Detmolder Juristin schweigt zum Prozessauftakt - Verteidiger hält Verfahren für eine Farce

Kreis Lippe. Bis zur letzten Sekunde vergräbt die angeklagte Rechtsanwältin aus Detmold (58) ihr Gesicht in der Kapuze, damit bloß keine Kamera zu viel von ihrer Silhouette einfangen kann. Vor mehr als anderthalb Jahren hat der Fall gegen die vorrangig als gesetzliche Betreuerin arbeitende Juristin erstmals Schlagzeilen gemacht. Damals saß sie für einige Wochen in U-Haft. Jetzt muss sich die Detmolderin gemeinsam mit einer Kanzlei-Mitarbeiterin und einem Immobilienmakler wegen gewerbsmäßigen Betrugs auf der Anklagebank verantworten.

Die Staatsanwaltschaft Detmold wirft der Anwältin vor, ihr Amt als gesetzliche Betreuerin zwischen Februar 2019 bis 2023 dazu missbraucht zu haben, acht ihrer Klienten um Geld gebracht zu haben. Im Zuschauerraum sitzt eine weitere mutmaßliche Geschädigte. Ihr eigener Fall sei verjährt, sagt sie. Dennoch möchte sie wie viele andere wissen, was aus diesem Verfahren wird. In der Anklage geht es um 38 Vorwürfe - als materiellen Schaden hält Oberstaatsanwalt Christopher Imig rund 65.000 Euro fest.

Sollten sich die Vorwürfe gegen die Kanzlei-Mitarbeiterin bestätigen, stehen aus Sicht der Ermittlungsbehörde 94.000 Euro im Raum. Die 31-Jährige soll mithilfe ihrer Chefin die Wohnung einer betreuten Frau - inzwischen 85 Jahre alt - im Herbst 2022 zu einem viel zu geringen Kaufpreis erworben und die Seniorin zum Verkauf bedrängt haben. In diesem Fall ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft auch ein Immobilienmakler aus Bielefeld involviert. Ihm wird vorgeworfen, den Wert der besagten Wohnung am Bandelberg mit 87.000 Euro viel zu niedrig eingeschätzt zu haben. Einem Gutachten nach soll die Wohnung doppelt so viel wert gewesen sein.

Wirtschaftskammer erwartet langwieriges Verfahren

Dass es für die Wirtschaftskammer unter dem Vorsitz von Richterin Katharina Schikowski kein leichtes Verfahren wird, zeichnet sich nach wenigen Minuten ab. Verteidiger Georg Schulze aus Bielefeld macht keinen Hehl daraus, was er von dem Ganzen hält. &bdquo;Dieses Verfahren ragt aus allen anderen heraus“, sagt der Strafverteidiger. 30 Jahre übe er diesen Beruf aus, etwas Vergleichbares habe er noch nie erlebt. &bdquo;Noch nie habe ich so eine einseitige staatsanwaltliche Ermittlungsarbeit gesehen.“ Er geht noch weiter. &bdquo;Das ist nicht rechtsstaatlich.“

Seinen direkten Antrag, die Hauptverhandlung noch einmal einen Monat auszusetzen, weil einige wichtige Ermittlungsergebnisse der Verteidigung erst drei Wochen vor dem Prozessauftakt übermittelt worden seien, lehnt die Kammer aber nach einer halbstündigen Beratung ab. Die Verteidiger hätten genug Vorbereitungszeit gehabt, sagt die Vorsitzende, außerdem sei einer der beanstandeten Komplexe erst zu einem späteren Zeitpunkt der Beweisaufnahme geplant.

Nur der Immobilienmakler lässt sich ein

Zu den Vorwürfen will sich seine Mandantin zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern, gibt Verteidiger Schulze an. Der immer noch praktizierenden Juristin - sie darf derzeit nur keine Betreuungs- und Erbsachen bearbeiten - fällt es an einigen Stellen sichtlich schwer, nicht doch einen Kommentar abzugeben. Ihr Verteidiger hält sie zurück. Auch die mitangeklagte Kanzlei-Mitarbeiterin schweigt an der Seite ihres Verteidigers Bahattin Koyun aus Bielefeld.

Einzig der von Rechtsanwalt Martin Rother aus Gütersloh vertretende Immobilienmakler (70) nimmt zu den Vorwürfen gegen ihn Stellung. Er habe gar kein Gutachten der betroffenen Wohnung erstellt, sondern - wie in der Branche üblich - vorab mit rudimentären Daten einen vorläufigen Wert des Objekts ermittelt. Dabei hätte er auch die massiven Mängel in der Wohnung berücksichtigt, sie sei unvermietbar gewesen, sagt er. &bdquo;Ich wäre total bescheuert, wenn ich eine Einschätzung abgeben würde, die ich für nicht realistisch halte.“ Einen Auftrag habe er nicht bekommen.

Erst am Nachmittag wird die Betroffene selbst als Zeugin in den Saal geschoben. Seit einem Oberschenkelhalsbruch kann die 85-Jährige nicht mehr laufen, sie sitzt im Rollstuhl. In ihrer alten Wohnung ohne Fahrstuhl hätte sie daher nicht mehr selbst wohnen können. Zum Verkauf wäre nach Auskunft ihres Anwalts Florian Faltin, der auch als Zeuge aussagt, aber nicht bereit gewesen. Das bestätigt die Seniorin selbst im Zeugenstand. Sie musste damals wegen einer psychischen Erkrankung vorübergehend betreut werden. &bdquo;Das war keine Entscheidung. Ich habe mich auf die Frau eingelassen und war nicht so aufnahmefähig. Ich wusste nichts und habe dann doch schließlich eingewilligt.“ Die Mitarbeiterin hatte die Wohnung für 82.500 Euro gekauft.

Schon zum Prozessauftakt kann die Kammer ihr striktes Beweisprogramm nicht nach Zeitplan durchziehen. Es geht um viele Details, die aufgearbeitet werden müssen. Das wird genauso bei den weiteren Vorwürfen nötig sein. Einmal soll die Anwältin das mit rund 118.000 Euro gefüllte Sparbuch eines betreuten Klienten an sich genommen und in ihren Jahresberichten nicht erwähnt haben. &bdquo;Nach dem Tod des Betreuten verschwieg sie das Vermögen auch den Erben“, sagt Imig. Mehr als eine halbe Stunde braucht der Oberstaatsanwalt, um die Anklage zu verlesen.

Bis Februar sind bisher noch zehn weitere Prozesstage angesetzt. Die Verhandlung wird am 25. November fortgesetzt.

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