„Hühnerstreicheln“ inklusive: Plattform für nachhaltig-regionalen Einkauf startet in Lippe

Kreis Lippe / Lage. Andreas Postert ist im Stress. Der ehemalige Polizeibeamte, der an einer Fern-Uni Landwirtschaft studierte , hat in den vergangenen Monaten gemeinsam mit seinem Team die neue Verkaufsplattform RegionalMarkt OWL auf die Beine gestellt. Einer der zukünftigen Abholpunkte wird auf seinem kleinen Hof für regenerative Landwirtschaft in Lage-Müssen eingerichtet. Er betreut auch die innovative Logistik des Projekts.

Nun ist Endspurt angesagt: Zum zweiten REGIOtalk-Treffen am 4. September geht der Onlineshop &bdquo;live“. Die digitale Einkaufslösung ist dabei mehr als ein Marktplatz für Produkte aus der Region. &bdquo;Es geht uns primär um den Netzwerkgedanken“, sagt Postert. So sollen die Verbraucher mehr über Anbieter und Produkte erfahren. Die landwirtschaftlichen Betriebe können sich austauschen, vom &bdquo;Schwarmwissen“ profitieren und den Vertrieb in fähige Hände legen.

Wie ist die Plattform aufgebaut? Angeboten werden Lebensmittel von Höfen und Betrieben aus Ostwestfalen-Lippe. Die Produkte werden online bestellt. Geliefert wird der Einkauf dann wöchentlich an einen sogenannten Abholpunkt. Zum Start sind vier dabei - in Lage, Kalletal und Bad Salzuflen. &bdquo;Wir haben bereits weitere Anfragen von Schlangen bis Lügde“, so Postert, der &bdquo;nicht endlos schnell“ wachsen möchte, sondern peu à peu. An Landwirten und Erzeuger-Betrieben sind aktuell ein knappes Dutzend mit von der Partie, &bdquo;vom Gemüse über Fleischwaren bis hin zur Butter haben wir schon jetzt alles im Angebot“, erklärt Postert.

Wie läuft die Logistik ab? Anders als zum Beispiel bei der Plattform Wochenmarkt24 , bei der am kommenden Tag bis an die Haustür geliefert wird, erfolgt die Abholung des Einkaufs in der darauffolgenden Woche am Abholpunkt. Bei diesen handelt es sich zumeist um Hofläden, die von den entsprechenden Inhabern betreut werden. Der Vorteil: Es können dort auch noch Spontankäufe getätigt werden. Ein Mitarbeiter von Andreas Postert kümmert sich um die Lieferlogistik. Zudem baut Postert aktuell ein zentrales Lager auf, in dem häufig bestellte, unverderbliche aber auch Tiefkühlprodukte vorgehalten werden können.

Wer steckt hinter dem Projekt? Angestoßen wurde die Idee beim ersten REGIOtalk im Februar, zu dem der Landesverband Regionalbewegung NRW e.V. und der Kreis Lippe eingeladen hatten. Erklärtes Ziel ist es, die Zusammenarbeit in der regionalen Ernährungswirtschaft in Ostwestfalen-Lippe zu stärken. Die RegionalMarkt-Plattform hat Andreas Postert nun jedoch vorerst privatwirtschaftlich auf die Beine gestellt - ein stückweit notgedrungen, denn Fördermittel wurden zwar beantragt; jedoch bislang noch nicht bewilligt. &bdquo;Anstatt noch länger zu warten, wollten wir, typisch Lipper, jetzt endlich ins Machen kommen“, erläutert Postert. Mittelfristig soll der RegionalMarkt genossenschaftlich organisiert werden, um den gemeinnützigen Gedanken zu betonen.

