeschwertheit war es vorbei, als die Familie im März 1945 flüchten musste - die Rote Armee rückte auf den kleinen Ort vor. Mit Sack und Pack ging es auf einem Pferdegespann Richtung Danzig. Doch weit kamen die Flüchtenden nicht, bis sie die Rotarmisten einholten: Vier Pferde und der Pkw des Vaters seien konfisziert worden, erinnert sich Lehmann.

Vor den Sowjets versteckt Die Familie habe nach Lauenburg zurückkehren müssen und sei von Freunden aufgenommen worden: &bdquo;Doch ständig kamen russische Soldaten und plünderten und verlangten nach Frauen“, erinnert sich Lehmann. Einmal habe sich seine Patentante Lite bei ihm im Bett versteckt, um nicht verschleppt und vergewaltigt zu werden - genutzt habe es nichts, sie wurde entdeckt.

Später startete die Familie einen zweiten Fluchtversuch, als der Vater als Großgrundbesitzer von den Sowjets verhaftet werden sollte. Mit dem Güterzug ging es nach Berlin: &bdquo;Die Fahrt war ein einziger Horror. Immer wenn der Zug hielt, kamen Russen und Polen, um uns auszuplündern. Mein Großvater musste sogar seine Hose ausziehen.“

Über eine kurze Station in Jüterbog - dort verstarben die Mutter und der Großvater an Typhus - verschlug es die Familie schließlich auf ein landwirtschaftliches Gut in Temmen/Kreis Templin, wo die Oma den Haushalt übernommen und ein strenges Regiment geführt habe. Doch auch dort konnten die Lehmanns auf Dauer nicht bleiben. Als der Druck von Seiten der Kommunisten zu groß wurde, stand erneut eine Flucht an - aus der Uckermark nach Berlin: &bdquo;Gepäck konnten wir nicht mitnehmen. Nur drei Lagen Kleidung, die wir übereinander gezogen hatten“, erinnert sich Lehmann.

Misstrauisch beäugt Im Flüchtlingslager in Berlin seien zu jenem Zeitpunkt täglich 5000 bis 6000 Flüchtlinge angekommen. Zu essen gab es wenig, den Schlafplatz mussten sie sich mit vielen anderen teilen - zwölf Quadratmeter mit acht Personen. Aus Berlin mussten die Menschen letztlich ausgeflogen werden, über ein Lager in Muna-Leere in einer ehemaligen Munitionsfabrik ging es weiter nach Warburg. Willkommen seien sie dort aber ganz und gar nicht gewesen: &bdquo;Flüchtlinge wurden misstrauisch und unfreundlich behandelt.“

In Lippe lebte Vater Oskar Lehmann mit seinen drei Jungs Oskar, Helmut und Jürgen zunächst in einem kleinen, unbeheizten Raum in Brosen, bevor der Vater einen landwirtschaftlichen Betrieb bei Donop übernahm. Dass die beiden jüngsten Söhne Jürgen und Helmut dort ordentlich mithelfen mussten, verstand sich von selbst: &bdquo;Mein Vater hatte die baldige Rückkehr nach Pommern im Hinterkopf und wollte dafür schon mal Maschinen und fachkundige Kinder haben“, ist er überzeugt.

Daraus wurde nichts. Helmut Lehmann hat trotzdem seinen Weg gemacht - er legte die landwirtschaftliche Gehilfenprüfung ab, wurde Agraringenieur und stieg später in die Betriebsleitung der Firma Oskar Lehmann ein, die sein älterer Bruder 1961 gegründet hatte.

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