Weihnachten nach dem Krieg: Zwei Lemgoer erinnern sich

Lemgo. Es waren schwere Zeiten. Zeiten der Armut und der Not, in denen Weihnachten als Zeichen der Hoffnung herausragte. Margret Tasche und ihr Lebenspartner Johannes Ehrlich erinnern sich an das Fest in der Nachkriegszeit. Damals, als es nur wenig gab und als für den Russlanddeutschen in Sibirien die Weihnachtsfeier gar als Hochverrat galt.

1940 geboren, sind beide Kriegskinder. Margret Tasche kam als Einzelkind in Lemgo zur Welt. Der Vater starb im Krieg, sie wuchs mit der alleinerziehenden Mutter auf. Johannes Ehrlich wiederum wurde an der Wolga in Russland geboren und als Kleinkind mit der Familie nach Sibirien verschleppt. Erst 1995 gelang es ihnen, nach Deutschland auszuwandern.

Christen drohte das Lager Am 18. Dezember war das, erinnert sich der heute 84-Jährige, für ihn auch das erste freie Weihnachtsfest. Denn die christliche Weihnachtsfeier war in der damaligen Sowjetunion verboten. Man traf sich heimlich mit der Familie zum Fest. Ohne Gottesdienst, ohne geschmückten Baum. Ein karges Festmahl wurde zubereitet, dazu gab es Gesang und Gedichte - immer bedacht darauf, so wenig wie möglich nach außen dringen zu lassen.

Denn gerade unter dem damaligen Diktator Stalin drohten bekennenden Christen in der UdSSR Lager und Gefängnis. Die Deutschen litten unter Not und Armut. Manchmal gab es nur eine Kartoffel zum Essen. &bdquo;Den Pass hatte man uns weggenommen“, erinnert sich Johannes Ehrlich an die schlimmsten Zeiten. Im Zweiten Weltkrieg waren viele Russen gestorben, auch von deutscher Hand - der Hass auf die Deutschstämmigen war mitunter groß.

Einfache Weihnachten, an die erinnert sich auch seine Lebensgefährtin Margret Tasche - das allerdings in unbeschwerter Runde im großen Kreis der Familie. Für die damals Sechsjährige unvergessliche Erlebnisse - und noch heute haftet diesen Erinnerungen ihrer Kindheit für sie ein besonderer Zauber an.

Mit dem Rad nach Schwelentrup Mit dem Fahrrad ging es am Heiligabend mit der Mutter zur Familie nach Schwelentrup. &bdquo;Rechts und links hingen die Taschen mit selbst gemachten Geschenken und Keksen am Lenkrad“, erinnert sich die Lemgoerin. Auf den Gepäckträger kam ein Paket mit der Sonntagsgarderobe - schließlich blieb man die gesamten Festtage vor Ort - und obendrauf kam dann, dick vermummt, die kleine Margret auf den Gepäckträger.

Eine Busverbindung gab es damals noch nicht, auch mit dem Zug war es schwierig und so ging es die gut zehn Kilometer in zunehmender Dunkelheit mit dem Rad nach Schwelentrup. Wobei es damals keine Gummischläuche und Reifen für die Räder gab. Die Felgen wurden mit alten Stahlfedern oder auch Gummiresten ausgepolstert, erzählt Margret Tasche und lacht, &bdquo;da musste man unter dem Po schon etwas haben“. Bei den Großeltern in Schwelentrup wartete dann die ganze Familie der Mutter. Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins waren da, viele wohnten in der Nachbarschaft. Und ein besonderer Spaß war es für das Einzelkind, bei den Cousinen zu übernachten.

Noch gut kann sich die Seniorin an den strahlenden Christbaum erinnern, der bis zum Heiligabend hinter der Tür verborgen blieb. &bdquo;Mein Opa sang sehr gerne und gut. Erst wurde ein Weihnachtslied gesungen, dann durften wir Kinder unsere Teller mit Leckereien suchen.“ Äpfel, Birnen, Walnüsse und Plätzchen - nach den harten Kriegszeiten etwas ganz Besonderes. Verschenkt wurde viel selbst geschneiderte, gestrickte und gehäkelte Kleidung.

Jeden Tag unter einem anderen Baum Nach dem Essen, oft Schweinebraten, wurde dann wieder gesungen. Und weil die Verwandtschaft in der Nachbarschaft wohnte, traf sich die Familie jeden Abend an einem anderen Weihnachtsbaum. Friedliche und frohe Zeiten seien das gewesen: &bdquo;Wir waren einfach glücklich, dass nach den schrecklichen Kriegsjahren endlich wieder Frieden herrschte.“

Nach den Feiertagen ging es dann zur Lemgoer Verwandtschaft. Die Weihnachtskrippe aus dem Riesengebirge bei der Uroma mit vielen Figuren und Tieren hatte es der kleinen Margret besonders angetan, ebenso die Spieluhr, die pünktlich nach dem 6. Januar wieder sorgsam verstaut wurden.

Und Johannes Ehrlich - der musste in der ehemaligen Sowjetunion noch lange Jahre auf freie unbesorgte Weihnachten warten. 1995 war es endlich soweit: Er kam nach Deutschland, über Salzgitter ging es weiter nach Lemgo. Und heute liebt er das Christfest in der Kirche St. Marien - in der Gemeinschaft mit vielen anderen, um Freude, Frieden und Zuversicht zu feiern.

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