„Der Raps ist eine Mimose“: So meistern zwei junge Detmolder Landwirte die Herausforderung

Detmold-Schönemark. Der Unterschied zwischen intensivem und extensivem Anbau beträgt in Schönemark nur wenige Meter. Auf einem Feld, das von Landwirt Peter Meier zu Beerentrup bestellt wird, wachsen Rapspflanzen. Direkt nebenan hat er testweise eine Mischung von Erbse und Hafer eingesät, und zwar auf einem Boden, den er zuvor nicht gepflügt hat, um ihn vor Erosion zu schützen. &bdquo;Direktsaat heißt dieses Verfahren, und es ist in vielen Anbaugebieten, die zum Beispiel aufgrund sandiger Böden eine größere Not mit Abschwemmung und Bodenverlust haben, bereits etabliert. Es hält den Boden das ganze Jahr über mit Pflanzen bedeckt“, erklärt der Agrarwirtschaftler. Dafür wird mit speziellem Gerät eine Furche für die Samen gezogen. Die Pflanzen selbst, so der 28-Jährige, kann er anschließend mehr oder weniger sich selbst überlassen. Eine Aussage, die auf den Raps keineswegs zutrifft.

&bdquo;Der Raps ist eine Mimose“, sagt Beerentrup und schmunzelt. Das fange bereits beim Saatbett an. Klein wie ein Senfkorn, ist ein feinkrümeliger Boden vonnöten, damit der Raps Feuchtigkeit ziehen und seine Pfahlwurzel – sie wird bis zu zwei Meter lang – optimal ausbilden kann. Zudem sei das Saatgut recht teuer und die Pflanze müsse ständig beobachtet werden. &bdquo;Es ist eine Kultur, mit der man Geld verdienen kann, und ein wichtiges Glied in der Fruchtfolge“, erläutert Beerentrup, weshalb er und seine Familie rund 20 Prozent ihrer Flächen für Raps nutzen. Genau wie Gregor Betge, Nachbar, Freund und ehemaliger Studienkollege. Der Remmighauser fügt hinzu: &bdquo;Allerdings ist auch der Einsatz sehr hoch, genau wie das Risiko.“

Schäden durch Schneefall im April

So habe der Raps im vergangenen Jahr um diese Zeit &bdquo;nicht so toll ausgesehen“, wie Meier zu Beerentrup mit Blick auf das gelbe Blütenmeer konstatiert. Grund dafür war der späte Schneefall im April. Die Pflanzen boten zu dem Zeitpunkt viel Auflagefläche für die nassen Flocken. Viele Stängel knickten ab, die Versorgung der Schoten wurde unterbrochen, wurden vielerorts gar nicht richtig reif. &bdquo;Und die Ernte war total schwierig, weil der Raps am Boden lag“, erinnert sich Betge. Die Erträge brachen um bis zu 70 Prozent ein.

Gegen späte Schneefälle seien sie als Landwirte nicht versichert, anders als gegen Hagel – ebenfalls ein &bdquo;Erzfeind“ des Rapses. Denn durch die Hagelkörner können die Schoten aufplatzen. Ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig der Fortschritt in der Entwicklung neuer Sorten für die Landwirte ist. So wurde die Schotenplatzfestigkeit mit der Zeit deutlich verbessert. Auch andere Anfälligkeiten des Rapses gehen die Züchter an und arbeiten an den Resistenzeigenschaften.

Von Beerentrups Mutter war selbst als Wissenschaftlerin in diesem Bereich tätig und arbeitete schwerpunktmäßig und sehr erfolgreich mit Raps. Mindestens zehn Jahre dauert laut Dr. Hanna Meier zu Beerentrup die Entwicklung einer neuen Sorte. &bdquo;Das bedeutet, dass der Züchter sehr vorausschauend sein muss, denn bei der Kreuzungsplanung müssen bereits die zukünftigen Zuchtziele berücksichtigt werden.“

Gefürchtete Spätfröste

Hier stehe seit einiger Zeit die Anpassung an die klimatischen Veränderungen im Vordergrund. Mitteleuropäische Landwirte finden laut Betge und Beerentrup zurzeit sehr spezielle Bedingungen vor. So seien die Pflanzen durch die Wärme im Frühjahr weiter. Allerdings treten Spätfröste nach wie vor auf – und können nun, ähnlich wie bei Obstbauern, viel gravierendere Schäden anrichten. &bdquo;Die Stängel bekommen durch den Frost Längsrisse – und das sind Eintrittspforten für Pilzkrankheiten.“ Jene Blüten, die bei Frost gerade offen seien, bildeten zudem keine Schoten aus. Das lasse sich im Nachhinein an kahl gebliebenen &bdquo;Etagen“ ablesen. Keine Schote, kein Öl – kein Ertrag.

