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Positionen neu besetzt: Polizeiführung will Vertrauen zurück gewinnen

Astrid Sewing

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Von links: Verena Mertens (neue Leiterin der Direktion Verkehr), Landrat Dr. Axel Lehmann, Polizeichefin Margit Picker und Matthias Brand, neuer Leiter der Direktion Kriminalität. - © Bernhard Preuß
Von links: Verena Mertens (neue Leiterin der Direktion Verkehr), Landrat Dr. Axel Lehmann, Polizeichefin Margit Picker und Matthias Brand, neuer Leiter der Direktion Kriminalität. (© Bernhard Preuß)

Kreis Lippe. Ex-Kripochef Wolfgang Pader hat Landrat Dr. Axel Lehmann nicht ausreichend informiert, einzelne Polizisten haben eine saumäßige Ermittlungsarbeit abgeliefert. Punkt. Schönrederei gab es bei der Pressekonferenz in dieser Sache nicht. Die drei Neuen, die das Ganze jetzt in der Kreispolizeibehörde aufarbeiten müssen, haben ihre Führungsqualitäten unter anderem im Landeskriminalamt bewiesen. Und Landrat Dr. Axel Lehmann hat vorgestellt, was sich ändern soll.

Erst Mittwoch ist Margit Picker (53) in Lippe angekommen, am Donnerstag sah sie sich schon diversen Filmteams in einer Pressekonferenz gegenüber, zu der der Landrat eingeladen hatte. Die Gütersloherin ist die neue Abteilungsleiterin Polizei. Allerdings erst einmal kommissarisch übernimmt sie den Job von Bernd Stienkemeier. Wie berichtet, wurde dieser versetzt, weil es im Zusammenhang mit der Missbrauchsaffäre auf dem Campingplatz in Lügde zahlreiche Ermittlungspannen gegeben hat. Ihr zur Seite stehen der neue Kripo-Chef Matthias Brand (37) als Nachfolger von Wolfgang Pader und Verena Mertens, die die Direktion Verkehr leitet.

Bereits im November und ganz unabhängig von Lügde, sagte Lehmann, habe eine Arbeitsgruppe damit begonnen, die Abläufe in der Direktion Kriminalität (80 Beamte) zu analysieren.

„Das Durchschnittsalter liegt bei 51,5 Jahren. Wir profitieren von der Erfahrung der Beamten, aber wir brauchen eine Durchmischung und auch jüngere Leute", sagte Lehmann. Picker und Brand sprachen von einem Vertrauensverlust in die Polizei, der wieder wett gemacht werden müsse. „Dazu gehört eine Analyse im Detail – und wir gehen über diesen Fall hinaus. Auch da, wo seit Jahren gute Arbeit geleistet wird, schauen wir hin", sagte Picker.

Der Landrat stellte einen Acht-Punkte-Plan vor, der in Abstimmung mit dem Personalrat, dem Sonderermittler des Landeskriminalamtes, der neuen Führung und dem Ministerium umgesetzt werden soll. Die interne Kommunikation soll verbessert werden. „Wenn in Blomberg eine Anzeige vorliegt, dann muss sie zuverlässig auf dem richtigen Schreibtisch in Detmold landen", sagte Lehmann. Alle Vermerke und Fall-Dokumentationen sollen nach einem standardisierten Verfahren verfasst werden. „Es soll sicherstellen, dass alle wichtigen Daten in die Akten aufgenommen werden und nicht verloren gehen können", erklärt Kripo-Chef Brand. Ein entsprechendes Computerprogramm, Q-Radar, habe ein lippischer Polizeibeamter entwickelt.

Bei der Aufarbeitung der Fehler sei auch klar geworden, dass das Thema sexualisierte Gewalt einen größeren Stellenwert haben muss. Lehmann kündigte an, dass es spezielle Schulungen geben wird. Der Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Dr. Ulrich Preuß, wird der Führungsspitze der Polizei neueste wissenschaftliche Erkenntnisse vorstellen. Es gehe auch darum, die Anzeichen von Missbrauch schneller zu erkennen. Im zweiten Schritt werden auch weitere Beamte an Fortbildungen teilnehmen.

