Nach Tod des Sohnes: „Gotti“ Schuster will „Lippischen Hof“ in Detmold verkaufen

Detmold. Gottfried Schuster ist einer, der eigentlich nicht ohne kann. Nicht ohne das Kochen. Nicht ohne seine Frau Annette. Nicht ohne den &bdquo;Lippischen Hof“. Eigentlich. Denn obwohl es beim Treffen in seinem Hotel ursprünglich ausschließlich um die 300-jährige Geschichte des Gebäudes gehen sollte, lässt er am Ende doch noch völlig unerwartet die Bombe platzen: Er will Hotel und Restaurant so schnell wie möglich verkaufen, Interessenten gibt es bereits. Er zieht damit einen Schlussstrich unter das, was er sich in 45 Jahren als Eigentümer und Koch aufgebaut hat. Für immer. So ist zumindest der Plan.

Schuster, 77 Jahre, sportlicher Typ, kam zu seinem Betrieb in Detmold &bdquo;wie die Jungfrau zum Kinde“, sagt er, während er sich durch alte Fotos am Laptop klickt. Nach seiner Kochlehre in Bad Salzuflen wollte der gebürtige Lagenser eigentlich in die USA. Doch dann stirbt der Vater und er kehrt nach Lage zurück, wo seine Familie das &bdquo;Deutsche Haus“ betreibt. 1978 brennt der elterliche Betrieb komplett ab und Schusters Mutter liest in einer Zeitungsannonce, dass der &bdquo;Lippische Hof“ zum Verkauf steht.

Kein Tag frei, zwei Ehen kaputt &bdquo;Ich habe einfach mal ein Angebot abgegeben“, erinnert sich &bdquo;Gotti“ Schuster. Als er völlig überraschend den Zuschlag bekommt, muss er erst mal das Geld zusammenkratzen, einen Businessplan gibt es nicht. &bdquo;Es war eine harte Nummer, wir mussten uns richtig reinknien.“ Um das Weihnachtsgeschäft mitzunehmen, geht er schon am 19. Dezember 1979 mit dem Restaurant &bdquo;Le Gourmet“ an den Start und zieht mit seiner damaligen Frau und den beiden Kindern in die dritte Etage des Hotels.

In den ersten Jahren hat er keinen einzigen Tag frei, zwei Ehen gehen über die Jahre unter dem Stress kaputt. Schuster steckt über die Jahre viel Geld ins Gebäude, erweitert irgendwann von 22 auf 27 Zimmer, stemmt immer wieder größere Renovierungen, Modernisierungen und Umbauten, baut das Restaurant &bdquo;The Cobbler“ auf. Schuster ist da, wenn das Licht nicht geht, der Fahrstuhl klemmt, das Internet nicht läuft. &bdquo;Ich kenne hier jede Schraube“, sagt er.

Obwohl er sich als Koch bereits 2018 aus dem Betrieb zurückgezogen hat, steht er heute noch in der Küche, wenn Not am Mann ist. Täglich ist er vor Ort, immer gibt es Absprachen zu treffen, ständig steht etwas an. &bdquo;Man macht so was mit Herzblut, es ist ja mein Baby – auch wenn das so abgedroschen klingt“, sagt er.

Von Angela Merkel bis zum Olympiakader Erlebt hat Schuster viel in den 45 Jahren. Vor allem den Kontakt zu den Gästen, den werde er vermissen. Die Gespräche, das Miteinander. Angela Merkel, Iris Berben, Thomas de Maizière oder Tom Buhrow haben bei ihm genächtigt – um nur einige zu nennen. Die alten Gästebücher sind voller Promis, erzählt Schuster beim Durchblättern.

Der Olympiakader im Kunstturnen von 1980 sei im &bdquo;Lippischen Hof“ untergekommen, und der frühere Schauspieler und Moderator Hans-Joachim Kulenkampff. &bdquo;Der konnte trinken bis zum Gehtnichtmehr – und hat bis spät in die Nacht Geschichten erzählt“, erinnert sich Schuster - aber auch an chaotische Hochzeiten, Gäste, die nicht bezahlt haben oder ganze Fernseher mitgehen ließen. &bdquo;Aber wir hatten immer Spaß. Vor allem hatte ich immer das beste Personal, der Zusammenhalt toll.“ Immerhin habe er hier mehr als 120 junge Menschen ausgebildet, Kontakt besteht teilweise bis heute.

Dass er heute da steht, wo er steht, hätte er vor 45 Jahren nicht für möglich gehalten. &bdquo;Ich habe immer nur gehofft, es geht gut“, sagt er. Es ging mehr als das. &bdquo;Der Lippische Hof ist mein Leben.“ Warum trotzdem noch dieses Jahr der Verkauf über die Bühne gehen soll? Das hat auch mit einem Schicksalsschlag zu tun.

Unklar, was aus dem Gebäude wird Ende Mai stirbt völlig unerwartet Sohn Marcus mit nicht einmal 52 Jahren. Er sollte eigentlich den Betrieb mit den derzeit gut 20 Mitarbeitern übernehmen, Tochter Petra ist längst in der Schweiz heimisch. Jetzt sehe Gottfried Schuster keinen Sinn mehr, weiterzumachen. &bdquo;Wenn mir auch etwas passiert – ich kann meine Frau mit dem Betrieb nicht alleine lassen“, sagt er. Vieles sei letztendlich zusammengekommen. Deshalb soll nun eine Ära enden. Er hofft, dass sein Nachfolger den Betrieb in seinem Sinne weiterführt, Hotel und Gastronomie bestehen bleiben. Wissen kann er das nicht. &bdquo;Man könnte natürlich auch Wohnungen draus machen.“

Klar, er werde das alles vermissen. Aber er freue sich auch, endlich mal Zeit zu haben. Zum Lesen. Zur Entspannung. Sich nicht mehr täglich um dies und das kümmern zu müssen. Und er könnte sich gut vorstellen, sein Leben aufzuschreiben – zu erzählen hätte er reichlich. Denn er gibt ja zu: Er ist schon ein wenig stolz auf das, was er erreicht hat. Und er sagt, ohne zu zögern: &bdquo;Ich habe es nie bereut.“

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