Bis zu 150.000 Euro? Anliegern in Gütersloh droht saftige Rechnung für Ausbau von Straße

Gütersloh . Dass sich die Anlieger nach einer Gesetzesänderung im NRW-Landtag nun doch unbefristet an den Kosten für den Endausbau längst bestehender Straßen beteiligen müssen, wirkt sich in Gütersloh an mehreren Stellen aus. An einer Siedlungsstraße in Isselhorst wollen das die Bürger nicht hinnehmen. Sie haben an die Stadt und die Ratsfraktionen einen Bürgerantrag gerichtet, auf den Endausbau verzichten. Nahezu alle haben unterschrieben.

Der Ärger an der Straße Im Wiehagen ist groß, weil es die Straße seit Jahrzehnten gibt und die Grundstücke recht groß sind. Die Anlieger befürchten Beiträge von bis zu 150.000 Euro. Überdies halten sie den Ausbau in der vorgesehenen Form für überzogen und umweltschädlich. Es gebe einfachere Lösungen, die zielführender seien.

&bdquo;Hier brennt die Hütte“, sagt Reinhard Fulde. Seit bekannt geworden sei, dass die Stadt den Endausbau plane, sei das Unverständnis groß. Bis auf zwei Grundeigentümer, bei denen Interessenkonflikte vorlägen, hätten alle den Antrag unterschreiben. Sie halten der Stadt vor, schlecht zu informieren. Mehrfach habe man um eine Anliegerversammlung gebeten, ohne Reaktion. Auf Briefe werde nicht oder erst sehr spät reagiert.

"Da geht meine Alterssicherung drauf!" Im Durchschnitt seien die Grundstücke am Wiehagen 800 Quadratmeter groß. Von den Behörden habe man erfahren, dass mit Anliegerbeiträgen zwischen 30 und 50 Euro pro Quadratmeter zu rechnen sei; &bdquo;bei den Preissteigerungen im Bau müssen wir die Latte realistischerweise wohl eher oben und noch höher ansetzen“, sagt Fulde. Ergebe: mindestens 40.000 Euro pro Grundstück, eventuell mehr. &bdquo;Da hört man dann Sätze wie: Da geht meine Alterssicherung drauf! Oder: Muss ich mich in meinem Alter noch verschulden?“

Fulde ist 72 Jahre alt, er wohnt seit 1983 am Wiehagen, sein Mitstreiter Gerhard Kitzig, Friseur in Isselhorst, ist 75 und lebt seit 1980/81 dort. Das Argument, dass sie bislang ja um ihre Beiträge herum gekommen sind, akzeptieren sie, gleichwohl sei zu hinterfragen, warum der Ausbau jetzt und in der vorgesehenen Form nötig sei. Denn: &bdquo;Die Straße funktioniert. Sie könnte zwar mal eine neue Decke erhalten, aber ansonsten hat sie alles, was man braucht: eine feste Fahrbahn, Straßenlaternen, sämtliche Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen, Straßenbeleuchtung.“

Das einzige, was fehle, sei ein Regenwasserkanal. Jedoch sei ein solcher Kanal unsinnig. Bei Regen versickere das meiste Wasser auf den Freiflächen und in die Entwässerungsgräben. Dafür seien weitere Regelungen zu treffen. Ein Kanal hingegen bewirke nur, dass das Oberflächengewässer schneller abgeleitet werde, &bdquo;was gerade in diese Zeiten ökologisch durchaus als fragwürdig gelten kann“.

Die Stadt verweist auf Vorteile des typischen Ausbaustandards Die Stadt bestätigt die Ausbaupläne. Kanal- und Straßenbau sei für 2025 vorgesehen. Laut Baugesetzbuch seien die Anlieger mit 90 Prozent an den Kosten zu beteiligen. Der Ausbau erfolge &bdquo;nach den bestehenden Regelwerken und den Erfordernissen, die die Stadt aufstellt. Straßen mit gleicher Charakteristik im Stadtgebiet sollen auch in ähnlichem Ausbaustandard hergestellt werden. Das optimiert den Unterhaltungsaufwand allein schon dadurch, dass wiederkehrende Verfahren angewandt werden können und die Materialvorhaltung wirtschaftlich bleibt und Steuergelder schont. Sobald der Ingenieurvertrag erteilt worden ist und dem Fachbereich Tiefbau eine erste Entwurfsplanung vorliegt, werden die Anlieger über den Fachbereich informiert“.

Den Ausbau am Wiehagen nach herkömmlichen Standard vorzunehmen, ist indes genau das, was die Anlieger für unnötig halten. Schon im Mai 2021, so Fulde, habe er der Stadt Alternativen vorgeschlagen. Dazu gehöre etwa Tempo 10 statt Tempo 30, eine Einbahnstraßenregelung, das Ausweisen von Halte- und Parkstreifen und das Freihalten der Gräben – wozu die Stadt ohnehin verpflichtet sei. Die Verwaltung hingegen verweist auf die Standards und ihre Planungshoheit. Die Straße werde so ausgebaut, dass Teilflächen als Schutzstreifen oder eventuell Gehwege hergerichtet würden, &bdquo;um den unterschiedlichen Altersgruppen gerecht zu werden“. Zu Lampen und Baumstandorten und eventuell auch bei Parkständen würden die Anlieger &bdquo;selbstverständlich gehört. Das erfolgt dann in persönlichen Gesprächen mit den einzelnen Anliegern auf Nachfrage.“

Mittendrin einen Acht-Parteien-Wohnblock genehmigt Ob sich die Anwohner damit zufriedengeben, ist fraglich. Sie sind seit längerer Zeit auch aus anderen Gründen erregt. So sei unbegreiflich, dass die Stadt dort, wo bislang ein kleines Familienhaus gestanden habe, einen Mehrfamilienkomplex mit sechs plus zwei Wohnungen erlaubt habe – ohne Berücksichtigung der Verkehrslage. Das passe nicht in die Umgebung. Im Mohns Park gingen die Anwohner wegen solcher Wohnblöcke auf die Barrikaden.

Das Verdichten der Siedlung führe zudem dazu, dass sich mehr junge Familien ansiedelten, die wiederum auf der ungeordneten Straße dem zunehmenden Verkehr ausgesetzt seien. Werde - wie geplant - die benachbarte Siedlung An der Brede ausgebaut, sei mit weiterem Verkehr zu rechnen. Im Wiehagen seien zudem Bauten erlaubt worden, die nicht mehr in der Bauflucht lägen. Auch die Waschstraße an der Isselhorster Straße verursache Probleme, weil sie trotz ihrer Lage in einem Überschwemmungsgebiet von der Stadt genehmigt worden sei, jedoch zu weiterer Bodenverdichtung geführt und den Regenwasserdruck verschärft habe.

Anlieger Mario Kraemer hält der Verwaltung in Summe mehrere &bdquo;fragwürdige Entscheidungen“ vor. In einer kleinen Siedlungsstraße, bei der die Bebauung schon vor 90 Jahren begonnen habe, wolle die Stadt ihre Fehler aus den jüngeren Jahren nun durch &bdquo;eine ungeheure Kostenbelastung“ der Anwohner korrigieren. Für ihn, Besitzer eines 1.500-Quadratmeter-Grundstückes, wären das mindestens 75.000 Euro. &bdquo;Das tut weh.“

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