Außerdem wollen die Jugendämter im Kreis Lippe, die Polizei, der Kinderschutzbund und das Gesundheitsamt noch enger zusammenarbeiten, um einem Missbrauchsverdacht schneller nachgehen zu können. Bereits jetzt gebe es eine Arbeitsgruppe, das Netzwerk soll aber noch enger verknüpft werden. „Es erscheint vielleicht auf den ersten Blick merkwürdig, dass das Gesundheitsamt involviert ist, aber wir wollen auch Auffälligkeiten bei Schuluntersuchungen einbeziehen", sagte Lehmann.

Lehmann entschuldigt sich bei Harnisch

Öffentlicher geht es nicht: Fernsehteams der großen Sender haben gestern eine sehr umfangreiche Entschuldigung von Landrat Dr. Axel Lehmann aufgezeichnet. Sie richtet sich an Reinhold Harnisch, den Chef des Kommunalen Rechenzentrums in Lemgo (krz).

Hintergrund war ein Bericht in der LZ über eine Durchsuchung im krz im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in Lügde. Es ging um Aufzeichnungen des Kreisjugendamtes im Zusammenhang mit dem ersten Pflegekind von Andreas V. Per Gerichtsbeschluss war eine Durchsuchung durchgesetzt worden, obwohl es gar keine digitalisierten Jugendamtsakten im krz gibt. Harnisch hatte das Vorgehen des Landrates scharf kritisiert und sich über den Ton sehr geärgert. „Ich dachte, dass Herr Harnisch die Ermittlungen nicht ausreichend unterstützt. Mein Eindruck war falsch. Ich entschuldige mich dafür, wenn ich eine Grenze überschritten habe", sagte Lehmann.

Berghahn nimmt Reul in die Pflicht

Wenn sich Innenminister Herbert Reul im Zusammenhang mit dem Missbrauchsfall von Elbrinxen vor Mikrofone stellt und über „Behördenversagen in Lippe", eklatante Fehler und schlechten Informationsfluss beklagt, dann ist das für den SPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Berghahn nur die halbe Wahrheit. Er sieht auch beim Minister Defizite.
Berghahn ist seit Bekanntwerden des Missbrauchskandals Vertreter im Innenausschuss. „Schließlich ist mein Wahlkreis hier betroffen." Der Landespolitiker prangert die Informationspolitik des Ministers an: „Schon drei Tage, bevor er an die Öffentlichkeit gegangen ist, hat er vom Verschwinden der Asservate gewusst, da ist das LKA im Bilde gewesen."

Zu diesen Zeitpunkt hätten die Zuständigkeiten längst gewechselt: „Vom 31. Januar stammt der Erlass zur ,sofortigen Übertragung der gesamten Ermittlungsführung an das Polizeipräsidium Bielefeld‘", zitiert Jürgen Berghahn. „Das ist eine ganz klare Anweisung aus dem Ministerium."
Mehr als die Suspendierung des Kripochefs sei Landrat Dr. Axel Lehmann nicht geblieben: „Alles weitere, wie die Versetzung des Polizeidirektors, war Sache des Ministers."
Auch wenn sich der Missbrauch in Elbrinxen wohl nicht durch mehr Personal hätte verhindern lassen, ist Berghahn fest überzeugt, dass Lippes Polizei viel zu schlecht ausgestattet ist: „Nicht umsonst habe ich Anfang 2017 gefordert, die Zahl der Bezirksbeamten zu verdoppeln." Denn die könnten ihrer ureigenen Aufgabe, sich um Belange der Bevölkerung zu kümmern, kaum gerecht werden, weil sie unter anderem bei der Verkehrsüberwachung mit einspringen müssten. Auch Dr. Lehmann habe sich immer dafür eingesetzt, das zu ändern.
In der Tat hatte der Landrat auch am Rande seiner ersten Presseerklärung zum Lügder Missbrauchsfall noch einmal die prekäre Personallage Lippes beklagt – allerdings betont, dass das primär nichts mit dem aktuellen Missbrauchsfall zu tun habe.

Jürgen Berghahn gibt Dr. Lehmann Recht, auch wenn er dessen Informationspolitik im aktuellen Fall nicht hundertprozentig gutheiße. Der Personalschlüssel richte sich nun mal nach den anfallenden Delikten und nicht nach Bevölkerungszahl und Fläche des Einsatzgebietes. Dabei komme Lippe am schlechtesten weg. „Das ist ganz klar die politische Verantwortung des Innenministers."

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