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Interview: Laut Bertelsmann-Studie verliert der Kreis Lippe bis 2030 Einwohner

Astrid Sewing

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Kreis Lippe. Wie entwickelt sich die Bevölkerung im Kreis Lippe? Die Bertelsmann Stiftung gibt eine Prognose ab. „Bunter wird es auf alle Fälle, mehr Ältere gibt es auch, aber die Anzahl – da gibt es bedingt durch die Zuwanderung Unwägbarkeiten", sagt Hannah Amsbeck, Projektmanagerin der Bertelsmann Stiftung für das Programm „LebensWerteKommune".

Wie genau sind die Prognosen?

Hannah Amsbeck: Viele demografische Entwicklungen sind bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gut abzuschätzen. Menschen erreichen im Durchschnitt ein bestimmtes Lebensalter oder in bestimmten Altersjahren werden Frauen Mütter. Personen, die 2035 Eltern werden, sind heute schon weitestgehend geboren.

Trotzdem gibt es Widersprüche. Die amtliche Statistik von NRW für Leopoldshöhe geht von steigenden Bevölkerungszahlen aus – in Ihrer Prognose sinken die Zahlen. Warum?

Amsbeck: Bevölkerungsvorausberechnungen basieren auf dem „Wenn-Dann" – Prinzip: Es werden Annahmen über die künftige Entwicklung der demografischen Indikatoren getroffen, und daraus wird die künftige Bevölkerung errechnet. Wenn die Annahmen eintreffen, dann wird auch das Ergebnis für die Bevölkerungsanzahl und -zusammensetzung eintreffen. Die Qualität hängt also davon ab, dass die Annahmen möglichst genau getroffen werden. Unsere Bevölkerungsvorausberechnung erfasst den Zeitraum zwischen 2009 und 2012. Da sind die Zuwanderungseffekte nicht drin. Erst wenn im kommenden Jahr valide Daten von den Statistischen Landesämtern für das Jahr 2016 vorliegen, werden wir eine neue Berechnung aufstellen.

Kann man eine Tendenz feststellen, wohin es die Menschen zieht – aufs Land oder in die Stadt?

Amsbeck: Die Daten bundesweit zeigen, dass die Städte größeren Zulauf haben und vor allem bei Jüngeren beliebt sind.

Der Prognose nach verliert der Kreis Lippe überall. Lässt sich das beeinflussen?

Amsbeck: Ja, denn es kommt darauf an, welche Strategien der Kreis entwickelt.

Welche Kriterien sind wichtig?

Amsbeck: Eine gute Infrastruktur und Arbeitsplätze, das sind die Punkte, die die Städte attraktiv machen, müssen auch in ländlichen Regionen vorgehalten werden. Zudem müssen diese ihre Vorzüge herausstellen, das Heimatgefühl ist so ein Plus.Das muss man vermitteln.

Das ist ja eher ein subjektives Empfinden, oder?

Amsbeck: Das kann man durchaus fassen. Vereine tragen zum Beispiel dazu bei, weil sie ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln. Projekte, in denen sich Bürger engagieren, wären ein weiteres Beispiel.

Unter dem Stichwort „Demografie" findet man auf ihrer Internetseite Beispiele, ein Bürgerbusprojekt, ein „DORVZentrum", in einer 1400-Seelengemeinde, aber es ist kein Beispiel aus Lippe dabei – woran liegt das?

Amsbeck: Das heißt nicht, dass es im Kreis Lippe keine Projekte gibt, sondern dass sie uns nicht gemeldet wurden.

Ist das denn wichtig?

Amsbeck: Ja, denn bis zu 12.000 Abrufe im Monat verzeichnen wir allein für die statistischen Daten.

Und wie valide ist Ihre Statistik?

Amsbeck: Sehr, denn diese Daten werden jährlich abgeglichen. Die 14 statistischen Landesämter, die Bundesarbeitsagentur und die Daten aus dem Ausländerzentralregister fließen in die Berechnungen ein.

In Bezug auf die Zuwanderung gibt es aber doch einige Unwägbarkeiten. Woher weiß man zum Beispiel, wie viele Familien noch nachziehen?

Amsbeck: Das ist noch ein Problem, denn es hängt vom Aufenthaltsstatus ab, nur wer bleiben darf, kann die Familie nachholen. Bislang wird das in der amtlichen Wanderungsstatistik nicht erfasst, aber es wird darüber nachgedacht, das zu ändern.

Wenn die Kommunen planen wollen, wie Kitas und Schulen ausgebaut werden müssten, dann müsste es solche Zahlen doch geben – warum ist das so lückenhaft?

Amsbeck: Die Zuwanderung war so vor Jahren nicht vorhersehbar, deshalb wird man jetzt einiges verändern müssen, wenn man langfristige Prognosen ableiten will.
Das Interview führte LZ-Redakteurin Astrid Sewing.

Persönlich

Hannah Amsbeck (32) arbeitet als Project Manager im Programm „LebensWerteKommune" der Bertelsmann Stiftung. Studienschwerpunkte ihres Soziologiestudiums waren neben der Demografie, die Wissenschafts- und Technologiepolitik und die Sozialstrukturanalyse. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Statistik des Wegweisers Kommune einschließlich der Bevölkerungsvorausberechnungen, Pflegevorausberechnungen sowie Wanderungsstatistiken und auf den Fragen rund um den demografischen Wandel.
Das Informationsportal „Wegweiser Kommune" (wegweiser-kommune.de) der Bertelsmann Stiftung beinhaltet für alle Kommunen mit mehr als 5000 Einwohnern frei zugängliche Daten und konkrete Handlungskonzepte für eine Planung vor Ort. Für die Politikfelder demografischer Wandel, Bildung, Finanzen, Integration, Pflege, Soziale Lage und Wirtschaft & Arbeit können Daten ab 2006 bis 2015/2030 abgerufen werden.

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