Lippes Händler und Wirte distanzieren sich von #wirmachenauf

Kreis Lippe . Mit jedem Tag scheint die Anspannung zu wachsen, die Frustration im Schatten der Pandemie größer zu werden. Für viele Selbstständige, Gastronomen und Einzelhändler geht es nach Monaten des Stillstands, des &bdquo;Nicht-Arbeiten-Könnens", um die pure Existenz. Langsam werden die kritischen Stimmen lauter. Mit der erneuten Verlängerung des Lockdowns bis zum 31. Januar regt sich auch im Netz konkreterer Widerstand.

Unter der Kampagne #wirmachenauf wird dazu aufgerufen, die Geschäfte trotz Lockdowns ab dem heutigen Montag wieder zu öffnen und sich über die Maßnahmen der Regierung hinwegzusetzen. Knapp 60.000 Mitglieder sind mittlerweile in der neu eröffneten Telegram-Gruppe, mehrere Tausend Geschäfte wollen laut einer dort veröffentlichten Umfrage mitmachen. Doch wie wird die Kampagne überhaupt in Lippe wahrgenommen? Eine Stichprobe legt nahe: Hierzulande wird sich wohl kein Ladenbesitzer dem Ruf aus der von der Querdenker-Szene gegründeten Gruppe anschließen. Dennoch schwingt auch Verständnis für die Situation mit – und allen voran der Frust.

&bdquo;Es geht schließlich um Existenzen. Das kann man nur nachvollziehen, wenn man selbst in der Situation ist", sagt André Matyschik, Inhaber des Modegeschäfts Freistil in Bad Salzuflen. Vor elf Jahren habe er sich erfolgreich selbstständig gemacht, ein Onlinegeschäft sei nie nötig gewesen. Jetzt sieht alles anders aus. Die gefassten Pläne für 2020 zerplatzten wie Seifenblasen. Wie es weitergeht und wann es endlich weitergeht, steht in den Sternen.

Die im Internet geborene Kampagne hält Matyschik dennoch für einen schlechten Weg. &bdquo;Sollen wir jetzt alle einen auf Revoluzzer machen? Was bringt das?" Das Problem liege schließlich nicht nur an den Maßnahmen, sondern vor allem auch in der Gesellschaft. &bdquo;Würde jeder ein gesundes Maß an Eigenverantworten leben, wären wir gar nicht in dieser Situation", sagt der Salzufler. Vom Frust will er sich aber nicht weiter zerfressen lassen. Und das, obwohl Matyschik schon seit drei Monaten auf Hilfen warte, die ihm eigentlich innerhalb von drei Wochen zugesichert worden seien.

Einfach keine adäquaten Hilfen Die nur zäh fließenden Hilfen der Regierung scheinen ein Grund zu sein, weshalb die Aktion #wirmachenauf überhaupt so viel Zuspruch erhält. Auch Markus Henkel, Inhaber des Sportgeschäfts Intersport in Lemgo, ärgert sich darüber, dass Unterstützung nicht ankommt und ganze Branchen benachteiligt werden. Tausendfach habe er mit seinem Steuerberater hin- und hergerechnet, um an Hilfen für seinen Laden und seine Mitarbeiter zu kommen. Am Ende sei dabei herausgekommen: &bdquo;Für mein Geschäft gibt es einfach keine adäquate Hilfen", sagt Markus Henkel. Der Umsatzeinbruch sei eben anders gelagert als in der Gastronomie, da der Einzelhandel teilweise habe öffnen können, das mache die Rechnungen schwer.

Und dennoch kann der Lemgoer die Reaktion seiner Kollegen in Baden-Würtemberg nicht nachvollziehen. Dort gibt es Sportladenbesitzer der Kette, die ihre Läden ab Montag für Kundschaft teilweise aufschließen wollen, um Wintersachen loszuwerden. &bdquo;Das bringt doch nichts. Wir leben in einer Demokratie, da muss man andere Mittel und Wege nutzen", sagt Henkel. Man könne zum Beispiel gegen die Entscheidung des Lockdowns klagen und Entscheidungen hinterfragen. Aber keinem sei damit geholfen, einfach bei Rot über die Straße zu gehen. Auch wenn der Lemgoer Geschäftsmann den Wunsch und das Aufbäumen rein menschlich nachvollziehen kann.

Die Frustration verstehen, kann auch Holger Lemke, Restaurantchef und Inhaber der Windmühle Fissenknick in Horn-Bad Meinberg. &bdquo;Der Frust wird immer größer, weil bisher weder November- noch Dezemberhilfen angekommen sind", sagt der lippische Dehoga-Präsident. Und dennoch wolle er sich klar von der Kampagne distanzieren. &bdquo;So geht es nicht, das bringt keinem was", sagt er. Die nicht gezahlten Hilfen, die teils unverständigen Maßnahmen – all das seien aber wohl kleine Tropfen, die eben nach und nach das Fass zum Überlaufen bringen würden. Ein guter Nährboden für derartige Kampagnen, auch wenn sich der lippische Dehoga-Chef nicht vorstellen könne, dass diese in Lippe überhaupt eine Lobby hätten. Doch die Aussichten seien bitter. &bdquo;Ich geh davon aus, dass die Gastronomie erst wieder weit nach dem Einzelhandel öffnen kann", sagt er. Und das könne sich noch gar ein paar Monate hinziehen.

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