Oerlinghausen. „Hier steckt eine Menge Herzblut und Schweiß drin“, sagt Friedrich Erlenbusch, während er vor dem riesigen Komplex des neu entstandenen Jugendzentrums mit reichlich Freizeitmöglichkeiten steht und zufrieden in die Runde blickt. Der Rollrasen ist verlegt, das Gebäude verklinkert, das Beachvolleyballfeld mit Sand gefüllt, die Wege sind gepflastert, ein Kleinfußballfeld entsteht. Innen wird derzeit noch gearbeitet. Ebenfalls fast ausschließlich ehrenamtlich.
Das Grundstück, auf dem das Freizeitheim der Mennoniten-Brüdergemeinde (MBG) Oerlinghausen entstanden ist, liegt mitten in der Natur. Gegenüber des Segelflugplatzes deutet ein Schild auf den „Jugendhof Windrose“ hin. Ein Weg durch den Wald führt zu den auffälligen Gebäuden und großzügigen Außenanlagen, die vor allem von Wanderern und Spaziergängern wahrgenommen werden. „Viele von ihnen verfolgen das Projekt, viele Ältere erinnern sich noch an das alte Haus, es hat viele Gespräche gegeben, Erinnerungen sind wachgeworden“, beschreibt Christian Kress vom Team für die Öffentlichkeitsarbeit die aufschlussreiche Kommunikation mit Bürgern während der Bauphase.
Im Jahr 2009 hatte die Mennoniten-Brüdergemeinde den zu dem Zeitpunkt bereits länger leerstehenden Jugendhof auf einem Grundstück am Stukenbrocker Weg im Wald erworben. Das ursprüngliche Gebäude stamme wohl aus den 30er Jahren, vermutet Christian Kress. „So ganz genau wissen wir es aber nicht.“ Alte Steine mit Inschrift sind bei den Bauarbeiten entdeckt worden. Einer aus dem Jahr 1936.
Abriss und Neubau waren sinnvoll
Noch im alten Gebäude entstand ein Zentrum für Jugendarbeit und eine Wohngemeinschaft für gefährdete, straffällig gewordene, therapiewillige Jugendliche, das bis 2015 betrieben wurde. Dort wirkte bereits Dietrich Berg. Der 43-Jährige wird auch im neuen Freizeitzentrum der MBG Oerlinghausen der Hausvater sein. Er lebt mit seiner Familie bereits in einer Wohnung des neu entstandenen Gebäudes. Seine Frau ist ausgebildete Sozialpädagogin. Eine große Wohnung im Haus werde für eine sogenannte Nachsorge-WG genutzt, „eine abgemilderte Form der Gefährdetenhilfe“, erläutert Friedrich Erlenbusch.
2017 entschied die Brüdergemeinde, dass die Komplettsanierung des alten Gebäudes keinen Sinn macht. „Das wäre viel zu teuer geworden“, hatte Gemeindepastor David Wiebe seinerzeit im Gespräch mit der NW berichtet. Es habe deshalb Sinn gemacht, das Hauptgebäude und die beiden Anbauten abzureißen „und etwas größer und neu zu bauen“. Langfristig, so Wiebe damals, „bringt das allen mehr“. Lange wurde geprüft, geplant und koordiniert. Im Oktober 2017 wurden die alten „Windrose“-Mauern abgerissen. Im November erfolgte der erste Spatenstich, im April 2018 wurden die Bauarbeiten von Gemeindemitgliedern aufgenommen. Auf dem 34.000 Quadratmeter großen Areal ist mittlerweile ein Freizeitzentrum entstanden, das künftig insbesondere von Schulklassen genutzt werden kann.
Voraussichtlich im Spätsommer soll Einweihung gefeiert werden. Zwei Jahre später als geplant. Der ursprüngliche Termin sei sicherlich sehr ambitioniert gewesen, bestätigt David Wiebe. Schließlich sei auch noch Corona hinzugekommen. Hausleiter Friedrich Erlenbusch nennt noch einen anderen Grund. „Bis auf zwei Gewerke wird hier alles in Eigenleistung von Mitgliedern erstellt“. Mauern, Elektrik, Malerarbeiten und mehr. „Wir müssen immer sehen, wer gerade verfügbar ist.“ Das verzögere die Sache natürlich. Aber die Brüdergemeinde sieht es gelassen.
Finanziert wird das neue Freizeitheim „komplett über Spenden von Gemeindemitgliedern“, berichtet David Wiebe. Darunter sind viele Materialspenden. Die Gesamtkosten für den Neubau schätzt Wiebe auf knapp drei Millionen Euro, „2,5 Millionen allein für das Gebäude“. Die Nutzfläche umfasst 2.400 Quadratmeter. Es gibt 48 Parkmöglichkeiten.
Das Freizeitheim mit seinen insgesamt neun Übernachtungszimmern wird mit 42 Betten für 36 Schulkinder und sechs Betreuer ausgestattet sein. Es wird eine Selbstverpflegung geben, auf Wunsch könnte aber auch Essen angeboten werden. „Es muss sich nach und nach herauskristallisieren, was wir anbieten können und dürfen“, erläutert Friedrich Erlenbusch. „Vor allem müssen wir schauen, wie wir es im Ehrenamt gestemmt bekommen.“ Das sei eine spannende Sache, sagt der Heimleiter. Für die Instandhaltung, Pflege und Versorgung der Besucher sollen künftig Teams gebildet werden. Sie setzen sich zusammen aus Menschen, die Hausmeistertätigkeiten übernehmen, das Garten- und Waldareal pflegen, putzen und in der Großküche wirken. Auch das möglichst alles ehrenamtlich. „Jedenfalls versuchen wir das“, sagt Friedrich Erlenbusch.
»Ein Paradies für Kinder«
Neben dem Gebäude befindet sich eine 386 Quadratmeter große Turnhalle. Im Keller des Hauptgebäudes entstehen Duschen. Es gibt einen Freizeitraum mit Billard und Kicker, einen Speisesaal und einen Gemeinschaftsraum sowie das Waldareal. Besonders viel Wert haben die Bauherren auf eine kinder-, senioren- und behindertengerechte Gestaltung gelegt. Kinder und Jugendliche sollen von Älteren lernen und umgekehrt. Wenn die Corona-Regeln es möglich machen, soll das Menno-Camp in den Sommerferien bereits rund um das neue Freizeithaus stattfinden, denn „das hier“, betont Friedrich Erlenbusch, „ist ein Paradies für Kinder“.