Karte statt Cash: Die ersten Geflüchteten in Lippe bekommen weniger Bargeld in die Hand

Kreis Lippe. Geflüchtete sollen weniger Bargeld in der Tasche haben. Noch der alte Bundestag hatte deshalb die Option einer Bezahlkarte ins Asylgesetz geschrieben - und 14 Bundesländer ziehen mit, NRW inklusive. Weniger als zwölf Monate nach Beschluss kommt das recyclefähige Kärtchen auch in Lippe an. Die Landesunterkunft im Lagenser Ortsteil Hörste ist im Regierungsbezirk Detmold eine der ersten Einrichtungen, in denen Geflüchtete ihr Taschengeld per Visa bekommen, bestätigt Pressesprecher Peter Westphal von der Bezirksregierung.

Visa kommt dabei nicht von Visum, was bei Menschen auf der Flucht auch denkbar wäre, sondern ist der Name des weltweit operierenden Zahlungskarten-Anbieters. Denn der stellt die Debitkarte zur Verfügung. Debit heißt Lastschrift - es sind also Guthabenkarten, mit denen man nicht wie bei &bdquo;echten“ Kreditkarten auf Pump kauft.

Monatlich 177 Euro Stattdessen wird Woche um Woche das Taschengeld in kleinen Häppchen auf die Karte gebucht und bei jeder Zahlung geht was runter, erklärt Westphal. Monatlich fließen so 177 Euro für einen Erwachsenen, 133 Euro sind es für Jugendliche (14 bis 17 Jahre) und 126 bis 131 Euro für Kinder. Eigene Karten bekommen nur Erwachsene, das den Kindern und Jugendlichen zustehende Taschengeld wandert automatisch auf die Visa eines Elternteils.

Von den aktuell 261 Menschen in Hörste bekommen somit ab Mitte/Ende kommender Woche 238 eine eigene Bezahlkarte. Eine Zahl, die natürlich schwankt, betont Bezirksregierungssprecher Westphal. Nachdem die ersten Erfahrungen in Borgentreich und Herford gut gewesen seien, rechnet die Bezirksregierung auch in Hörste damit, dass die &bdquo;Kartenausgabe gut funktioniert“, sagt Westphal. Eine Woche später fließt darauf das erste Geld.

Droht ein &bdquo;Karten-Chaos“? Zahlen können die Geflüchteten damit überall, wo die Visa-Karte akzeptiert wird. In einer Zeit, in der auch immer mehr Bankhäuser dazu übergehen, ihre Giro- durch Debitkarten zu ersetzen, steigt die Verbreitung der notwendigen Kassenterminals. Aber nicht überall läuft Visa, wie der Bundesverband der Verbraucherzentrale in anderem Zusammenhang kritisiert. Ramona Pop spricht dort sogar von &bdquo;Karten-Chaos“.

Eine Notfall-Option für Geschäfte, die bei Visa nicht mitmachen, haben allerdings auch die Geflüchteten: Sie können pro Kopf 50 Euro im Monat bar abheben, entweder gegen eine mögliche Gebühr von 65 Cent am Automaten oder parallel beim Einkauf an der Kasse, wie Geschäftsbereichsleiter Dennis Ortmeier von der Stadt Lemgo sagt. Für Lemgo seien mindestens sechs Stellen bekannt, wo es beim Einkauf per Visa auch Bares gebe.

Störende Bürokratie In Lemgo ist die Verwaltung willig, die Bezahlkarte einzuführen. Gibt es doch unter den Geflüchteten Menschen, die keine Chance auf ein Girokonto haben, um das Taschengeld zu empfangen. Etwa ist das bei Menschen von der Krim so, die nach der Annexion durch Russland 2014 ihre Pässe gegen russische Ausweise eintauschen mussten. Aufgrund der Sanktionen ist die Eröffnung eines Konto in Deutschland dann häufig nicht möglich, weiß Ortmeier.

In diesen Fällen stellen die Mitarbeiter im Sozialamt bislang Schecks aus, gegen die sich die Geflüchteten ihr Taschengeld in der Bank holen können. Kompliziert. Bürokratisch. Zwei Unterschriften sind Pflicht. &bdquo;Die Bezahlkarte wird das vereinfachen“, spricht Ortmeier aus, was nicht alle lippischen Kommunen so sehen. Einige haben, wie Blomberg, schon große Zweifel an Aufwand und Nutzen angemeldet, andere warten ab. Entscheiden kann das quasi jede Kommune selbst, entweder die Verwaltung - oder die Politik im Rat zieht das Thema an sich.

App ist noch kein Hit Noch eine ganz praktische Frage: Woher wissen die Geflüchteten, ob neues Geld da ist und wie viel noch bleibt? Dafür steht die &bdquo;My SocialCard“-App in den Appstores fürs Handy parat. Ein Hit ist sie mit Rang 151 in den Apple-Download-Chats noch nicht - und auch 2,6 von 5 möglichen Sternen sind ausbaufähig. Immerhin: Neben Deutsch stehen 23 Sprachen von Arabisch über Dari und Paschtu (Afghanistan) bis zu Somalisch und Ukrainisch parat.

Apropos Ukrainisch: In den Landesunterkünften bekommen Ukrainer keine Bezahlkarte, da sie nach Worten von Pressesprecher Westphal normalerweise binnen zwei Wochen in eine Kommune verlegt werden. Dort wiederum - Beispiel Lemgo - würde man gerne mitziehen, kann aber noch nicht.

Lemgo in der Warteschlange Laut Ortmeier fehlt dazu eine sogenannte Verwaltungsvereinbarung mit dem Land, die NRW-Abfrage dazu steht noch aus. Wann die Kommunen die Karte somit einführen, ist also unklar. Dazu kommt: In einer Übergangszeit bis Jahresende sollen Karten nur an neue Flüchtlinge ausgegeben werden und an Menschen ohne Girokonto. Ab Januar 2026 sind dann alle betroffen.

Ein grundlegendes Ziel ist, dass Geflüchtete nicht im großen Stil Geld zu Verwandten ins Ausland schicken (Stichwort: Wirtschaftsflüchtlinge). Dazu kommt das Risiko mit Bargeld in großen Unterkünften. Auch sollen künftig Taxi-, Handy- oder Anwaltskosten überwiesen werden können, ohne ein Konto zu benötigen. Ab April sollen Überweisungen dank einer Positiv- und Negativliste freigeschaltet werden.

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