Menschen mit Behinderungen erstellen Forderungskatalog

Kreis Lippe. Eine Bürgersteigkante stellt für Fußgänger keine Hürde dar – für Rollstuhlfahrer ist sie ein unüberwindbares Hindernis. Leitlinien für Blinde im Straßenpflaster – sind sie auf dem Wochenmarkt zugebaut, ist ihr Stadtbummel zu Ende, bevor er begonnen hat. Zwei kleine Beispiele für Barrieren, die Menschen mit Behinderungen den Alltag schwer machen – und meist ohne allzu großen Aufwand abzubauen wären.

Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen haben in Zusammenarbeit mit der &bdquo;Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB)", dem &bdquo;Kompetenzzentrum Selbstbestimmtes Leben (KSL)" sowie der Inklusionsbeauftragten des Kreises Lippe einen Forderungskatalog erarbeitet, der eine Vielzahl von Missständen und Ideen zu deren Behebung auflistet und Vorschläge für eine bessere Teilhabe der Betroffenen macht. Das Werk mit dem Titel &bdquo;Wir wollen ernst genommen werden. Fragt uns! Nicht ohne uns über uns!" wurde am Montag an Landrat Dr. Axel Lehmann übergeben.

Experten in eigener Sache Danuta Feierabend, Ute Büchner und Betty Arlt illustrierten die Forderungen durch Schilderung ihrer Erlebnisse. So beklagte Danuta Feierabend – Blickpunkt-Auge-Beraterin, Mitglied im Leitungsteam der Bezirksgruppe Lippe im Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen und selbst sehbehindert – dass sie und ihre Klientel keine Bleibe haben, um sich zu treffen. Zwar berät sie Betroffene telefonisch, aber: &bdquo;Wenn Blinde ein, zwei Monate zuhause bleiben müssen wegen Corona, dann wird Einsamkeit zu einer zusätzlichen Behinderung." Wenn ein Linienbusfahrer den hingehaltenen Blindenausweis wortlos abnicke, sei das wenig hilfreich. &bdquo;Ein einfaches ’Danke’ reicht – dann weiß ich, er hat ihn gesehen." Volker Brezinski ergänzte, dass das Personal in Kliniken und Pflegeheimen besser im Umgang mit Blinden geschult werden müsse: &bdquo;Die Leute wissen nicht, was wir selber können und wo wir Hilfe benötigen."

Ute Büchner, Rollstuhlfahrerin, Mitglied des Runden Tisches Inklusion und in der &bdquo;Jungen Wohnpflege" lebend, bemängelte, dass Linienbusse nur einen Rollstuhlfahrer pro Fahrt mitnehmen. Sei der besetzt, müssten Betroffene auf den nächsten oder übernächsten Bus hoffen. Gehwege seien oft zu schmal, einander begegnende Rollstuhlfahrer kämen kaum aneinander vorbei, abgesenkte Bordsteine seien viel zu selten. Serviceeinschränkungen bei den Fahrdiensten schränkten die Bewegungsfreiheit abends und an den Wochenenden ein.

Kinobesuche sind schwierig Kein gutes Haar ließ Büchner an Pflegeheimen: &bdquo;Selbstbestimmtes Leben ist dort praktisch nicht möglich", stellte sie fest. Hier werde regelmäßig, wenn auch nicht absichtlich, gegen die ersten drei Artikel des Grundgesetzes verstoßen – Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Gleichberechtigung. Wegen Corona sei man im Pflegeheim wochenlang wie in einem Ghetto eingesperrt gewesen: &bdquo;Das macht schon was mit einem." Hygieneregeln könnten aus Zeit- und Personalmangel nicht wie erforderlich eingehalten werden, stellte Büchner fest, die selbst im Krankenhaus gearbeitet hat.

Betty Arlt (Runder Tisch Inklusion) machte darauf aufmerksam, dass man Menschen eine Depression oder ein Burn-out nicht ansehen könne. Aber auch die bräuchten, wie alle Behinderten, Beratung, soziale Kontakte und einen Tapetenwechsel.

Kreis will prüfen, was schnell umgesetzt werden kann Landrat Axel Lehmann gab sich überzeugt, dass Inklusion im Kopf beginnt. &bdquo;Es bedeutet nicht, Menschen mit Beeinträchtigungen zu ertüchtigen, in unserer Gesellschaft klar zu kommen, sondern wir müssen die Gesellschaft umbauen." Es sei noch einiges zu tun in Sachen besserer Teilhabe an Politik, Kultur oder Sport, bei der Mobilität oder am Arbeitsmarkt. Er werde prüfen lassen, was sich kurzfristig umsetzen lasse. Das Papier werde er auch den Kreistagsfraktionen, Fachausschüssen, den Kommunen, Bundes- und Landtagsabgeordneten zukommen lassen.

Eine Veränderung wird es bereits bei der Neubesetzung der Stelle des Behindertenbeauftragten geben. Laut Karl-Eitel John (Kreisverwaltung) soll es erstmals ein offenes Bewerbungsverfahren geben, so dass alle Menschen mit Beeinträchtigungen Interesse an dem Ehrenamt bekunden können. Der neue Kreistag wird dann entscheiden.

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