Besonderer Fund: Werkzeug stammt aus der Neandertaler-Zeit

Leopoldshöhe. Mindestens 40.000 Jahre vor Christus muss im heutigen Leopoldshöhe, im Dorf Greste, ein Neandertaler oder eine Neandertalerin ein Werkzeug gefertigt und benutzt haben. Landschaftsgärtner Ulrich Käthner hatte dieses Steingerät entdeckt – und erst einmal in einer Kiste verstaut. Neben weiteren Funden, die er bei seinen regelmäßigen Runden über den Acker hinter seinem Garten entdeckt hatte. Immer in der Hoffnung, dass da doch mal was dabei sein könnte, was archäologische Bedeutung hat. Nun hat er einen Treffer gelandet. Und das nicht zum ersten Mal.

Neandertaler-Zeit: 120.000 bis 40.000 Jahre vor Christus Der Leiter des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen, Karl Banghard, möchte nicht von einer Sensation sprechen, auch nicht von einer klitzekleinen, wohl aber von &bdquo;einem besonderen Fund“, der ihn riesig freue. Weil die Neandertaler-Zeit auch für ihn als Prähistoriker zu weit weg und nicht sein Spezialgebiet ist, habe er den Fund an einige der wenigen Forscher in Deutschland geschickt, die &bdquo;solche Steingeräte mit Sicherheit bestimmen können“.

Die Experten sitzen in der Universität Köln und ihr Ergebnis lautete: Es stammt tatsächlich aus der vermuteten Zeit. Die Spanne ist ziemlich lang, grob gesagt, stammt das Werkzeug aus der Zeit zwischen 120.000 bis 40.000 Jahre vor Christus.

Wenige Fundstellen in Lippe Es ist die Zeit, in der Wollnashörner, Mammuts, Saiga-Antilopen, Hyänen und Säbelzahnkatzen das damals eiszeitliche Tal des Fettpottbaches durchstreiften, wie Karl Banghard erklärt. Und eben der Neandertaler, der sich das Werkzeug wohl aus einer Frostscherbe einer Feuersteinknolle geschlagen hat, um mit dem Schaber letztendlich Holz, Geweih oder Knochen zu bearbeiten. Wie das Werkzeug gefertigt sei und auch seine Patina, &bdquo;schön und braun“ (Banghard), sprächen für die Zeit. Man könne an einer Hand die Zahl der &bdquo;sicheren Fundstellen in Lippe“ abzählen. Leopoldshöhe gehört nun dazu.

Ulrich Käthner ist fasziniert von der Bedeutung des Fundes. Der 77-Jährige interessiert sich für Archäologie, liest immer wieder Steine, Scherben, auch Münzen hinter seinem Hof auf. Und unterhält sich gerne mit Banghard über die Bedeutung seiner Funde.

So auch jüngst, als der Museumsleiter mal wieder die &bdquo;Grabbelkiste“ mit dem Sammelsurium der Funde durchforstete und ihm das Steinartefakt aufgefallen war. Seine Eltern hätten sich schon für Fossilien und Mineralien interessiert, sagt Käthner. Da sei bei ihm wohl auch was hängengeblieben.

Karl Banghard freut das sehr, denn es brauche solcherlei Helfer, um weitere Punkte auf der &bdquo;noch sehr lichten Karte der mittelpaläolithischen Fundstellen in Deutschland“ setzen zu können. Landschaftsgärtner seien hervorragende Assistenten. Maulwürfe im Übrigen auch. So manch einer habe schon Scherben oder andere Artefakte nach oben gebuddelt.

Image des Neandertalers hat sich gewandelt Und als sei das alles nicht schon besonders genug, passt die Spezifizierung des Schabers aus Greste zu einer anderen Nachricht dieser Tage. Svante Pääbo hat in der vergangenen Woche den Medizin-Nobelpreis für seine Leistungen auf dem Gebiet der Paläogenetik bekommen. Der Neandertaler-Forscher, wie er auch genannt wird, habe das Verständnis der Evolutionsgeschichte der Menschen revolutioniert und nachgewiesen, dass auch Neandertaler &bdquo;einen wesentlichen Beitrag zur Abstammung der heutigen Menschen geleistet haben“, wie die Max-Planck-Gesellschaft erklärt. Karl Banghard kennt ihn und seine Forschungen und kann nun sagen: &bdquo;Svante Pääbo ist der erste Nobelpreisträger, mit dem ich mal ein Bier getrunken habe.“

Das Image des Neandertalers habe sich auch dank der Forschungen Pääbos gewandelt. Der Neandertaler &bdquo;war alles andere als primitiv“, sagt Banghard. Im Schnitt etwa 1,60 Meter groß, muskulös, mit einer gewaltigen Hebekraft ausgestattet, aber kurzen Unterschenkeln, einem – &bdquo;vom Volumen her“ – großen Gehirn. Und eben fingerfertig bei der Herstellung der Werkzeuge, die er dazu benötigte, das Fleisch erlegter Tiere in den Randszenen des Teutoburger Walds von Knochen und Haut zu schaben. Die Herstellung solch eines Werkzeugs, das Schlagen aus einem Stein, sei eine spezielle Sache gewesen, &bdquo;ein falscher Schlag, und man konnte es gleich wegwerfen“, sagt Banghard.

Fundstück soll Platz im Landesmuseum bekommen Ulrich Käthner interessiert sich für Geschichten und Erkenntnisse zur Entwicklung der Menschheit und was sich alles aus Scherben und Steinen herauslesen lässt, wenn sie denn sicher einer Epoche zuzuordnen sind. Man brauche schon &bdquo;Mut zur Blamage“ bei der Bestimmung seiner Funde, sagt Karl Banghard. In den meisten Fällen bleibe ein Stein ein Stein. Aber manchmal ist er eben auch ein Werkzeug.

Der Schaber des Neandertalers soll auf jeden Fall einen Platz im Landesmuseum Detmold finden, das hat sich Ulrich Käthner schon vorgenommen. Schließlich liege dort auch eine Münze, die er mal gefunden hat. Den Gang über den Acker behält er bei. &bdquo;Ich habe noch nie eine Pfeilspitze gefunden“, sagt Käthner. Die passt noch gut in seine Grabbelkiste. Oder ins Museum.

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