Bösingfelds Geschichte weht durch die Krone der Sängerlinde

Extertal-Bösingfeld. Ein Jahrhundert ist es im diesem Frühjahr her, dass der MGV Concordia Bösingfeld seine erste Sängerlinde gepflanzt hat. Doch eigentlich sollte dies schon sieben Jahre zuvor geschehen, als der Männergesangverein sein 50-jähriges Bestehen feierte.

Am 1. Februar 1864 wurde der Verein gegründet. Aus diesem Anlass feierten die Sangesfreunde Anfang Februar 1914 ein dreitägiges Stiftungsfest. Bei der folgenden Generalversammlung beschlossen die Mitglieder, dass zu Ehren des Vereins noch im selben Jahr eine Sängerlinde gepflanzt werden sollte. Alles war schon vorbereitet – sogar eine Urkunde war verfasst worden, die in einer Kapsel unter dem Baum vergraben werden sollte. Darin hieß es: &bdquo;Möge die Linde, die wir zur Jubelfeier unseres Vereins pflanzten, blühen und gedeihen, möge sie eine Zierde des Ortes werden und den kommenden Geschlechtern eine Mahnung sein, das herrliche deutsche Volkslied immerdar zu hegen und zu pflegen."

Ein "Klöntreff" mit Bänken und Springbrunnen

Doch die Freude währte nur kurz, denn durch den Beginn des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 mussten alle Aktivitäten des Gesangvereins unterbrochen werden. Und so wurde auch die Baumpflanzung auf unbestimmte Zeit verschoben. Nach fünf Jahren, im Februar 1919, trafen sich die Sangesbrüder erstmals wieder zu einer Versammlung nach dem Krieg. Die Baumpflanzung war nicht vergessen. Doch die politisch unruhigen Zeiten zögerten das Vorhaben erneut hinaus. Erst Anfang 1921 beschloss der Verein nun endlich die Sängerlinde in die Erde zu setzen.

Mit siebenjähriger Verspätung kamen schließlich am Samstag, 19. März 1921, die Mitglieder an der Ecke der heutigen Bruchstraße,Ecke Bahnhofstraße zur Baumpflanzung zusammen. Wie damals vorgesehen, sollte unter dem Baum ein Schriftstück vergraben werden. So wurde auf der Rückseite der bereits 1914 angefertigten Urkunde die Fortsetzung der Geschichte um die Sängerlinde schriftlich festgehalten. Hinzugefügt wurde: &bdquo;Infolge des Weltkrieges 1914 bis 1918 und den nachfolgenden politischen Wirren, die in unserem Vaterlande herrschten, konnte die Linde nicht gepflanzt werden."

Zusammen mit weiteren Beigaben wurde die Urkunde in eine Metallhülse gelegt und unter die Wurzel gesteckt. Einige Stimmen fehlten im Chor, denn neun der Sangesbrüder waren aus dem Krieg nicht zurückgekehrt. Weitere Mitglieder verlor der Verein, als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Im Zuge der &bdquo;Arisierung" wurden Juden zunehmend aus der Gesellschaft und den Vereinen ausgeschlossen. Der Leiter des Vereins hieß nun nicht mehr &bdquo;Vorsitzender", sondern &bdquo;Vereinsführer" und das Liedgut wechselte von alten Volksweisen zu national-völkischen Hymnen.

1941 ließ die Gemeinde neben der Sängerlinde einen Springbrunnen mit einer Tafel bauen. Die Inschrift lautete: &bdquo;Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum – Ein Heimatgruß für die Soldaten im Felde 1941."

Nach 45 Jahren musste die Linde weichen

Aus dem Bäumchen wurde in den folgenden Jahrzehnten ein stattlicher Baum und die Bänke unter der mächtigen Krone wurde zum beliebten &bdquo;Klöneplatz". Aufgrund des steigenden Verkehrs in Bösingfeld sollte Mitte der 1960er Jahre eine Verbreitung der Straßenkreuzung Schulstraße, Mittelstraße, Bahnhofstraße, Bruchstraße erfolgen. Dafür jedoch musste die Sängerlinde weichen. Im Februar 1966 wurde die Genehmigung zur Fällung des Baumes erteilt.

Am Abend des 23. Februar 1966 versammelten sich die Sänger unter dem Baum und nahmen mit einigen Liedern Abschied von ihrer Sängerlinde. Am folgenden Morgen um 8.15 Uhr wurde der Baum zu Fall gebracht. 45 Jahre hatte die Linde hier gestanden. Als junger Mann war August Kuhfuß selbst bei der Pflanzung 1921 dabei gewesen. Nun war er als Vorsitzender des Männergesangvereins wieder zugegen, um den Metallzylinder zu bergen, der damals unter dem Baum eingebettet worden war. In ihr befanden sich neben der Urkunde von 1914/21 auch einige Notgeldscheine und -münzen, die während der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg eingeführt worden waren.

Als Ersatz für die alte Sängerlinde sollte an anderer Stelle eine neuer Baum gepflanzt werden. Als Standort wurde die neue Grünanlage am ehemaligen Spritzenhaus am Südhagenweg ausgewählt. Auf den Tag genau 45 Jahre nach dem ersten Baum pflanzte der Männergesangverein &bdquo;Concordia" am 19. März 1966 eine neue Sängerlinde. Rund 200 Gäste waren zu der Feierstunde gekommen. Erneut wurde eine Kupferhülse mit einer auf Pergament geschriebenen Urkunde unter der Sängerlinde vergraben. In dem Text sind viele Einzelheiten über den Gesangverein und über Bösingfeld vermerkt. Eine Gedenktafel, die bisher an der alten Linde stand, wurde neben der neuen Linde angebracht. Und so sollte auch unter ihr rund 50 Jahre gesungen werden.

Am 1. Juli 2019 löste sich der MGV Concordia Bösingfeld auf. Seither dringt kein Gesang mehr durch die Krone des Baumes.

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