Brände in Detmolder Sinalco-Gebäude vor Gericht: Zeugenbegegnung belastet Angeklagten

Detmold. Von dem geschichtsträchtigen Sinalco-Gebäude in der Arminstraße ist nur noch ein Häufchen Schutt und Asche übrig geblieben. Zwei Brände im April hatten die seit Jahren zerfallende Ruine so sehr zerstört, dass dem Eigentümer nur noch der Abriss geblieben ist. Verantwortlich für die Feuer soll ein 43-jähriger Wohnungsloser gewesen sein. Deshalb steht der Mann nun seit Freitag vor der Großen Strafkammer des Landgerichts. Wird man ihm die Brandstiftung nachweisen können? Der Fall scheint nicht so einfach wie gedacht.

Eindeutige Beweise gibt es nämlich nicht - genauso wenig wie ein erklärbares Motiv. Staatsanwalt Alexander Görlitz stützt die Anklage vor allem auf die zentrale Zeugenaussage eines Anwohners, die den schmächtigen Mann auf der Anklagebank schwer belastet. Daneben gibt es nur ein paar Indizien. Der im Fokus stehende 43-Jährige selbst nutzt zum Prozessauftakt sein Recht und schweigt. Er ist der Justiz bekannt. Schon mehrfach soll der offenbar drogenabhängige Mann wegen - teils räuberischen - Diebstählen zu Haftstrafen verurteilt worden sein.

Verteidiger: &bdquo;Das passt gar nicht zu ihm“ Mit Feuer und Brandstiftung hätten die ihm sonst zu Last gelegten Delikte aber nie etwas zu tun gehabt, sagt sein Verteidiger Martin Mauntel aus Bielefeld in einer Pause auf dem Flur. &bdquo;Das passt gar nicht zu ihm.“ Doch sein Mandant soll mehrfach in unmittelbarer Nähe des Tatorts gesehen worden sein - auch als es brannte. Das haben Zeugen beobachtet.

Besonders schwer wiegt dabei die Begegnung mit einem Anwohner kurz vor dem zweiten Brand am 10. April. Der Mann war am Abend gerade dabei, eine Zigarette vor dem Haus zu rauchen, so beschreibt er es selbst vor Gericht, als der Angeklagte ihn mutmaßlich in ein Gespräch verwickeln wollte. Er wirkte verwirrt, meint der Zeuge. &bdquo;Bist du auch reinrassiger Deutscher?“, soll er unter anderem gefragt haben.

Das Gespräch sei ihm unangenehm gewesen, sagt der 49-Jährige, dennoch habe er sich drauf eingelassen. Dann soll der Fremde ihn auf das Feuer in der Nachbarschaft im alten Sinalco-Gebäude zwei Tage zuvor angesprochen haben. &bdquo;Er hat gesagt, dass er das gewesen ist - und er es wieder machen würde.“

Geständnis im Vorbeigehen? Die Aussage habe er überhaupt nicht ernstgenommen, sagt der Zeuge weiter aus. Danach habe er dem Mann noch sein Handy geliehen, um bei seiner Mutter anzurufen. Die Anrufliste dokumentiert das. Die Frau sei nicht drangegangen, der Passant habe ihr dann eine Nachricht hinterlassen.

Wenige Stunden später bekam der Zeuge laut eigener Aussage dann an seinem Fenster zufällig mit, dass das Sinalco-Gebäude tatsächlich wieder in Flammen stand. &bdquo;Ich habe gehadert, zur Polizei zu gehen“, gibt er zu. &bdquo;Weil ich mich natürlich gefragt habe, ob ich es hätte verhindern müssen.“ Erst seine Ex-Ehefrau ermutigte ihn am Telefon, unbedingt eine Aussage zu machen. Das tat er dann auch.

Weil er den ihm fremden Passanten offenbar so gut beschreiben konnte, gelang es der Polizei, den jetzt Angeklagten einen Tag später in der Nähe des Tatorts festzunehmen. Das sagt ein Polizeibeamter vor Gericht aus. Einer seiner Kollegen berichtet, den Angeklagten auch beim ersten Feuer am 8. April aufgeregt vor der Ruine herlaufen gesehen zu haben. &bdquo;Er hatte große Sorge, dass einer seiner Bekannten noch drin sein könnte““, erklärt der Polizist.

Das erste Feuer hatte die von Nachbarn alarmierte Polizei schnell löschen können. Als möglichen Tatverdächtigen habe man den Passanten da nicht wahrgenommen. Der Angeklagte soll am Abend des ersten und glimpflichen Brandes angegeben haben, vor einigen Tagen das letzte Mal in der Ruine gewesen zu sein.

Das alte Sinalco-Gebäude hatte jahrelang der hiesigen Drogen- und Alkoholszene als Unterschlupf gedient, berichten mehrere Ermittler. Selbst Jugendliche sollen in der Ruine schon erwischt worden sein. &bdquo;Selbst wenn man diese Gebäude absichert, diese Lost Places ziehen immer Leute an“, sagt ein Polizeibeamter.

Sachverständiger geht von Brandstiftung aus Eine genaue Brandursache konnten die Ermittler derweil nicht ausmachen, der zuständige Brandsachverständige geht aber von Brandstiftung aus, da das Haus längst über keine Elektrik mehr verfügte und daher ein technischer Defekt ausgeschlossen werden kann. Die Ruine soll dazu mit brennbarem Unrat vollgestellt gewesen sein, darunter Zeitungspapier, Prospekte und Kleidung.

Durch drei offensichtliche Brandherde im Erdgeschoss, wobei einer davon schon mit Spinnenweben überzogen und daher wohl älter war, sowie das Feuer zwei Tage zuvor hält der Brandsachverständige es für wahrscheinlich, dass auch der Brand im Dachstuhl absichtlich gelegt worden sein muss - selbst wenn in der Ruine auch massig Zigarettenkippen rumgelegen hätten. Verteidiger Martin Mauntel hält diese Bewertung schlichtweg für falsch, schließlich sei eine fahrlässige Brandstiftung nicht auszuschließen.

Weil die Kammer unter dem Vorsitz von Richter Karsten Niemeyer auf einige zum Auftakt fehlenden Zeugen nicht verzichten kann, rückt ein Urteil in weite Ferne. In einigen Zeugenaussagen soll von einer weiteren, kräftigen Person die Rede sein, die sich auffällig verhalten habe. Verteidiger Mauntel will außerdem noch die Ex-Ehefrau des zentralen Zeugen hören. Erst dann soll sich der psychiatrische Sachverständige Dr. Michael Hintersdorf ein abschließendes Bild zum Zustand des Angeklagten machen. Der hatte sich im Vorfeld nicht untersuchen lassen.

Der Prozess wird am 25. August fortgesetzt. Ein Urteil könnte am 11. September fallen.

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