Detmold. Das Landestheater ist in die Jahre gekommen. Einen Investitionsstau gibt es seit Jahren – und seit Jahren bewegt die Politik und den Aufsichtsrat die Frage: Was tun? Gemeinsam gehen es die Hauptgesellschafter Kreis Lippe, Landesverband und Stadt Detmold nun an. Klar ist: Es wird ein Mammutprojekt, in dem das Theater vielleicht zum Teil abgerissen und neu gebaut, in jedem Fall aber saniert sowie konzeptionell neu ausgerichtet werden soll.
Die zu erwartenden Kosten? „50 Millionen Euro plus“, schätzt Aufsichtsratsvorsitzender und Landrat Dr. Axel Lehmann. Der Zeitrahmen? „Wir sprechen oft von dem Jahr 2030“, erklärt sein Stellvertreter und Detmolds Bürgermeister Frank Hilker. Wer bezahlt es? „Der Antrag für zunächst das Bundesförderprogramm KulturInvest ist auf dem Weg“, sagt Landesverbands-Vorsteher Jörg Düning-Gast.

Denn klar ist, dass die Gesellschafter das Projekt nicht ansatzweise aus eigener Tasche finanzieren können. Zum Vergleich: Die Kosten für den Bau am Freilichtmuseum wurden zuletzt mit 58 Millionen Euro beziffert. In diesen Dimensionen bewegt sich auch das Vorhaben für das Theater. Einiges müssten die Gesellschafter natürlich durchaus selbst bezahlen, aber die drei Hauptgesellschafter hoffen auf eine Initialwirkung, falls es eine Zusage aus dem Bundesförderprogramm gibt.

Die Problemzonen sind Bausubstanz, Technik, Logistik und Arbeitsschutz
Unterstützt werden mit KulturInvest Investitionen in Gebäude und Ausstattung, wie etwa die Sanierung der Gebäudehülle, die Erneuerung der Gebäudetechnik, andere Modernisierungen, die Förderung kultureller Vermittlungsangebote sowie die Sicherheit und ökologische Nachhaltigkeit. Alle Bereiche werden Detmold und das Landestheater betreffen. Mit 50 Prozent wäre der Bund bei den Kosten dabei. „Falls es eine Zusage gibt, wird es sicherlich leichter, weitere Fördergelder aus Programmen des Landes NRW zu erhalten", erklärt Jörg Düning-Gast.
Den Sanierungsstau gibt es jedenfalls schon seit langer Zeit. Das Landestheater ist über viele Jahrzehnte hinweg gewachsen. Verschiedentlich wurde angebaut, ein Teil steht unter Denkmalschutz, andere Bereiche nicht. 1969 wurde ein erster Erweiterungsbau mit Werkstätten, Probenräumen, Unterbringungsmöglichkeiten für den Fundus, Verwaltungsräumen und dem Ballettsaal eingeweiht. Ein zweiter Anbau mit Orchesterprobenraum, Arbeitsräumen für Dramaturgie, Bühnenbildner, Regieassistenten sowie Garagen für die Transporter des Hauses kam 2008/2009 hinzu. Doch wer regelmäßig durch das Gebäude läuft, der weiß: Es ist ein Labyrinth, alles in die Jahre gekommen und die Logistik wenig optimal. Das betrifft die Technik sowie den Arbeitsschutz in den Werkstätten und vieles mehr – natürlich auch den Klimaschutz im Zusammenhang mit Heizungen, Dämmungen und dem Dach.