Was haben die Landwirte davon? Um ihre Produkte anbieten zu können, zahlen die teilnehmenden Betriebe eine laut Postert marktübliche Provision auf den Verkaufserlös. Dafür müssen sie lediglich ein Produktfoto und die Beschreibung liefern - um alles andere kümmern sich die Plattform-Betreiber. So sollen die Landwirte von der betriebswirtschaftlichen Seite entlastet werden. &bdquo;Viele möchten - und müssen - auf dem Acker stehen und sich um ihr Gemüse kümmern, daher übernehmen wir den Rest“, fasst Postert zusammen. Ein externer IT-Profi hat den Aufbau der Plattform übernommen.

Welchen gesellschaftlichen Nutzen sehen die Macher? Regionalität bedeute vor allem kurze Wege, was ein solches Produkt per se nachhaltiger mache, erklärt Postert. Derart kurze Lieferketten hätten zudem den Vorteil, unabhängiger und dadurch krisenfester zu sein. Ein Ziel sei es, das Netz der Abholpunkte so stark zu erweitern, dass auch ländliche Räume, die aktuell keine Einkaufsmöglichkeit mehr hätten, davon profitierten. Das käme vor allem älteren Menschen und solchen ohne Auto zugute. Hier hofft Postert auf eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen, was die Bereitstellung geeigneter Örtlichkeiten betreffe.

Was ist der Unterschied zu Mitbewerbern? Die von Landwirtin Michelle Fischer 2023 ins Leben gerufene Marktschwärmerei Kalletal hat ihren Betrieb kürzlich eingestellt, war jedoch die Keimzelle der neuen Plattform. Denn auch hier lag der Fokus auf lokalen Erzeugern und dem Kontakt von Verbraucher und Landwirtschaft. So wurden die Einkäufe ebenfalls nur einmal pro Woche zur Abholung auf dem Kalletaler Markt zusammengestellt. Allerdings war die Abrechnung über das aus Frankreich stammende Unternehmen problembehaftet. &bdquo;Vielen war es auch zu Recht ein Dorn im Auge, dass die Wertschöpfung somit nicht hier vor Ort passierte“, so Postert.

Was Marktplatz OWL angehe, so sei dieser rein wirtschaftlich ausgerichtet und nicht als Netzwerk. Den größten Unterschied sieht Postert allerdings im Einkaufserlebnis selbst: &bdquo;Bei uns können Sie bei der Abholung Ihrer Produkte nebenbei Hühner streicheln“, bringt er die Idee auf den Punkt.

Was ist für die Zukunft geplant? Wenn alles gut geht, nimmt bereits im Oktober auch eine mobile Abholstation, sprich ein Einkaufswagen, der die Bestellungen an verschiedenen Orten ausliefert, den Betrieb auf. Die Plattform hat zudem nicht ohne Grund das OWL im Namen: &bdquo;Wir wollen auch die Oberzentren Bielefeld, Herford und Paderborn ins Boot holen“, erklärt Wiebke Brinkmann-Roitsch, Bio-Landwirtin und Projektmitarbeiterin im Landesverband Regionalbewegung NRW.

Für die Verbraucher soll es Aktionen wie Hofführungen geben. Überhaupt ist der Wunsch der Macherinnen und Macher, dass sich möglichst viele Menschen nicht bloß als Konsumenten begreifen, sondern - gerade jetzt in den Anfängen - als Mitgestalter. &bdquo;Sie können aktiv Teil vom RegionalMarkt werden“, so Brinkmann-Roitsch. &bdquo;Nach dem Motto: Ich bin dabei und kann etwas bewegen.“

Info & Termin Am Donnerstag, 4. September, wird die neue RegionalMarkt-Plattform im Rahmen des zweiten REGIOtalk-Treffens in der Future Food Factory Lemgo, Campusallee 15, offiziell eröffnet. Los geht es um 16 Uhr, es folgen Workshops mit verschiedenen Themen für landwirtschaftliche Fachbesucher. Anmeldung erbeten per E-Mail an d.streich@kreis-lippe.de. Die Veranstaltung ist kostenfrei.

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