Lemgo streitet: Darf die AfD Mehrheiten beschaffen?

Lemgo. Die Änderung der Gestaltungssatzung für die historische Innenstadt, um damit mehr Möglichkeiten für Photovoltaik auf dem Dach zu schaffen, schien beschlossene Sache. Doch dann setzte sich im Rat wider Erwarten die ursprüngliche Minderheit durch. Jetzt kritisiert die SPD Bürgermeister Markus Baier und auch die CDU für das Abstimmungsverhalten. Ein Pakt mit der AfD steht im Raum.

Was war passiert? Mit Stimmen der Antragssteller von SPD, Grünen, BfL und esL war die Satzungsänderung bereits im Stadtentwicklungsausschuss beschlossen worden. Damit galt die Änderung eigentlich als gesetzt. Doch bei der Abstimmung im Rat kam es zu einer Überraschung. So fehlten in den Reihen von SPD, Grünen, BfL und esL einige Ratsmitglieder, zudem durften aufgrund der Befangenheitsklausel nicht alle Politiker abstimmen. Die gelte laut Gemeindeordnung für alle städtischen Ausschüsse und den Rat, soweit ein Mitglied oder seine nahe Verwandtschaft von der Entscheidung einen wirtschaftlichen Vorteil haben könnte, so Bürgermeister Baier, und das beträfe in diesem Fall Grundstücks-, Haus- oder Wohnungseigentümer in der historischen Innenstadt. Entsprechend durften 4 Politiker auf Seiten von SPD, Grünen und BfL und 3 Politiker bei CDU/Aufbruch C, FDP und AfD nicht abstimmen - wenngleich einige das Procedere anzweifelten.

Politiker aus FDP und BfL scheren aus Hatte sich Bürgermeister Baier im Hauptausschuss noch enthalten, so nutzte er im Rat sein Stimmrecht und gab sein Votum gegen die Änderung ab. Das eigentliche Zünglein an der Waage war dann aber wohl ein BfL-Vertreter, der überraschend gegen den Antrag seiner Fraktion stimmte. Ein FDP-Mitglied hingegen war erst für die Änderung, um sich dann doch anders zu entscheiden. Ein Durcheinander, an dessen Ende nach mehrmaliger Auszählung ein unerwartetes Ergebnis stand: 16 Stimmen für die Änderung und 17 dagegen. Damit war die Änderung der Gestaltungssatzung für mehr Photovoltaik auf den Dächern in der Altstadt abgelehnt.

Wären alle Politiker vor Ort gewesen und hätten auch abstimmen dürfen, wäre das Ergebnis vermutlich anders ausgefallen. SPD, Grüne, BfL und esL verfügen mit 27 Stimmen über die Mehrheit im Rat, die Antragsgegner CDU, FDP und AfD (insgesamt 20 Stimmen) sind damit in der Minderheit. Als sich abzeichnete, dass es eng werden würde, versuchte Wolfgang Sieweke (BfL) noch, den Beschluss zu vertagen, doch scheiterte letztlich auch an den Grünen, die sich in Teilen enthielten.

Kritik am Bürgermeister SPD-Fraktionschef Alexander Baer wirft Bürgermeister Markus Baier nun vor, sich gegen den eigenen Verwaltungsantrag ausgesprochen zu haben - schließlich hätte die Verwaltung zuvor lange mit den Politikern um die Änderungsmodalitäten gerungen - und sich trotz aller Beteuerungen gegen den Klimaschutz entschieden zu haben und damit "parteipolitisch seinen Freunden in der CDU" zu folgen. Auch von einer Koalition von CDU, FDP und AfD ist die Rede.

Das lässt Bürgermeister Baier nicht auf sich sitzen und feuert in einer Pressemitteilung zurück. So habe er sich bereits im Hauptausschuss zwar enthalten, aber deutlich gegen die geplante Änderung Stellung bezogen, die sowohl Bedenken der Denkmalschützer, als auch des Landschaftsverbandes unberücksichtigt lasse. Zudem sei der ursprüngliche Kompromissvorschlag der Verwaltung von den Antragstellern immer wieder verschärft worden.

Bürgermeister: Stimme war nicht entscheidend Ganz wichtig aber ist es dem Bürgermeister, darauf hinzuweisen, dass die Satzungsänderung auch ohne seine Stimme nicht durchgekommen wäre, da bei Stimmengleichheit ein Antrag als abgelehnt gelte. Letztlich hätten in den Reihen der Antragssteller, also SPD, Grüne, BfL und esL , wohl einfach zu viele Ratsmitglieder gefehlt.

Das sagt auch die CDU-Fraktion und wehrt sich entschieden gegen Darstellungen, sie hätte mit der AfD koaliert. "Die CDU-Lemgo steht für eine klare demokratische Haltung und distanziert sich ausdrücklich von rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Parteien wie der AfD", schreibt Steven Grimshaw, Stadtverbands-Vorsitzender. Die CDU habe sich bereits zuvor in den Ausschüssen gegen eine Änderung der Gestaltungssatzung ausgesprochen und sei dieser Linie auch im Rat treu geblieben.

Wie ist das Votum der AfD zu bewerten? Der Vorwurf, die CDU arbeite mit der AfD zusammen, sei haltlos, "vielmehr versuchen SPD und Alexander Baer vom eigenen Unvermögen abzulenken, in den eigenen Reihen nicht für die notwendigen Stimmen für eine Mehrheit gesorgt zu haben". Im Übrigen habe auch die SPD bei anderen Themen bereits wie die AfD abgestimmt. Doch da sieht Alexander Baer einen entscheidenden Unterschied: "In diesem Fall ist die Mehrheit und damit der Beschluss erst mit den zwei Stimmen der AfD entstanden."

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