Keine Flickschusterei und neue Impulse für die Zukunft
Dr. Axel Lehmann: „Daraus ergab sich die Entscheidung, eine langfristige Lösung zu finden und keine Flickschusterei zu betreiben.“ Und an die bauliche Frage habe sich angeschlossen: Wie sollte ein Theater der Zukunft in Lippe konzeptionell ausgerichtet sein? „Damit ist gemeint, dass es offener sein und neue Impulse geben sollte“, schildert der Aufsichtsratsvorsitzende. Zudem stellten sich neue Herausforderungen für das Digitale: Hier habe die Bühne ja in Corona-Zeiten dargelegt, was möglich sei – und Frank Hilker ergänzt: „Mit der Medienproduktion der TH in Detmold gäbe es hierfür gewiss einen optimalen Partner.“
In der Folge wurden zwei Gutachter-Büros mit Untersuchungen beauftragt – für das Bauliche und das Inhaltliche. Detmolds Bürgermeister Frank Hilker fasst zusammen: „Es geht um das Drinnen, das Draußen und das Drumherum.“ Mit den Gutachten liegen zunächst detaillierte, umfassende und aktuelle Daten über alle relevanten Aspekte und den Zustand des Gebäudes, das dem Landesverband gehört, sowie Empfehlungen für das Landestheater der Zukunft vor. „Hier“, sagt Dr. Axel Lehmann, „haben wir vor allem drei Ergebnisse: Das Junge Theater und die Kulturelle Bildung sollten intensiviert werden. Die Öffnung des Theaters und die Niederschwelligkeit sind zu fördern – und wir sehen ja bereits mit laufenden Formaten auf dem Schloßplatz, wie gut das funktioniert. Drittens soll das Digitale Theater ausgebaut werden.“
Was den Umbau angeht, sei schnell klar geworden, so Düning-Gast, dass Abreißen besser sein könnte, als im Bestand zu arbeiten. Unter Denkmalschutz steht natürlich die Säulenfassade, die das Gesicht des Theaters ist und nicht angetastet wird. Denkbar sei allenfalls eine Art der baulichen Ergänzung, um das Theater visuell mehr in Richtung Innenstadt zu öffnen. Bei der Bausubstanz dahinter, die sich an den Saal anschließt, den Innenhof einfasst und in dem sich unter anderem viele Werkstätten befinden, sieht es mit dem Denkmalschutz anders aus.
Das Junge Theater mit unter das Dach des großen Hauses
Dazu kommt der Gedanke, dass zwei Standorte nicht optimal sind und dass das Junge Theater, das in Bahnhofsnähe verortet ist, künftig besser im Haupthaus verortet wäre. Zwei Spielzeiten würde das Großprojekt sicherlich in Anspruch nehmen. Eine Operation am offenen Herzen gebe es eher nicht: „Der Spielbetrieb müsste für gewiss eine Spielzeit verlagert werden“, sagt Jörg Düning-Gast. Bühnen-Möglichkeiten gebe es zum Beispiel im Sommertheater, in Bad Meinberg oder auch in Bad Salzuflen.
Was das „Drumherum“ angeht, kommt die Stadt Detmold vor allem mit dem Projekt „Parkhaus Lustgarten“ ins Spiel. Es grenzt unmittelbar an das Landestheater an. Ein architektonisches Konzept gibt es dafür bereits nach einem Wettbewerb. Laut Bürgermeister Frank Hilker ist hier – vor dem Hintergrund des Gedankens der auch baulichen Öffnung des Theaters – zum Beispiel ein logistisches Zusammenspiel denkbar, um Belange des Theaters in den Bereich Lustgarten einzubeziehen. Faktisch könne das zum Beispiel bedeuten, dass auf dem Areal geplante Pavillons genutzt werden, eventuell für eine Theaterkasse. Zum „Drumherum“ zähle außerdem, dass das Theater in Zukunft mehr auf andere Zielgruppen zugehe und stärker das Umfeld einbeziehe – so wie es ja schon auf dem Schloßplatz geschehe.
"Eine wichtige und nötige Entscheidung für Lippe"
„Für Lippe und OWL“, schildert Aufsichtsratsvorsitzender und Landrat Dr. Axel Lehmann, „hat das Landestheater eine Leuchtturmfunktion, die wir für die Zukunft sichern und ausbauen wollen und müssen.“ Dafür werde man an einem Strang ziehen und habe die Gutachten bereits in informellem Rahmen Kulturpolitikern vorgestellt. Natürlich würden sich die politischen Gremien wie der Kreistag, die Verbandsversammlung und der Rat der Stadt Detmold mit dem Thema Theater bald befassen.
Und wenn in einer kommenden Spielzeit nach dem Wechsel des bisherigen Intendanten Georg Heckel nach Oldenburg eine neue Intendanz für Detmold gefunden sei, dann solle das Konzept für die Bühne bereits stehen. „Es ist ein wichtiger, richtiger und nötiger Schritt – auch für die Mitarbeiter, die wissen wollen, wie es weitergeht, sowie für künftige Mitarbeiter, die in Detmold eine zeitgemäße Bühne mit einem zukunftsgerichteten Konzept finden sollen“, so Lehmann.
Was die Fördergelder des Bundes angehe, rechne man mit einem Signal noch in diesem Jahr. Danach könne man weitere Förderanträge auf den Weg schicken und auch die Kommunalparlamente mit der Kostenfrage befassen. „Allerdings“, schränkt Dr. Lehmann ein, „müssen wir der aktuellen Haushaltslage allerorten ins Auge sehen.“ Die sei nämlich zurzeit denkbar schlecht. Gleichwohl sei erkennbar: Das Bewusstsein dafür, dass am Landestheater jetzt etwas geschehen muss, sei bei den relevanten Entscheidern da.