Lemgo-Lieme. „Ich hasse Freibäder“, sagt Michael Ernst und das an einem Ort, an dem er einen Großteil seiner Freizeit verbringt: im Freibad Lieme. Dort ist er in der Saison unterwegs, „im gefüllten Becken wird man mich aber weniger finden“, grinst der Vorsitzende des Freibadvereins und erzählt, warum es ihn trotz Freibad-Abneigung in die Liemer Batze zieht. Obwohl - so ganz mag man ihm seine Abneigung nicht abnehmen, zu stolz gleitet der Blick über die Wasserflächen, mit zu viel Begeisterung erzählt er von dem mit 490 Mitgliedern größten Verein in Lieme und der Saison, die ganz frisch hinter ihnen liegt. Die hat der Freibadverein in gewohnter Manier gewuppt: Mit dem fünfköpfigen Vorstand, der sich die akute Arbeit in der Batze teilt, mit der langjährigen Schwimmmeisterin Bärbel Dreier vom Eau-Le, mit den Rettungsschwimmern, die zusätzliche Veranstaltungen ermöglichen, und mit den vielen Helfern, die das Bad fit machen für die Saison. Mit der Bäderkrise drohte das Aus Denn nur so funktioniert es im Liemer Freibad seit der großen Bäderkrise vor knapp 30 Jahren. Damals musst das 1957 erbaute Freibad aufwendig saniert werden und die Kosten explodierten. Statt der Minimalmaßnahmen von wenigen Hunderttausend Euro stand letztlich ein Millionen-Betrag an. Zu viel für Stadtwerke und Stadt Lemgo, die drohten das Bad dicht zu machen. Der Freibadverein Lieme sprang ein. 1999 hatte der sich gegründet, mit dem Ziel, seinen Anteil am Erhalt der Liemer Freizeitstätte zu leisten. Die Verhandlungen begannen und Ende 2000 war dann klar: Es sollte weitergehen mit dem Freibad in Lieme, 1,7 Millionen Euro würden die Stadtwerke investieren, der Freibadverein sich tatkräftig einbringen. Seitdem ist die Aufteilung geklärt: Die Stadtwerke kümmern sich um Personal, Technik und größere Reparaturen, der Freibadverein ist für den laufenden Betrieb zuständig: für Grünpflege, das Säubern von Flächen und sanitären Anlagen oder auch den Betrieb des Kiosks. Und die Gegenleistung? „Dass wir das Bad in Lieme behalten können“, kommt es von Michael Ernst prompt, und ganz eindeutig: Er ist mit diesem Abkommen mehr als zufrieden. Es klappt offensichtlich gut mit den Absprachen zwischen Stadtwerken, Eau-Le und Lieme - „auch, wenn wir natürlich von der Planung im Eau-Le abhängig sind“. Vor wenigen Jahren etwa, als der Fachkräftemangel zuschlug und auch in Lemgo zu verkürzten Öffnungszeiten bei den Bädern führte, da musste das kleine Liemer Bad öfter zumachen. „Da hatte das Eau-Le natürlich Priorität.“ Aber Lieme bleibt stark. Die Saison ist am 7. September frisch zu Ende gegangen und wieder haben viele Wasserfreunde das kleine Bad besucht. Gut 8500 Gäste kamen von Juni bis September. 93 Tage hatte die Saison, 91 Tage davon war das Bad geöffnet. Eine durchschnittliche Saison, wie der erste Vorsitzende des Freibadvereins erklärt, mit bis zu 300 Gästen sei es vor allem an heißen Tagen mitunter rappelvoll gewesen. Prominenter Gast schwärmt vom Bad Und an einem dieser Tage war auch ein prominenter Gast dabei: Sänger Max Giesinger wollte sich vor dem Auftritt beim Lippe Open Air auffrischen. „Der saß da mit seinen Jungs und hat Pommes gegessen“, erinnert sich Michael Ernst, erkannt habe ihn wohl kaum jemand im Bad. Gut hat es dem Sänger gefallen, so gut, dass er abends auf der Bühne beim Lippe Open Air von dem kleinen, schönen Freibad schwärmte. Und damit es so schön bleibt, kümmert sich vor allem der Vorstand des Freibadvereines emsig: Kassenwart Thomas Büschemann wohnt gleich nebenan und guckt täglich vorbei, Bernd Scholz ist als Rentner auch tagsüber verfügbar, Ernst Happe für die Schriftführung zuständig und der zweite Vorsitzende Christian Teubner nimmt sich der Technik an, zählt Michael Ernst das Fünfer-Team auf. Eine Reinigungskraft kümmert sich um die sanitären Anlagen und alle vier Tage fährt eine bezahlte Kraft mit dem Aufsitzrasenmäher über die Wiesen. „Doch, wenn die nicht können, dann springen wir da auch ein.“ Die Kosten trägt der Verein über Mitgliederbeiträge und immer wieder sind auch Sponsoren gefragt. Kiosk ist immer offen Stolz ist Michael Ernst auch auf den Kioskbetrieb. Denn, was in vielen größeren Bädern nicht klappt, ist in Lieme gute Tradition. Ein Kiosk, an dem es Pommes, Süßes und Getränke gibt, und das an jedem Öffnungstag, auch wenn es nur wenige Besucher in die Batze zieht. Denn der Kiosk-Betreiber ist auch für die Eintrittskarten zuständig und muss im Gegenzug dafür keine Pacht zahlen. „Das passt“, ist Michael Ernst zufrieden, in den vergangenen Jahren habe sich stets ein Betreiber gefunden. Jetzt ist das Bad geschlossen, am Freitag, 12. September, steht noch das Hundeschwimmen an. Danach wird eingepackt, Ein-Meter-Sprungturm und Startblöcke abgebaut, Bänke und Schirme für die kommende Saison eingemottet. Im November kommt dann das Eisdruckpolster in die zwei Becken, um das Zufrieren zu verhindern, denn das Wasser bleibt über Winter in Schwimmer - und Nichtschwimmerbecken, bevor es im kommenden Frühjahr abgelassen und die Bassins mit vereinten Kräften der Mitglieder gründlich sauber geputzt werden. Fünf Einsätze sind dafür jeweils vorgesehen und bislang, zeigt sich der 57-Jährige zufrieden, habe das immer bestens geklappt. Hundeschwimmen steht noch an Und doch bleibt die Frage, wie es ihn, den bekennenden Freibad-Hasser an die Vereinsspitze des Freibadvereins in Lieme gezogen hat? Der Elektroingenieur muss lachen, „natürlich war es die Familie, die älteste Tochter, mit der es vor 15 Jahre das erste Mal ins Wasser ging“. Zunächst war der gebürtige Hesse, der vor 19 Jahren von Bielefeld nach Lieme zog, eher passives Mitglied, auch wenn es die Kinder immer öfter ins Schwimmbad zog. „Vor sechs Jahren dann wurden verstärkt Aktive gesucht“, erzählt er und es kam, wie es wohl für einen Michael Ernst kommen musste: „Ich habe öfter mit angepackt - und dann vor drei Jahren den Vorsitz übernommen.“ Und natürlich, eigentlich ist er gerne im Freibad, lacht der dreifache Familienvater, „so lange ich nicht ins Wasser muss“. Und langweilig wird ihm wohl auch während der Winterpause nicht werden. Im Verein „Wir in Lieme“ ist er aktiv, kümmert sich um den Ilsepark und ist im Ort bestens vernetzt, „da bleibt immer was zu tun“.