"Die gute Stube" Detmolds - der Marktplatz

Detmold. Treffpunkt, Veranstaltungsort, Einkaufsmeile – er ist der Mittelpunkt jeder Stadt und doch besaß wohl kaum eine andere der lippischen Städte bis um 1800 einen so kümmerlichen und kleinen Marktplatz wie die Residenzstadt.

Das bedeutet aber nicht, dass der Detmolder Marktplatz nicht Schauplatz des städtischen Lebens war und immer noch ist. Zu den bekanntesten Veranstaltungen gehören heute zweifelsohne der Wochenmarkt und die Andreasmesse. Ein Blick auf das Gestern und Heute.

Entwicklung

Der Marktplatz und seine Veranstaltungen blicken auf eine Jahrhunderte alte Geschichte zurück. Im Marktprivileg, das die Stadt vermutlich schon 1361 von Edelherr Simon III. erteilt bekommen hatte, ist ein vermutlich schon seit 1265 bestehender Jahrmarkt genannt, der jährlich am 15. Juni stattfindet. Das geht aus einem Aufsatz des Detmolder Stadtarchivs hervor. Zudem wurde ein zweiter Jahrmarkt am Sonntag vor Martini (11. November) erlaubt. 1603 bestätigte Graf Simon VI. beide Märkte, verlegte den Herbstmarkt aber auf acht Tage nach Martini. Gleichzeitig wurde für mittwochs ein Markt für Lebensmittel bewilligt. Im Jahr 1604 wurde der Markt nochmals verschoben und zwar auf den 30. November. Außerdem wurde er auf drei Jahre verlängert, gewissermaßen die Geburtsstunde der allseits bekannten Andreasmesse, die noch heute am letzten Wochenende im November stattfindet.

Der an der Erlöserkirche liegende Platz war allerdings erst 1830 beim Bau des neuen Rathauses zum Marktplatz geworden, schreibt Heinrich Röhr in seiner Geschichte der Langen Straße, die er 1962 in der LZ veröffentlicht hat. Vorher erstreckte sich dieser, blickt man vom &bdquo;neuen" Rathaus herab, nur auf dem kleinen Platz direkt vor den drei Häusern Lange Straße 41, 43 und 45. &bdquo;Bis zur Reformation hatte Lemgo eine wesentlich größere Bedeutung als Detmold. Das sieht man auch an der Stadtentwicklung", erklärt dazu Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink.

Ein Großteil des heutigen Marktplatzes war damals noch von dem Bestattungsplatz an der Erlöserkirche und dem alten Rathaus eingenommen. Wegen der Pest wurde im Dreißigjährigen Krieg vor der Stadt ein neuer Friedhof angelegt. Hier fanden nur noch wenige Begräbnisse statt. &bdquo;Das war sicherlich kein völlig abgeschotteter, stiller Ort, aber vom Marktplatz war er durch das alte Rathaus getrennt," sagt die Stadtarchivarin. Das Marktgeschehen dehnte sich wegen des geringen Platzes damals bis in die anliegenden Straßen aus. Als das alte Rathaus abgerissen wurde, vergrößerte sich dann aber auch der Marktplatz.

&bdquo;Das neue Rathaus wurde mit seinem Säulenportal und der Freitreppe als ein sehr repräsentativer Bau gestaltet. Es dominierte den neuen Platz", so Sunderbrink. In der jüngeren Vergangenheit nutzten Politiker die Treppe immer wieder für Wahlkampfreden. Betrachtet man die politische Bedeutung, rücken allerdings auch Versammlungen der Nazis in den Fokus. Zum Tag der Arbeit am 1. Mai 1933 hängten sie erstmals große Banner an die Fassade des Rathauses.

Lage

Mit Plätzen in Italien vergleicht Dr. Bärbel Sunderbrink den Anblick des heutigen Marktplatz. Geprägt von seiner Geschlossenheit und der Idealvorstellung, dass es keinen Durchzug gibt. Was mit Blick in Richtung Hornsche Straße allerdings nicht ganz gelungen ist. &bdquo;Der Marktplatz ist die gute Stube der Stadt und mittendrin: die Stadtverwaltung. Das symbolisiert auch die Nähe zwischen Rathaus und Öffentlichkeit."

