Kurz vor Prozessende: Angeklagte Detmolder Anwältin will sich selbst verteidigen

Detmold. Die Kampfeslust scheint kurz vor Ende der Beweisaufnahme wie neu entfacht zu sein. Nicht nur der knallrote Lippenstift und die pinke Bluse der Angeklagten wirken wie ein optisches Aufbäumen, es sind viel mehr die Pläne, die sie hat - und denen überraschte Gesichter folgen.

Bevor Prozesstag 27 in dem Mammutverfahren gegen eine Detmolder Rechtsanwältin wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Untreue losgehen kann, muss die Große Wirtschaftsstrafkammer sich mit einem neuen Schriftstück befassen. &bdquo;Ich habe heute beantragt, dass ich mich selbst verteidigen will“, sagt die Angeklagte (59) , die vorrangig als gesetzliche Betreuerin gearbeitet hat, auf dem Gerichtsflur. Dafür will sie das Verfahren unterbrechen lassen.

Diesen Zahn zieht ihr die Vorsitzende Richterin Katharina Schikowski in der Sitzung schnell wieder. &bdquo;Das können Sie nicht, das ist nicht zulässig“, sagt die Richterin. Eine Selbstverteidigung bei Strafverfahren vor Landgerichten sieht der Bundesgerichtshof als ausgeschlossen.

Staatsanwaltschaft stellt einige Fälle ein Trotzdem hält die Angeklagte am zweiten Teil ihres Antrags fest, das Verfahren an dieser Stelle für drei weitere Wochen zu unterbrechen. Dafür ausschlaggebend sei eine frisch von Oberstaatsanwalt Christopher Imig übersandte Entscheidung gewesen, wonach die Ermittlungsbehörde Strafverfahren in neun weiteren Fällen mit Blick auf die Höhe der im Prozess zu erwartenden Strafe eingestellt habe. Imig: &bdquo;Im Vergleich zu den anderen Vorwürfen spielen die keine Rolle mehr.“ Sie wolle dennoch Akteneinsicht, sagt die Anwältin.

Richtig nachvollziehen, was die Angeklagte damit erreichen will, können offenbar weder die Kammer noch die Vertreter der Staatsanwaltschaft, da die eingestellten Fälle in keinem Fall Teil der Hauptverhandlung werden. &bdquo;Es kann sich aber strafschärfend auswirken“, argumentiert die Angeklagte. &bdquo;Ich will nicht verzögern, ich will einfach nur ein faires Verfahren, das mir zusteht.“ Ihren Antrag schmettert die Kammer trotzdem ab.

Erst dann können die zwei geladenen Zeugen aussagen. Darunter ist eine Krankenschwester, die schon mal da war. Sie hatte vor Jahren für eine über den Kaufpreis ihrer Wohnung getäuschte Seniorin ein Fax verschickt, das die oft diskutierte und viel zu gering angesetzte Wertermittlung enthielt. Der Zeitstempel zeigt, dass die betreute Seniorin das Dokument hatte. Laut Anklage soll ihre damalige Betreuerin und jetzt Angeklagte das Schreiben bei einem ehemals mitangeklagten Immobilienmakler in Auftrag gegeben haben.

Der Rest der Beweisaufnahme zieht sich: Die Kammer muss auf Antrag von Verteidigerin Christina Peterhanwahr etliche Rechnungen verlesen, die die Angeklagte an eine Betreute gestellt hatte. Der Zeitraum umfasst etwa vier Jahre. Minutiös und kleinteilig sind hier Telefongespräche (&bdquo;Anruf Arztpraxis: 6 Minuten“) sowie einzelne Arbeitsschritte (Dursicht der Unterlagen, Schriftverkehr, Bearbeitung der Post“) dokumentiert.

Vorsitzende weist auf Plädoyers hin Nicht immer scheinen die Zeiten zu passen, ein Telefonat soll am 30. Februar stattgefunden haben. Ein Datum, das in keinem Kalenderjahr existiert, bemerkt die Vorsitzende. Mit den Rechnungen will die Angeklagte den Beweis erbringen, dass sie sich den Bausparvertrag einer Betreuten im Wert von rund 15.000 Euro nicht wie vorgeworfen erschlichen hat, sondern damit die ausstehenden Rechnungen beglichen werden sollten.

Sechs bereits gestellte Beweisanträge lehnt die Kammer dann ab, Verteidigerin Peterhanwahr stellt noch drei weitere. Unter anderem beantragt die Rechtsanwältin aus Bielefeld, ein neues Sachverständigengutachten für den Wert der im Fokus stehenden Eigentumswohnung einzuholen, da der vom Gericht bestellte Gutachter voreingenommen gewesen sei und Zweifel an seiner Sachkunde bestünden. In diesem Komplex hatte die Kammer vor Kurzem erst die ehemals mitangeklagte Angestellte der Anwältin verurteilt.

Wie die Kammer über die neuen Anträge entscheidet, bleibt an dieser Stelle offen. Sie setzt aber auch eine Frist: Bis zum nächsten Prozesstag am 23. September bekommt die Verteidigerin Zeit, weitere Beweisanträge zu stellen. Dann ist Schluss. Richterin Schikowski: &bdquo;Stellen Sie sich darauf ein, gegebenenfalls zu plädieren.“ Ein Ende des Verfahrens scheint also doch in Sicht zu sein.

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