Ostlippe/Bad Pyrmont. Eine Ära ist zu Ende - endgültig. Die Pforten des Jaegerlatein bleiben für immer geschlossen. Maßgeblich gestaltet hat diese Ära der weit über die Grenzen hinaus legendäre Barbetreiber und Barmixer Horst Jaeger, der zuletzt auch die Funktion eines DJs neu definierte. Nach seinem Tod im Jahr 2017 hat sein Sohn Hans Jaeger die Kultbar mit seiner Frau Marlies - so lange es eben ging - weitergeführt. Vor einem Jahr musste das Ehepaar allerdings das Handtuch werfen.
Es lag schlicht an der Gesundheit. „Unsere langjährigen Gäste haben uns die Treue gehalten und das Jaegerlatein war immer noch ein Anlaufpunkt für Feierlustige aus der Region und den Kliniken, die Lust auf einen Cocktail und ein Tänzchen hatten“, bedauert Hans Jaeger, dass er trotz intensiver Bemühungen keinen Nachfolger gefunden hat. „Wir hatten einige Interessenten. Bei manchen scheiterte es erst auf der Zielgeraden, als beispielsweise Investoren wieder abgesprungen sind.“
Wie in Manhattan
Die Ära begann am 27. März 1973. Da wurde das Jaegerlatein an der Kirchstraße Ecke Altenauplatz eröffnet und Inhaber und Horst Jaeger katapultierte das Tanzlokal mit schwungvoller Live-Musik sofort in den Olymp des Nachtlebens. Das Jaegerlatein genoss bald einen Ruf wie das legendäre Studio 54 in Midtown Manhattan.
Eine Spitzenposition, die es auch gut zehn Jahre später nach dem Umzug an seinen neuen Standort nicht räumen musste. Denn es hatte viel zu bieten: tanzbare Musik und rund 600 Cocktails. Horst Jaeger, der bereits die Palmenbar im Konzerthaus zu Kultstatus führte, wurde sogar zum Vizeweltmeister der Barmixer gekürt.
Selbst die Online-Voter, die in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends die Mundpropaganda auf eine neue Ebene hievten, gaben zu, dass es nach einer ausgiebigen Party-Nacht keinen Grund gab, alleine den Heimweg anzutreten. Und als das Publikum immer mehr nach Originalsongs verlangte, haben die Tonträger der Live-Musik schlicht den Rang abgelaufen. Letztlich kam die Musik nur noch aus der Dynacord-Anlage, die nun zum Verkauf steht.
Abverkauf für Kneipenfans
Bis jetzt hatte Jaeger das Inventar und sogar die nicht angebrochenen Spirituosen aufbewahrt, damit ein Nachfolger zur Not auch gleich durchstarten kann. „Das muss jetzt alles raus“, bedauert er, nun am Samstag, 31. Mai, und Sonntag, 1. Juni, noch einmal die Türen zum Jaegerlatein weit aufzumachen, um alles zu verkaufen, was von Interesse ist. „Vielleicht möchte sich jemand mit einem Barhocker für seine Kellerbar eine bleibende Erinnerung schaffen oder mit einer der Deckenlampen, die über den Tischen hingen.“
Da die Lampen in Deutschland gar nicht zu bekommen waren, sondern extra importiert werden mussten, gibt es sogar noch Originalverpackte, die als Ersatz bei Bruch gedacht waren. Horst Jaeger hat einmal hochgerechnet, auf über 12.0000 Musiktitel zugreifen zu können. Die sind nicht digital gespeichert, sondern nach mittelalter Väter Sitte auf CDs. Und die werden ebenso feilgeboten wie elektrische Mixer, Cocktail-Shaker, Eismaschinen, eine Vielzahl von Gläsern und Strohhalmen, die zwar nicht mehr aus Stroh, aber auch nicht aus Papier gefertigt wurden.
Trauer und Kampfgeist
Tische, Stühle und natürlich auch der kultige Schreibtisch im Eingangsbereich und zu guter Letzt: Spirituosen. Ein paar hundert nicht angebrochener Likör-, Vodka-, Whisky- (mit und ohne „e“) und Rumflaschen werden an den beiden Tagen von 10 bis 18 Uhr abgegeben. Was es allerdings nicht gibt, sind die Tischtelefone, um die sich allerhand Mythen und Erzählungen ranken. „Die hat es nämlich nie gegeben“, erklärt Jaeger.
„In meinen drei Kur-Aufenthalten gab es abends nur ein Ziel: das Jägerlatein.“ Das ist immer noch in einer Online-Bewertung zu lesen. Der Kurgast schrieb weiter: „Leider ist in ganz Bad Pyrmont das Partyleben am Aussterben, aber das Jägerlatein darf und wird nicht untergehen!!“ Und wo immer man sich umhört, das Jaegerlatein wird eine Riesenlücke in der Bad Pyrmonter Partyszene hinterlassen. Aber wenigstens die Erinnerung lebt weiter - vielleicht auch in einem Stücken Jaegerlatein zu Hause.