„Es wird nicht das katastrophalste Weihnachten sein, das wir je erlebt haben“

Kreis Lippe . Die Pandemie hat uns seit einem Dreivierteljahr im Griff; nun geht es auf Weihnachten zu. Es wird ein ganz anderes Fest werden, sagt auch Dietmar Arends, Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche. Aber eines, das die Gemeinden &bdquo;in guter Weise" annehmen werden.

Ist Weihnachten noch zu retten? Das scheint in diesen Tagen die wichtigste Frage überhaupt zu sein. Gehen diese Sorgen nicht ein wenig zu weit?

Dietmar Arends: Diese Schlagzeile ist geradezu eine Steilvorlage für uns als Kirche. Wir müssen Weihnachten ja gar nicht retten. Es ist ja von unserem Verständnis her genau umgekehrt: Das Weihnachtsfest dreht sich darum, dass Gott die Welt und damit uns rettet.

Kommt das bei den Menschen noch an? Zurzeit geht es offensichtlich nur darum, wer wen wann in welcher Gruppengröße treffen darf.

Arends: Dahinter steckt natürlich das berechtigte Anliegen, dass Weihnachten Gott sei Dank in vielen Familien ein Fest der Familie ist. Das ist ja etwas Schönes, und dass dies in der üblichen Weise in Frage gestellt ist, finde ich auch hart. Das bringt Herausforderungen mit sich, wie das Fest gestaltet werden kann. Das können und müssen wir aber aushalten. Wir können trotzdem gut Weihnachten feiern.

Sie rücken die Lockdown-Regeln also in ein anderes Licht.

Arends: Corona hat weit schlimmere Konsequenzen als bloße Kontaktbeschränkungen. Allein in Lippe sind mehr als 80 Menschen gestorben. Das sind doch ganz andere Auswirkungen, die ich für weit dramatischer und trauriger halte als die Tatsache, dass wir ein anderes Weihnachten feiern werden. Und der Blick in die Welt ist noch mal ein ganz anderer. Der Hunger kehrt vielerorts zurück, die Menschen können kein Geld mehr verdienen, um sich etwas zu essen zu kaufen, weil die Corona-Maßnahmen Arbeit verhindern. Da geht es uns hier trotz aller Maßnahmen vergleichsweise gut.

Sich diese Dinge klarzumachen, hilft also, sich dennoch aufs Fest zu freuen?

Arends: Es kann helfen, Wege zu einem anderen Weihnachten zu finden.

Welche Wege sind das?

Arends: Etwa neu zu fragen: Worum geht es eigentlich? Worum geht es Gott? Wenn wir uns die biblische Weihnachtsgeschichte ansehen, dann sehen wir übrigens: Damals herrschte eben keine heile Welt. Da waren die römische Besatzungsmacht, Gewalt, Unterdrückung, Flucht, Vertreibung. Dann kommt Gott und sagt: &bdquo;Fürchte dich nicht. Ich will diese Welt verändern." Das kann uns dabei helfen, darüber nachzudenken, was Weihnachten bedeutet.

Ist das die Chance, die Corona birgt?

Arends: Mit dem Wort &bdquo;Chance" bin ich vorsichtig. Menschen sterben an dieser Krankheit, sie bereitet große Not. Ich möchte dieser Krankheit an sich nichts Positives abgewinnen. Trotzdem lässt sie uns die Augen für bestimmte Dinge öffnen.

Welche?

Arends: Fragen Sie sich: Wer ist besonders von Einsamkeit bedroht? Wenden Sie sich diesem Menschen zu! Schreiben, anrufen! Und die meisten von uns kennen ja mittlerweile Menschen, die von Corona betroffen sind, die Angehörige, Freunde verloren haben ...

... mittlerweile ja...

Arends: ... dass man an die besonders denkt. Und, für uns ganz wichtig: Brot für die Welt steht in diesen Tagen im Mittelpunkt. Gerechtigkeit in der Welt ist ein wichtiger Baustein unserer kirchlichen Arbeit, deswegen bitten wir um Spenden und darum, an die zu denken, denen es weit, weit schlechter geht als uns.

Wünschen Sie von der Politik, dass sie diese &bdquo;Gefahr fürs Weihnachtsfest" nicht so überbetonen würde?

Arends: Ich erwarte, dass sie das große Ganze im Blick behält. Das ist ja eine Herausforderung an uns alle, und ich habe Hochachtung vor den Politikern und dem, was sie in diesen Zeiten leisten. Trotzdem besteht natürlich die Gefahr, dass Dinge übertrieben werden. Eins ist aber gewiss: Es wird nicht das katastrophalste Weihnachten sein, das wir je erlebt haben. Es hat in der Geschichte schon weitaus schlimmere Weihnachten gegeben. Auch individuell haben Menschen schon sehr traurige Feste erlebt.

Welche Signale bekommen Sie aus den Kirchengemeinden?

Arends: Nun, Weihnachten ist ja schon ein besonders Ereignis – da begann ja alles! Das feiern wir normalerweise groß und festlich, mit festlichen Gottesdiensten, viel Musik, Gesang. Dass Gemeinden darunter leiden, dass es dieses Jahr anders ist, ist deutlich.Trotzdem: Sie nehmen die Situation an und wollen miteinander feiern. Es gibt jede Menge Freiluftgottesdienste, in denen gesungen wird. Es gibt mehr Gottesdienste, damit sich die Personen besser verteilen. Andere Formen von Gottesdiensten, digitale Angebote. Die Gemeinden sind da sehr kreativ. Sie nehmen die Situation an. Wir feiern anders, aber trotzdem in guter Weise auch als Gemeinden Weihnachten.

Das Interview führte LZ-Redakteur Martin Hostert.

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