Auch eine längere Trockenperiode im September könne das Wachstum der frisch gekeimten Pflänzchen hemmen. &bdquo;Wenn es in der Zeit allerdings sehr feucht ist, freuen sich die Schnecken, weil sie sich gut vermehren können und die jungen, zarten Blätter wegfressen“, berichtet Bletge. &bdquo;Und Staunässe verträgt er überhaupt nicht“, fügt Beerentrup hinzu.

Geburtstag auf dem Feld

Da der Raps fast ein ganzes Jahr lang auf dem Feld stehe, von der Aussaat bis zur Ernte im Hochsommer, nimmt er zahlreiche Gelegenheiten für Zwischenfälle mit. &bdquo;Es kann recht viel schiefgehen“, so Beerentrup. Neuere Sorten würden etwas später ausgesät und früher reif, um das Risiko zu minimieren, und dennoch: Die beiden jungen Landwirte checken gerade beim Rapsanbau ständig die Bedingungen und das Wetter. &bdquo;Das beschäftigt uns sehr. Wir haben fünf oder sechs Wetter-Apps auf dem Handy“, sagt Betge mit einem Seitenblick zu seinem Freund, der wissend nickt, &bdquo;und jede sagt etwas anderes.“ Die beiden tauschen sich dann aus, auf welche Aussage man seine Wochenplanung nun stützen sollte – &bdquo;oder welche für einen selbst gerade am besten passt“, fügt Betge hinzu und beide lachen.

Die vergangenen beiden Jahre seien in Lippe &bdquo;unglaublich nass“ gewesen, die Zeit davor sehr, sehr trocken. Immer gehe es darum, im Zweifelsfall rechtzeitig einzugreifen. Die Bedingungen würden extremer, die Fenster, in denen das Wetter passe, immer kürzer. &bdquo;Früher hatten wir auch 100 Liter Regen pro Quadratmeter im Monat“, erklärt Betge, &bdquo;aber damals war es auf zwei Tage die Woche verteilt, heute kommt die Menge, wenn es schlecht läuft, in drei Stunden. Dahin gehend müssen wir unsere Arbeit überdenken.“

Augenmaß beim Pflanzenschutz

Der Blick ins Feld mit geschultem Auge sei beim Raps nicht zu ersetzen. &bdquo;Gegen gewisse Sachen können wir etwas machen“, erklärt Beerentrup, &bdquo;und müssen rechtzeitig reagieren.“ Sei beim Monitoring der Schädlinge, etwa über Gelbschalen, eine sogenannte Schadschwelle innerhalb von 24 Stunden erreicht, dann sei dies, im Fachjargon, bekämpfungswürdig. &bdquo;Da der Schaden durch den Schädling dann wirtschaftlich höher ist als der Aufwand, den der Einsatz des Pflanzenschutzmittels erfordert.“ Dazu zählen auch der Diesel für die Maschinen und die Arbeitsstunden. &bdquo;Wir sind froh, dass wir auf vieles reagieren können, damit die Mühe des ganzen Jahres nicht umsonst war.“

Entgegen des Rufs, den der Raps bei Kritikern habe, sei es jedoch mitnichten in jeder Saison nötig, umfangreich einzugreifen. &bdquo;Es funktioniert alles mit Bedacht“, betont Betge. Der Klassiker im Pflanzenschutz sei die Abschlussbehandlung in der Blüte. &bdquo;Das ist ein Fungizid gegen eine Krankheit, die auftritt, wenn die Blütenblätter abfallen und in den verzweigten Blattachseln landen. In Verbindung mit Feuchtigkeit ist das ein super Nährboden für den Pilz, der die Weißstenglichkeit verursacht, bei der die Versorgung der Pflanze behindert ist und der Stiel brüchig wird.“ Es habe jedoch auch hier schon Jahre gegeben, in denen der Einsatz wetterbedingt nicht nötig war.

