Warum die Krise in der NRW-SPD auch Bundeskanzler Scholz betrifft

Düsseldorf. Es gab Zeiten, da holte die SPD in NRW 46 Prozent – und war enttäuscht. Das war 1995, als die Sozialdemokraten ihre absolute Mehrheit verloren und erstmals nach 15 Jahren wieder einen Koalitionspartner brauchten. Heute dürften die Genossen an ein Ergebnis jenseits der 40 Prozent am Rhein nicht mal mehr denken. 26,7 Prozent holten sie bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr. Doch noch immer hat die NRW-SPD in der Bundespolitik Gewicht. Gerade deshalb atmen viele Beteiligte an der Spree gerade kräftig durch.

Im Sommer ging es los. Nach der verlorenen Wahl trudelten bei Achim Post immer mehr besorgte Fragen ein: "Was ist da los bei euch in NRW?" Post ist Bundestagsmitglied aus Minden und Vorsitzender der NRW-Landesgruppe. " Es liegt seit knapp einem Jahr ein besonderes Augenmerk auf der SPD in NRW", sagt Post im Gespräch mit dieser Zeitung. Die NRW-Landesgruppe umfasst 49 der 206 Fraktionsabgeordneten im Bundestag - sie ist mit Abstand die größte Gruppe. Bei der Bundestagswahl 2021 holte die SPD in NRW starke 29 Prozent. Doch die Wahlpleite bei der Landtagswahl war ein herber Rückschlag. Post sagt: &bdquo;Wir haben gemeinsam gekämpft. Und wir haben gemeinsam verloren.“ Die Sitzung des Landesvorstandes am letzten Wochenende habe gezeigt, dass es jetzt um eine Neuaufstellung gehe, die die gesamte SPD in NRW mit nimmt. Die nächsten politischen Wegmarken, so Post, seien die Europawahl in 2024 sowie dann die Kommunalwahlen und die Bundestagswahl in 2025.

Krise ist automatisch ein Problem für die Bundes-SPD "NRW ist für die deutsche Sozialdemokratie weiterhin das bedeutendste Land", entgegnet die Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar aus Bielefeld. Das hat mathematische Gründe: NRW macht rund ein Viertel der Wahlberechtigten aus, es ist das bevölkerungsreichste Bundesland. Das bundespolitische Gewicht einer Partei bemesse sich immer zu einem erheblichen Teil danach, "wie stark sie in NRW ist", sagt der Politikwissenschaftler Thomas Poguntke von der Uni Düsseldorf.

Damit sei die Krise der SPD in NRW "automatisch" auch ein Problem für die SPD im Bund. "Zwar schadet das kurzfristig nicht der Position von Bundeskanzler Olaf Scholz, aber mittelfristig muss auch der Bundeskanzler ein Interesse daran haben, dass die SPD in NRW wieder Tritt fasst", so Poguntke. Nicht umsonst hatte der Kanzler im vergangenen Jahr ordentlich Wahlkampf in NRW für Kutschaty betrieben – und sich mit ihm auf Wahlplakaten ablichten lassen.

Doch der SPD-Bundesvorstand und auch das Kanzleramt hätten zuletzt die Performance ihres größten Landesverbands und die von Kutschaty mit immer größerem Unbehagen beobachtet, heißt es aus gut unterrichteten Kreisen. Als stellvertretender Bundeschef der SPD sei Kutschaty wenig sichtbar und aktiv gewesen. In Berlin wird die aktuelle Krisenlage in der SPD am Rhein deshalb nicht nur negativ gewertet. "Es kommt jetzt wieder Fahrt auf; die NRW-SPD kann sich neu aufmachen", sagt Esdar. Achim Post betont: &bdquo;Für den Erfolg der SPD im Bund braucht es eine starke und geeinte SPD in NRW. Und ich bin zuversichtlich, dass uns das auch gelingt.“

Kutschaty bleibt vorerst Fraktionschef "Wir haben am Freitag einen ordentlichen Schritt der Stabilisierung gemacht", sagt der Bundestagsabgeordnete Stefan Schwartze aus Vlotho. Die Lage in NRW sei keineswegs das beherrschende Thema in der Bundespolitik, meint der Chef der OWL-SPD. Und neu seien die Probleme auch nicht. Schon seit der Niederlage bei der Landtagswahl im Jahr 2017 habe der größte SPD-Landesverband &bdquo;offenkundig ein Problem“, das es nun zu lösen gelte, sagt Schwartze.

Esdar fordert, dass die unterschiedlichen Kraftzentren in der NRW-SPD aufhören, gegeneinander zu spielen. Der Wunsch nach einem "Team" wird dieser Tage von Genossen immer wieder formuliert. An schnelle personelle Entscheidungen glaubt man intern nicht. Das neue Führungspersonal dürfte nicht vor dem Sommer stehen. Auch die Fraktion soll nach Informationen dieser Redaktion zumindest noch einige Wochen lang von Kutschaty geführt werden. Mittelfristig muss laut Post für die NRW-SPD das Ziel ausgegeben werden, auf Landesebene wieder mindestens 30 Prozent der Stimmen zu holen.

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