So krass geht es bei der Bielefelder Tafel ab

Bielefeld. Baumheide ist die letzte Bastion der Bielefelder Tafel. Während die Ausgabestellen in Brake, Jöllenbeck und Quelle geschlossen werden mussten, versorgt das Team um den Vorsitzenden Thomas Doussier dort immer noch rund 2.500 Menschen mit Lebensmittelspenden. Aber längst nicht jeder sei so dankbar und wirklich bedürftig wie Karlheinz Mathiszik und seine Familie. "Es gibt auch welche, die in dicken Autos vorfahren oder vorher ihre Markenklamotten ausziehen", berichtet Doussier. Und das ist nicht das Einzige, was ihn ärgert.

Daten und Lebensmittelschutz, Abfallentsorgung, Dokumentationen - und dann auch noch Corona: Die Auflagen seien in den Jahren immer mehr und komplizierter geworden. Das fresse unnötig Ressourcen. Hätte die "Aktion Mensch" jetzt den vor 25 Jahren gegründeten Verein nicht mit rund 40.000 Euro unterstützt, hätte es wohl das Aus für die Tafel in Bielefeld bedeutet, so Doussier.

Hinzu komme, dass immer mehr Vereine - aus seiner Sicht nicht alle seriös - um Lebensmittelspenden buhlten. "Manchmal hat uns gerade jemand die Ware vor der Nase weggeschnappt, wenn wir zur Abholung kommen", berichtet er. Es sei zwar grundsätzlich gut, dass die aussortierten Waren verwertet würden. "Aber nicht, wenn andere sich daran bereichern und das zu Lasten der wirklich Bedürftigen geht."

"Wir haben verstärkt mit Leistungsmissbrauch zu kämpfen"

Auch habe er es schon erlebt, dass Tafel-Kunden das, was sie sich gegen eine Spende von fünf Euro an der Ausgabestelle am Rabenhof 22 abholten, auf dem Parkplatz eines Discounters dann gewinnbringend verkaufen wollten. Oder einen Teil der Lebensmittel einfach in Vorgärten, auf Spielplätzen, im Bach oder auf Parkbänken entsorgten. Das habe extrem zugenommen, seit die Tüten aufgrund der Hygienevorgaben vorgepackt ausgegeben würden und die Tafel-Nutzer sich die Ware nicht aussuchen können. Mehrfache Appelle, an der Ausgabe den Inhalt zu sichten und nicht Gewünschtes dort zu lassen, würden da nicht helfen.

Das Angebot könne von jedem Menschen in Anspruch genommen werden, der von einer niedrigen Rente, Arbeitslosengeld 2 oder anderen Zuwendungen lebt. Jobcenter- oder Rentenbescheid sowie ein aktueller Bielefeld-Pass seien da die Eintrittskarten. "Aber wir haben verstärkt mit Leistungsmissbrauch zu kämpfen", sagt Doussier. Wenn die Tafel-Nutzer mit dicken Autos vorfahren und schnell Goldketten, Rolex oder Markenklamotten ablegten, sei da doch irgendetwas im Argen. "Aber es ist nicht unser Job, die Dokumente der Stadt zu kontrollieren", sagt Doussier.

Abgelaufene Waren sind oft noch gut

Und dann gibt es auch genau das Gegenteil: Menschen wie Karlheinz Mathiszik, der das Angebot wirklich zu schätzen weiß. Mit seiner Ehefrau (35) und der 11-Jährigen Tochter lebt er seit zehn Jahren in Baumheide. Und nutzt seitdem auch das Angebot der Tafel. "Wir sind wirklich dankbar, dass es das gibt", sagt der Rentner, der bis zu einem schweren Unfall bei der Post tätig war. Seine Ehefrau habe den Beruf Gärtnerin gelernt, aber aufgrund ihrer vielfältigen Erkrankungen und Operationen nie arbeiten können.

Immer dienstags holt er bei der Tafel ab, was es dort so gerade gibt. Diese Woche zum Beispiel Weintrauben, Mandarinen, Brötchen und frische Pilze. In der Verpackung hätten die sich nicht mehr lange gehalten, berichtet er. Deshalb habe er sie portionsweise in Einmachgläsern konserviert. Er verwendet auch Obst und Gemüse, das selbst bei der Tafel kaum noch jemand haben möchte. "Da schneide ich die faulen Stellen raus, ist doch viel zu schade", sagt Mathiszik.

Auch abgelaufene Waren seien oft noch gut. Vom Mindesthaltbarkeitsdatum profitierten nur die Hersteller, ergänzt Doussier. Vieles sei deutlich länger gut. Das erklärt ein Flyer, den die Tafel verteilt, auch übers Internet. "Wir haben doch alle unsere Sinne, können sehen, riechen, schmecken", sagt Doussier.

Aus dem was so da ist, kocht Karlheinz Mathiszik für seine Familie, denn der Tag seiner Ehefrau ist mit Arzt- und Rehaterminen gefüllt. Eintöpfe zum Beispiel. Wenn's mal nicht den Geschmack der Tochter trifft, kaufe die sich auch schon mal von ihrem Taschengeld eine Portion Pommes Frites. Aber richtig essen gehen mit der Familie ist nicht drin. Das fehle ihm aber nicht. "Das kenne ich auch gar nicht", ergänzt Mathiszik.

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