Längere Anbaupausen

Neben seiner wichtigen Rolle als regionaler Öllieferant sei der Raps wichtig für den Erhalt der Bodenqualität. Für Landwirte ist der Wechsel zwischen Halmfrüchten und Blattfrüchten entscheidend, und der Raps gehört zu letzterer Kategorie. Früher habe man den Raps auch mal alle drei Jahre auf einem Feld angebaut, gerade an der See. Heute seien die Landwirte bei &bdquo;alle vier, besser noch alle fünf Jahre“ angekommen, so Betge. Je seltener, desto besser, denn so lassen sich die Krankheiten und Schädlinge, die den Raps befallen können, deutlich leichter in Schach halten. Etwa die Kohlhernie – ein bodenbürtiger Pilz, der die Wurzeln befällt. Er vermehrt sich nur, wenn der Raps oder eine andere Kohlpflanze angebaut wird. Sonst tritt er nicht auf.

Eine lange Anbaupause mit Weizen, Mais oder Zuckerrüben als Alternative sei insofern ideal. &bdquo;Doch irgendwo kommt dann auch das Betriebswirtschaftliche ins Spiel“, räumt Betge ein. Hier gelte es, einen Kompromiss zu finden. &bdquo;Wir machen uns viele Gedanken“, sagt Meier zu Beerentrup. Ohne die Zukunft und die langfristigen Auswirkungen des eigenen Handelns im Blick zu haben, sei ihr Beruf überhaupt nicht machbar. &bdquo;Jede Entscheidung, die wir treffen, kann uns im nächsten Jahr einholen“, so Gregor Betge. &bdquo;Wir haben bis zur Rente vielleicht 45 Ernten, die wir einholen. Da darf nicht allzu viel schiefgehen.“ Es gelte also, das, was Sinn macht – etwa für den Boden, wie beim althergebrachten und nun neu aufgelegten Direktsaat-Verfahren – mit dem in Einklang zu bringen, was das wirtschaftliche Überleben sichert.

Keine Monokultur

Eine vermeintliche Monokultur, die viele Menschen fälschlicherweise beim Rapsanbau witterten, sei allein durch die Gesetzgebung der EU untersagt. &bdquo;Und es wäre aus den oben genannten Gründen ja auch total dämlich, immer das Gleiche anzupflanzen“, so Betge. Wenn, dann gehe es um eine Reinkultur – wie sie auch ein Biobauer mit mechanischer Unkrautvernichtung anstrebe, um Wasser und Dünger seiner Kulturpflanze zukommen zu lassen. Doch selbst hier gebe es neue Entwicklungen, den Raps nicht als Reinkultur, sondern mit Beisaaten auszubringen, etwa Ölleinen, Klee oder Senf. &bdquo;Es gibt Forschung dazu und ich würde es gern ausprobieren“, schaut Beerentrup experimentierfreudig in die Zukunft. Der Vorteil läge darin, potenzielle Schädlinge abzulenken, schneller mehr bewachsenen Boden zu haben, Erosion zu vermeiden und Unkräuter zu unterdrücken. Die Skepsis einiger Kollegen sei ihm gewiss, und dennoch: &bdquo;Das“, sagt Beerentrup und klingt entschlossen, &bdquo;plane ich.“

Zahlen & Fakten Winterraps ist die in Deutschland meistangebaute Ölpflanze. Die Fläche ist dabei in etwa stabil. So wurde Raps 2024 auf circa 1,1 Millionen Hektar angebaut. Zum Vergleich: Weizen stand auf 2,6 Millionen Hektar, Gerste auf 1,7. Raps enthält rund 45 Prozent Öl. Ein Großteil von 40 bis 50Prozent des Rapsertrags geht hierzulande in die Herstellung von Rapsöl.

Das beliebte Speiseöl ist reich an ungesättigten Fettsäuren und Omega-3. Ein Teil wird zu biologisch abbaubaren Industrieölen, Schmierstoffen oder Lacken verarbeitet. Rund 30 bis 40Prozent der Rapsernte wird zu Biodiesel. Bei der Ölgewinnung fällt als Nebenprodukt Rapskuchen beziehungsweise Rapsschrot an. Er findet als eiweißreiches Futtermittel für Rinder, Schweine und Geflügel Verwendung und gilt als gentechnikfreie Alternative zu Sojaextraktionsschrot, besonders in der Milchviehhaltung.

In der Kritik steht Raps vor allem wegen des vergleichsweise hohen Bedarfs an Pflanzenschutzmitteln im Anbau. Raps erbringt für das Ökosystem auch positive Dienste, etwa als Nahrungsquelle für Insekten und Vögel oder als Grundlage für die Produktion von Honig.

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