Café-Inhaberin in Schwalenberg gibt auf: „Ich habe bergeweise Torten weggeworfen“

Schieder-Schwalenberg. Viel Herzblut, Zeit und Geld hat Christiane Amerkamp in den Innenausbau ihres Café Schwalbennest investiert. Doch es kommen zu wenig Gäste, der Umsatz bleibt weit unter den Erwartungen. Konsequenz: Sie macht das Lokal im Herzen Schwalenbergs zum Monatsende dicht – nach nur 16 Monaten. Und bleibt auf jeder Menge Schulden sitzen.

Als wir uns zum ersten Mal treffen, Anfang Juli 2021, ist es ein warmer Tag, mitten in der Saison. Christiane Amerkamp lebt (noch) in der Nähe von Hamburg und erzählt, wie sie überhaupt das kleine lippische Örtchen Schwalenberg kennengelernt hat: Ihr Sohn, der in Höxter an der Technischen Hochschule studiert, hatte sich in eine Schwalenbergerin verliebt, das Paar schenkte der Mutter einen einwöchigen Urlaub im lippischen Osten - und da war es um sie geschehen.

Ernüchterung nach 16 Monaten Während ihres Aufenthaltes entdeckt sie den Aushang an der Marktstraße - Geschäftsräume zu vermieten. Und nach guten Gesprächen mit den Immobilienbesitzern Frank und Monika Ehlert werden sich die Parteien im Herbst 2021 einig. &bdquo;Ich will nicht nur die aus Hamburg sein, ich will ein Gesicht der Stadt werden“, sagt sie der LZ-Redakteurin damals.

Das ist missglückt. Eineinhalb Jahre später hat Ernüchterung Einzug gehalten. Wenn hier alles abgewickelt ist, werde sie im Sommer in Richtung Lüneburg ziehen, erzählt sie. In die Nähe von Freunden, die sie in Schwalenberg nicht gefunden hat: &bdquo;Ich konnte ja kaum Kontakte knüpfen, weil ich immer gearbeitet habe“, sagt sie rückblickend.

Die 59-Jährige ist ausgebildete Bürokauffrau, hat bis zu ihrem Umzug nach Schwalenberg als Chefsekretärin in einer Klinik in Harburg gearbeitet. Die Gastrobranche ist Neuland für sie, sie will ihr Hobby zum Beruf machen - das Backen von Kuchen und Torten. Soweit geht der Plan auch auf. Doch am Ende steht sie allein vor einem Berg von Aufgaben.

Das Café in der Marktstraße baut Besitzer Ehlert um, zuletzt waren hier ein Haushaltswarengeschäft und ein Schlecker-Drogeriemarkt, dann gab es jahrelangen Leerstand. Den Innennausbau finanziert die Pächterin selbst - viel Holz, das ihr Sohn an den Wänden verarbeitet hat, gibt dem Lokal Wärme, antike Möbel, eine Chesterfield-Ecke und eine alte Schulbank, verleihen eine Wohnzimmer-Atmosphäre, Gemütlichkeit, die von Gästen geschätzt wird - 150 beinahe ausschließlich positive Google-Rezensionen zeugen davon.

Stammgäste von weither

&bdquo;Ich habe Stammgäste von weither, zum Beispiel aus Kassel, aus Hannover“, sagt die Café-Betreiberin. Viel Lob erntet sie im Internet für ihre Torten und selbst belegten Flammkuchen. Doch Christiane Amerkamp kennt auch die Kehrseite: Nächtelang habe sie in der Küche gestanden und gebacken - um dann bergeweise Kuchen wegzuwerfen, weil die Gäste ausblieben, nichts oder nicht das Erwartete verzehrten: &bdquo;Erst wollten alle Erdbeerkuchen, dann plötzlich nicht mehr - und ich hab ich die ganzen Erdbeeren wegschmeißen müssen.“ Die teuren Erdbeeren, das habe ihr im Herzen wehgetan, aber natürlich auch im Geldbeutel. &bdquo;Ein anderes Mal waren Jäger-Flammkuchen mit Pilzen der Renner. Ich habe haufenweise Pilze gekauft - plötzlich wollte den keiner mehr, ich musste alles entsorgen.“

Einige werfen der Café-Inhaberin vor, sie sei zu teuer. Mit Recht? &bdquo;Meine Torten kosten zwischen 3 und 4,50 Euro, je nach Aufwand“, sagt sie. Ist das zu viel, bei all der Arbeit und den Fixkosten inklusive Pacht, die sie zu tragen hat?

Viele Gründe, glaubt die 59-Jährige, hätten letztlich wohl dazu geführt, dass das Café nach so kurzer Zeit wieder schließen müsse: Fehlendes Personal, der späte Öffnungstermin im Oktober statt im Sommer 2021 (&bdquo;da war die Saison gelaufen“), weniger Touristen in der vergangenen Saison als in früheren Jahren, schlechte Infrastruktur in Schwalenberg und fehlende Laufkundschaft und dann eben auch diese Unberechenbarkeit. An manchen Tagen habe sie nicht mal einen Gast bedient. An einem anderen Tag wiederum habe sich eine 40-köpfige Wandergruppe angemeldet, sie buk wie ein Weltmeister - und dann habe nur eine Handvoll Gäste überhaupt Kuchen verzehrt. Und wieder gingen die teuren Reste in die Mülltonne.

Und dann sei sie ja auch irgendwie in einer Zwickmühle gewesen: Oft habe sie mangels Personal und Gästen Küche, Theke und Service alleine gestemmt. &bdquo;Hätte ich Werbung gemacht, hätten da vielleicht plötzlich 30 Gäste gestanden - die hätte ich ja gar nicht bedienen können.“ Kein Personal, kein Umsatz - kein Umsatz, kein Personal - sie drehte sich im Kreis. &bdquo;Vielleicht“, sagt sie, &bdquo;würde es funktionieren, wenn einem das Haus gehört und man keine Pacht zahlen muss. Dann könnte man auch nur tageweise öffnen.“

Eine Perle in der falschen Muschel &bdquo;Ich bin nach wie vor von dem Konzept des Wohnzimmer-Cafés überzeugt - mit guten Kaffee, selbstgebackenem Kuchen, selbst belegten Flammkuchen, hochwertigem Bio-Wein. Nur Schwalenberg ist eben noch nicht bereit dafür“, resümiert Christiane Amerkamp. Anders ausgedrückt: &bdquo;Mein Café ist eine echte Perle, nur leider in der falschen Muschel.“

Und jetzt? Ein Insolvenzverwalter werde sich demnächst mit der Abwicklung beschäftigen, den Pachtvertrag habe sie auf zehn Jahre geschlossen. Bis Juni, schätzt die 59-Jährige, werde sie noch in Schwalenberg bleiben und die Gegend bei langen Spaziergängen genießen, dann wolle sie gen Lüneburg ziehen und neu anfangen. Eine kleine Erwerbsminderungsrente hilft ihr vielleicht dabei.

&bdquo;Ich bereue nicht, dass ich es versucht habe. Hätte ich es nicht versucht, hätte ich es bereut“, sagt sie, doch Enttäuschung liegt in ihrer Stimme. Schließlich habe sie auch schöne Begegnungen, tolle Gäste gehabt, versichert sie. &bdquo;Aber die Schwalenberger, die vorher alle so begeistert waren, die sind leider nicht gekommen.“

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