Zeugen kontaktiert? Staatsanwalt bringt Haftbefehl gegen Detmolder Anwältin ins Spiel

Detmold. Am Ende kommt der Knall. Dabei hätte der zehnte Prozesstag fast eine ganz gewöhnliche und teils zähe Beweisaufnahme vor der Wirtschaftskammer abgegeben. Bis Oberstaatsanwalt Christopher Imig sich am Ende Luft macht - und das Verhalten der wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Untreue angeklagten Rechtsanwältin scharf kritisiert. Die Detmolder Juristin soll während der Hauptverhandlung Kontakt zu mutmaßlichen Geschädigten und damit potenziellen Zeugen aufgenommen haben.

Bei der Staatsanwaltschaft Detmold kommt dieses Vorgehen weniger gut an. &bdquo;Ich kann Ihnen nur raten, die Füße still zu halten. Mit solchen Aktionen drücken Sie gewisse Knöpfe“, sagt Oberstaatsanwalt Imig und blickt dabei ernst zu der ihm gegenüber sitzenden Angeklagten herüber. Die Juristin bleibt in diesem Moment regungslos.

Darum geht es vor Gericht

Staatsanwaltschaft spricht möglichen Haftbefehl an Theoretisch sei die Kontaktaufnahme ein Grund für die hiesige Ermittlungsbehörde, einen Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr zu beantragen, sagt Imig, auch wenn er davon absehen wolle. Als Fachanwältin für Strafrecht müsse der Angeklagten bewusst sein, dass solche Schritte während des laufenden Prozesses nicht gingen.

Dass dabei Zahlungen beglichen worden sind, wie es die Anwältin kurz an dieser Stelle darlegt, macht es aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht besser. Schließlich sei deren Ausbleiben über Jahre überhaupt erst der Grund gewesen, dass der Vorwurf angeklagt worden sei. Verteidigerin Christina Peterhanwahr erklärt dazu, ihre Mandantin sei ja an einen Verein, nicht aber an eine einzelne Privatperson herangetreten.

Dieses Argument lässt die Vorsitzende Richterin Katharina Schikowski nicht gelten. &bdquo;Es ist nicht vorteilhaft zu Menschen, die als Zeugen geladen sind, Kontakt aufzunehmen“, sagt die Richterin.

Einem anderen mutmaßlichen Geschädigten soll die Angeklagte kürzlich einen Mahnbescheid von knapp 6000 Euro zukommen haben lassen, das Schreiben kommt zu den Akten. Daneben habe die Angeklagte eine andere Betroffene angezeigt, wirft Imig ein. Die inzwischen 67-jährige Rentnerin sitzt an diesem Donnerstagmittag ebenfalls in Saal 165 und soll aussagen.

In diesem angeklagten Komplex wirft die Staatsanwaltschaft Detmold der Anwältin vor, ihre vorübergehende Vollmacht für die damals hilfsbedürftige Frau ausgenutzt zu haben. Demnach soll die Juristin dem Vorwurf nach mehrfach Geld abgehoben und für sich behalten haben.

Anwältin soll Vollmacht ausgenutzt haben Dass die betroffene Frau einmal eine Quittung mit dem Erhalt von 1900 Euro in bar unterschrieben habe, erinnert die Zeugin vor Gericht nicht. Selbst als das Dokument an die Leinwand gestrahlt wird. &bdquo;Ich erinnere mich, etwas unterschrieben zu haben“, sagt die Frau. &bdquo;Aber so viel Geld habe ich nicht gehabt.“ Etwa 950 Euro seien bei ihr angekommen, obwohl sie nichts gewollt oder gebraucht habe.

Der Seniorin ging es zwischen Januar und Mai 2021 psychisch und körperlich sehr schlecht, daher musste sie vorübergehend in Kurzzeitpflege. Eine gesetzliche Betreuung durch die Anwältin sei dann aber nicht zustande gekommen, da sich die Detmolderin nach ein paar Monaten wieder erholt habe.

Vor Gericht versucht die Wirtschaftskammer herauszuarbeiten, wem eine weitere Geldabhebung Mitte Februar von 300 Euro zugeordnet werden kann. Dazu hört die Kammer auch Mitarbeiter der Bank. Zwar scheint auf der entsprechenden Quittung die Unterschrift der Seniorin abgebildet zu sein, dem Plan der Heimleiterin nach hatte die Bewohnerin das Haus an diesem Tag aber nicht verlassen. Dabei sei alles protokolliert - sogar, dass die Bewohnerin mit Genuss ein Toast Hawaii zu Abend gegessen habe.

Zu Beginn dieses sich immer wieder verzögernden Prozesstages kommt auch der psychiatrische Gutachter Dr. Michael Hintersdorf zu Wort. Der Sachverständige ist genau wie die Amtsärztinnen des Kreises Lippe überzeugt davon, dass die Angeklagte verhandlungsfähig ist. Zwar sei die Situation jetzt sowie die U-Haft zu Beginn des Ermittlungsverfahrens verständlicherweise belastend, aber keineswegs als traumatisch anzusehen.

Aus Sicht des Gutachters neigt die Angeklagte dazu, aufkommende Angstgefühle viel schlimmer wahrzunehmen als diese eigentlich sind. Richtige Panikattacken erleide die 59-Jährige nicht, sagt Hintersdorf. Die mutmaßliche Panik trete bloß auf, wenn es vor Gericht um vorgeworfene Fehltritte gehe. Mit genügend Pausen und gegebenenfalls Medikamenten zum Stressabbau könne die Anwältin den Prozess problemlos bewältigen.

Die Verhandlung geht am 18. Februar weiter.

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