Restaurant am Brunnen

Neben dem Rathaus blicken auch einige der Gebäude, die sich direkt am Marktplatz befinden, auf eine interessante Geschichte zurück. So auch das Restaurant Donopbrunnen, das seit etwa 1800 als Gastwirtschaft existiert hat. Sie war zeitweise Jugendherberge und Werbebüro für französische beziehungsweise preußische Truppen, schreibt Heinrich Röhr. In den langen Jahrzehnten, in denen jährlich bis zu 15.000 lippische Wanderarbeiter als Ziegler in die Fremde zogen, war die Gastwirtschaft, die damals noch &bdquo;Markthalle" hieß, auch Werbebüro der Ziegler, die sich hier mit Maklern trafen und anwerben ließen.

1950 kauften die Eltern von Hans-Eberhard Friedrich das historische Gebäude, auch heute ist es noch im Familienbesitz. Die Gaststätte betreiben Friedrich und seine Frau allerdings seit 1972 nicht mehr. Der ehemalige Gastronom erinnert sich aber noch gerne an diese Zeit zurück, auch wenn sie mit viel Arbeit verbunden gewesen sei. &bdquo;Wir haben morgens um acht angefangen und den ganzen Tag durchgearbeitet", sagt er. Regelmäßig hätten Hochzeiten stattgefunden, auch die Schützen seien gerne Gast im &bdquo;Donopbrunnen" gewesen. Besonders arbeitsreich sei die Zeit zur Andreasmesse Ende November gewesen. &bdquo;Dann sind auch die Sänger von Kneipe zu Kneipe gezogen und haben für 20 Pfennig dort gesungen", erzählt Hans-Eberhard Friedrich. An eine Szene könne er sich besonders gut erinnern: &bdquo;Da war ein Mann mit Hut, der ein Bier im Kopfstand getrunken hat." Heute befindet sich in der Langen Straße 45 das Reformhaus Bacher.

Donopbrunnen

Apropos Donopbrunnen: Der Namensgeber des Restaurants, der sich repräsentativ in der Mitte des Marktplatzes befindet, sorgte Ende der 1940er Jahre in Detmold für einige Aufruhr. Weil insbesondere die mittig platzierte Figur nicht den Geschmack aller traf, entbrannte eine Debatte, die schließlich 1934 in einem Ratsbeschluss zur Entfernung des Brunnens diente. Umgesetzt wurde dieser jedoch nie, schreibt Dr. Andreas Ruppert, Historiker und ehemaliger Stadtarchivar in seinem Aufsatz &bdquo;Der Brunnen gehört dem Volke." Im zweiten Weltkrieg allerdings wurde dann die Bronzefigur 1943 abgenommen, um sie einzuschmelzen. Zuvor wurde ein Gipsabdruck angefertigt, mit dessen Hilfe die Figur wieder hätte aufgebaut werden können. Durch Zufall aber tauchte das Original in Hamburg wieder auf und kehrte 1949 wieder nach Detmold zurück.

Wochenmarkt

Mit ihm verbinden wohl die meisten den Marktplatz. Für viele Detmolder gehört der Besuch auf dem Wochenmarkt seit eh und je dazu. Viele der Beschicker sind oder waren seit Jahrzehnten dabei. So auch Lina und Hermann Stölting, die, so berichtet es Enkelin Ute Sielemann, 1942 eine Urkunde für ihre 30-jährige Tätigkeit als Beschicker von Obst und Gemüse bekommen haben. &bdquo;Mit dem Handwagen ging es damals von Heidenoldendorf in die Innenstadt", erzählt Ute Sielemann. Dort habe die Familie eine Fläche für den Anbau ihrer Ware bewirtschaftet. Die sechs Kinder seien in die Arbeit mit eingebunden worden.

Auch die damalige Prinzessin zur Lippe sei gern gesehene Kundin gewesen.&bdquo;Bis in die Nachkriegszeit gab es deutlich mehr Marktbeschicker, aber die Stände waren noch kleiner", sagt Dr. Bärbel Sunderbrink. &bdquo;Und auch andere Waren. Südfrüchte wie Bananen suchte man vergeblich." Zum Einkaufen kamen aber meist nur die Städter. Denn die hatten meist keine Gartenflächen zum Anbau von Obst und Gemüse. In nächsten Teil der Serie über die Lange Straße geht es um das älteste Steinhaus, Stadtbrände und Kriegsschäden.

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